Geometrie löst ein Rätsel um Pulsar-Emissionen

Chandra-Aufnahmen und künstlerische Illustrationen von Geminga und B0355+54. (Credit: X-ray: NASA / CXC / PSU / B. Posselt et al; Infrared: NASA / JPL-Caltech; Illustration: Nahks TrEhnl)
Chandra-Aufnahmen und künstlerische Illustrationen von Geminga und B0355+54. (Credit: X-ray: NASA / CXC / PSU / B. Posselt et al; Infrared: NASA / JPL-Caltech; Illustration: Nahks TrEhnl)

Das Chandra X-ray Observatory der NASA hat Langzeitbelichtungen zweier energiereicher Pulsare gemacht, die durch die Milchstraßen-Galaxie fliegen. Die Form ihrer Röntgenemissionen spricht dafür, dass es eine geometrische Erklärung für rätselhafte Unterschiede beim Verhalten mancher Pulsare gibt.

Pulsare sind schnell rotierende, hochgradig magnetisierte Neutronensterne, die durch Supernova-Explosionen beim Kollaps massereicher Sterne entstehen. Sie wurden vor 50 Jahren aufgrund ihrer gepulsten, äußerst regelmäßigen Radioemissionen entdeckt. Pulsare produzieren einen leuchtturmähnlichen Strahlungskegel, den Astronomen als Pulse registrieren, wenn die Rotation des Pulsars den Strahl über den Himmel streichen lässt.

Seit ihrer Entdeckung wurden tausende Pulsare gefunden, von denen viele Strahlen aus Radiowellen und Gammastrahlung produzieren. Manche Pulsare zeigen nur Radiopulse und andere zeigen nur Gammapulse. Chandra-Beobachtungen haben stetige Röntgenemissionen offenbart, die von ausgedehnten Wolken aus hochenergetischen Teilchen stammen, welche mit beiden Pulsartypen in Zusammenhang stehen. Diese Wolken werden als Pulsarwindnebel bezeichnet. Neue Chandra-Daten über Pulsarwindnebel könnten die Präsenz oder die Abwesenheit von Radio- und Gammapulsen erklären.

Die vierteilige Grafik (hier in groß) zeigt die beiden von Chandra beobachteten Pulsare. Geminga befindet sich oben links und B0355+54 oben rechts. Auf beiden Bildern ist die von Chandra registrierte Röntgenstrahlung blau und violett gekennzeichnet und mit Infrarotdaten des Weltraumteleskops Spitzer kombiniert, die Sterne im Blickfeld zeigen. Unter jedem Bild demonstriert eine künstlerische Illustration mehr Details dessen, wie nach Meinung von Astronomen die Struktur des jeweiligen Pulsarwindnebels aussieht.

Für Geminga wurde Chandra-Beobachtungen mit insgesamt fast acht Tagen Belichtungszeit analysiert, die im Zeitraum von mehreren Jahren gemacht wurden. Sie zeigen gebogene Schweife, die sich ein halbes Lichtjahr weit erstrecken, und eine schmale Struktur direkt hinter dem Pulsar. Eine fünftägige Beobachtung des zweiten Pulsars B0355+54 zeigt eine Emissionshaube, der ein schmaler, fast fünf Lichtjahre langer Doppelschweif folgt.

Die beiden Pulsare sind im Grunde recht ähnlich: Beide rotieren etwa fünfmal pro Sekunde, und beide sind ungefähr eine halbe Million Jahre alt. Geminga zeigt jedoch Gammapulse ohne helle Radioemissionen, wohingegen B0355+54 einer der hellsten bekannten Radiopulsare ist und im Gammabereich nicht registriert wird.

Eine wahrscheinliche Interpretation der Chandra-Aufnahmen besagt, dass die langen, schmalen Schweife zur Seite Gemingas und der Doppelschweif von B0355+54 schmale Jets darstellen, die von den Rotationspolen der Pulsare ausgehen. Beide Pulsare besitzen außerdem einen Torus – eine scheibenförmige Emissionsregion, die vom Äquator der rotierenden Pulsare ausgeht. Diese donutförmige Strukturen und Jets werden zusammengestaucht und nach hinten gefegt, während sich die Pulsare mit Überschallgeschwindigkeiten durch die Galaxie bewegen.

Im Fall von Geminga blicken wir fast auf die Kante des Torus, wobei die Jets aus den Seiten herauskommen. B0355+54 hat eine vergleichbare Struktur, aber hier wird der Torus fast frontal beobachtet und die Jets weisen fast genau auf die Erde und von ihr weg. Die nach hinten gefegten Jets von B0355+54 scheinen fast aufeinander zu liegen, was einen doppelten Schweif zur Folge hat.

Beide Pulsare besitzen magnetische Pole nahe ihrer Rotationspole, so wie beim Erdmagnetfeld. Diese Magnetpole sind der Ursprung der Radioemissionen, daher gehen die Astronomen davon aus, dass die Radiostrahlen in eine ähnliche Richtung weisen wie die Jets. Im Gegensatz dazu werden die Gammaemissionen hauptsächlich entlang des Rotationsäquators erzeugt und richten sich mit dem Torus aus.

Bei Geminga beobachten Astronomen die hellen Gammapulse entlang der Toruskante, aber die Radiostrahlen nahe der Jets zeigen zur Seite und bleiben unbeobachtet. Bei B0355+54 weist ein Jet fast in unsere Richtung, wenn wir den Pulsar betrachten. Das bedeutet, Astronomen sehen die hellen Radiopulse, während der Torus und die mit ihm zusammenhängenden Gammaemissionen senkrecht von unserer Beobachtungslinie weggerichtet sind und die Erde verpassen. Diese zwei langzeitbelichteten Chandra-Aufnahmen haben dadurch die Rotationsausrichtung dieser Pulsare enthüllt, was bei der Erklärung der Präsenz und der Abwesenheit der Radio- und Gammapulse hilft.

Die Chandra-Beobachtungen von Geminga und B0355+54 sind Teil einer großen Kampagne unter Leitung von Roger Romani von der Stanford University, um sechs Pulsare zu untersuchen, bei denen Gammaemissionen registriert wurden. Die Stichprobe umfasst einen weiten Bereich an Alter, Verlangsamungseigenschaften und erwarteten Neigungen [der Rotationsachse], was dies zu einem leistungsfähigen Test der Pulsaremissionsmodelle macht.

Eine Abhandlung über Geminga, geleitet von Bettina Posselt von der Pennsylvania State University, wurde für die Veröffentlichung im Astrophysical Journal angenommen und ist online verfügbar. Eine Abhandlung über B0355+54, geleitet von Noel Klingler von der George Washington University, erschien am 20. Dezember 2016 im Astrophysical Journal und ist online verfügbar.

Das Marshall Space Flight Center der NASA in Huntsville (Alabama) betreibt das Chandra-Programm für das Science Mission Directorate der Agentur in Washington. Das Smithsonian Astrophysical Observatory in Cambridge (Massachusetts) steuert Chandras Wissenschafts- und Flugoperationen.

Quelle

(THK)

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