Klimawandel als Ursache für das Massenaussterben vor 450 Millionen Jahren

Untersuchte Proben. (John Eiler)
Untersuchte Proben. (John Eiler)

Vor 450 Millionen Jahren, im späten Ordovizium, fand das zweitgrößte Massenaussterben in der Erdgeschichte statt, infolgedessen mehr als drei Viertel aller marinen Lebensformen zugrunde gingen. Was genau diesen enormen Verlust an Biodiversität verursachte, bleibt ein Rätsel. Nun hat ein Forschungsteam unter der Leitung des California Institute of Technology (Caltech) neue Hinweise entdeckt, welche die Annahme unterstützen, dass das Massenaussterben durch ein abkühlendes Klima ausgelöst wurde.

“Obwohl seit langem bekannt ist, dass das Massenaussterben eng mit dem Klimawandel verbunden war, ist der genaue Vorgang unklar”, sagte Seth Finnegan, Erstautor einer Studie, die am 27. Januar im Fachmagazin Science veröffentlicht wurde. Das Massensterben fiel mit einer Eiszeit zusammen, in der die globalen Temperaturen stark absanken und erhöhte Eis- und Gletscherbildung vor sich ging. Zu diesem Zeitpunkt lag Nordamerika auf dem Äquator, während die meisten anderen Kontinente zusammen den Superkontinent Gondwana formten, der sich vom Äquator bis zum Südpol erstreckte.

Die Forscher benutzten eine neue Methode, mit der sie Hinweise auf den Zeitpunkt und die Größe der Eisbildung erhielten, und somit auch darüber, wie sie die Wassertemperaturen nahe des Äquators beeinflusste. “Unsere Beobachtungen implizieren ein Klimasystem, das sich von allem unterscheidet, was wir über die letzten 100 Millionen Jahre wissen”, erklärte Woodward Fischer, Dozent für Geobiologie am Caltech und Co-Autor der Studie.

Die Tatsache, dass das Massensterben begann, als weite Teile des heutigen Afrika und Südamerika von einem dicken Eispanzer bedeckt waren, macht es sehr schwierig, die Rolle des Klimas zu bewerten. “Einer der größten Unsicherheitsfaktoren bei der Untersuchung des Paläoklimas liegt darin, dass man nur schwer zwischen Temperaturveränderungen und Änderungen in der Dicke der kontinentalen Eispanzer differenzieren kann”, erläuterte Finnegan. Beide Faktoren könnten eine Rolle bei dem Massensterben gespielt haben: Je mehr Wasser in den Eispanzern gebunden war, desto geringer war der globale Wasserpegel, und damit auch die Verfügbarkeit von seichtem Wasser als Lebensraum. Zwischen diesen Faktoren zu unterscheiden, ist eine Herausforderung, denn die beste Methode, um die damals herrschenden Temperaturen zu messen, wird ebenfalls von der Dicke und Größe der Eispanzer beeinflusst.

Die gängige Methode zur Bestimmung von Temperaturen vergangener Erdzeitalter besteht in der Analyse vom Verhältnis diverser Sauerstoff-Isotope aus Mineralien, die dem Meerwasser entstammen. Das Verhältnis hängt von den Temperaturen und der Konzentration der Isotope ab, das heißt, sie enthüllen die Temperatur nur dann, wenn die Isotopenkonzentration des Meerwassers bekannt ist. Aber Eispanzer binden bevorzugt ein bestimmtes Isotop, wodurch dessen Konzentration im Ozean geringer wird. Weil niemand weiß, wie dick und wie groß die Eispanzer waren, und weil man das damalige Wasser nicht mehr analysieren kann, ist es extrem mühselig, diese Isotopenkonzentration zu bestimmen. Aufgrund dieses “Eis-Volumen-Effekts” gab es bisher keinen zuverlässigen Weg um herauszufinden, wie kalt oder wie warm es während der Eiszeiten war.

Aber nun hat John Eiler, Professor für Geologie und Geochemie am Caltech, eine völlig neue Methode – eine Art Paläothermometer – entwickelt. Mit seinem Verfahren konnten die Wissenschaftler zum ersten Mal überhaupt die Durchschnittstemperaturen des späten Ordoviziums bestimmen und den “Eis-Volumen-Effekt” für eine Zeitperiode überwinden, die Hunderte Millionen Jahre zurückliegt. Dafür untersuchte man die Chemie fossiler Überreste von Schalentieren (Brachiopoden, Gastropoden, Trilobiten), welche in Quebec (Kanada) und im mittleren Westen der USA gefunden wurden.

Eilers Methode basiert nicht auf Isotopenkonzentrationen in den Ozeanen, sondern auf der Verklumpung schwerer Isotope in Fossilien. Bei höheren Temperaturen binden sie sich mehr nach dem Zufallsprinzip aneinander, während sie bei niedrigeren Temperaturen eher zu Verklumpungen neigen. “Indem sie unabhängige Informationen über die Temperatur der Ozeane liefert, ermöglicht es diese Methode uns, die isotopische Zusammensetzung von 450 Millionen Jahre altem Meerwasser zu bestimmen”, berichtete Finnegan. “Damit können wir die Größe und Dicke der kontinentalen Eispanzer zu dem Zeitpunkt abschätzen.” Und je genauer die Informationen darüber sind, desto besser können die Forscher das ordovizische Klima rekonstruieren und verstehen, wie es die marinen Ökosysteme beeinflusst hat und zu dem Massensterben führte.

Das Team entdeckte, dass mittelgroße Gletscher vor und nach dem Massensterben an den Polen existierten, obwohl die tropischen Wassertemperaturen höher waren als heutzutage. Aber während des Massenaussterbens nahm die Eiszeit stärkere Ausmaße an: Die tropische Wassertemperatur fiel um fünf Grad Celsius ab und die Eispanzer auf Gondwana wuchsen auf 150 Millionen Kubikkilometer an – größer als die Eisdecke auf der Antarktis und der nördlichen Hemisphäre zur Zeit der letzten Eiszeit vor 20.000 Jahren.

“Unsere Studie stärkt den Eindruck für einen direkten Zusammenhang zwischen Klimawandel und Massensterben”, sagte Finnegan. “Obwohl die polaren Gletscher für mehrere Millionen Jahre existierten, sorgten sie nur in der relativ kurzen Zeitspanne des Massensterbens für ein Abkühlen der tropischen Ozeane.”

Die anderen Co-Autoren der Studie sind:
Aradhna Tripati von der University of California in Los Angeles
Kristin Bergmann, eine Studentin am Caltech
David Jones vom Amherst College
David Fike von der Washington University in St. Louis
Ian Eisenman, ein Stipendiat am Caltech und der University of Washington
Nigel Hughes von der University of California in Riverside.

(THK)

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