Neue Einblicke in die relativistischen Jets von Schwarzen Löchern

Bild aus einer Simulation des Blue Waters Supercomputers. (Credits: Northwestern University)
Bild aus einer Simulation des Blue Waters Supercomputers. (Credits: Northwestern University)

Mit den ersten Supercomputer-Simulationen ihrer Art haben Forscher, darunter ein Professor der Northwestern University, neue Einblicke in eines der rätselhaftesten Phänomene in der modernen Astronomie gewonnen: das Verhalten relativistischer Jets, die von Schwarzen Löchern abgestoßen werden und sich Millionen Lichtjahre weit erstrecken.

Moderne Simulationen, die mit einem der leistungsfähigsten Supercomputer der Welt erstellt wurden, zeigen den langsamen Richtungswechsel (die Präzession) der Jets infolge der Raumzeit, die durch das rotierende Schwarze Loch verzerrt wird. Dieses Verhalten stimmt mit Albert Einsteins Vorhersagen über extreme Gravitationskräfte nahe rotierenden Schwarzen Löchern überein, die in seiner berühmten allgemeinen Relativitätstheorie veröffentlicht wurden.

“Zu verstehen, wie rotierende Schwarze Löcher die Raumzeit um sie herum verzerren und wie sich dieser Prozess auf das auswirkt, das wir mit Teleskopen beobachten, bleibt ein entscheidendes und schwer zu lösendes Rätsel”, sagte Alexander Tchekhovskoy, Assistenzprofessor für Physik und Astronomie am Weinberg College of Arts and Sciences der Northwestern University. “Glücklicherweise bringen uns die Durchbrüche bei der Code-Entwicklung und Sprünge bei der Supercomputer-Architektur immer näher daran, die Antworten zu finden.”

Die Studie, veröffentlicht in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, ist eine Zusammenarbeit zwischen Tchekhovskoy, Matthew Liska und Casper Hesp. Liska und Hesp sind die Hauptautoren der Studie und Doktoranden an der University of Amsterdam in den Niederlanden.

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Video-Link: https://youtu.be/Aq_McDaByGk

Diese Simulation wurde mit dem Blue Waters Supercomputer erstellt und ist die erste Simulation, die demonstriert, dass relativistische Jets der Präzession der geneigten Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch folgen. Mit fast einer Milliarde berechneter Zelleinheiten ist dies die hochauflösendste Simulation eines Materie ansammelnden Schwarzen Lochs, die bislang erreicht wurde. (Credit: Northwestern University)

Schnell rotierende Schwarze Löcher verschlingen nicht nur Materie, sondern emittieren auch Energie in Form von relativistischen Jets. Ähnlich wie Wasser in einer Badewanne einen Sog bildet, wenn es in den Abfluss hineinfließt, wirbeln das Gas und magnetische Felder um ein supermassives Schwarzes Loch herum und bilden eine rotierende Scheibe. Die Magnetfelder sorgen dafür, dass ein Teil der einfallenden Materie entlang der Rotationsachse in entgegengesetzte Richtungen beschleunigt und mit hohen Geschwindigkeiten abgestoßen wird.

Die von Schwarzen Löchern emittierten Jets sind leichter zu untersuchen als die Schwarzen Löcher selbst, weil die Jets so groß sind. Mit dieser Studie können Astronomen verstehen, wie schnell sich die Richtung des Jets verändert. Das wiederum offenbart Informationen über die Rotation des Schwarzen Lochs und über die Ausrichtung und Größe der rotierenden Scheibe, sowie andere schwer zu messende Eigenschaften der Materieakkretion von Schwarzen Löchern.

Während fast alle bisherigen Simulationen gerade ausgerichtete Scheiben voraussetzten, nimmt man an, dass die zentralen supermassiven Schwarzen Löcher in den meisten Galaxien geneigte Scheiben besitzen. Das bedeutet, die Scheibe rotiert um eine andere Achse als das Schwarze Loch selbst. Diese Studie bestätigt, dass Akkretionsscheiben – falls sie geneigt sind – die Richtung relativ zum Schwarzen Loch verändern und wie ein Kreisel präzidieren. Die Simulationen zeigen erstmals, dass derartig gekippte Scheiben zu präzidierenden Jets führen, die ihre Richtung am Himmel periodisch ändern.

Ein wichtiger Grund dafür, dass präzidierende Jets nicht früher entdeckt wurden, liegt darin, dass 3D-Simulationen der Region um ein rasch rotierendes Schwarzes Loch eine enorme Menge an Rechenleistung benötigen. Um dieses Problem anzugehen, entwickelten die Forscher den ersten Simulationscode für Schwarze Löcher, der von Grafikprozessoren (GPUs) beschleunigt wird. Fördermittel der National Science Foundation gaben ihnen die Möglichkeit die Simulation mit dem Supercomputer Blue Waters an der University of Illinois durchzuführen, einem der leistungsfähigsten Supercomputer der Welt.

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Video-Link: https://youtu.be/fFQyYag_8QA

Der Vergleich einer Simulation mit geringer Auflösung (links) und der hochauflösenden Blue-Waters-Simulation (rechts) zeigt die Auswirkungen der Auflösung auf Modelle mit gekippten Achsen. Das hochauflösende Modell zeigt, dass die Präzession und die Ausrichtung sich infolge der Scheibenexpansion aufgrund magnetischer Turbulenzen verlangsamen. (Credit: Northwestern University)

Das Zusammenspiel des schnellen Codes, der die moderne GPU-Architektur effizient nutzt, und des Blue-Waters-Supercomputers erlaubte dem Team die Durchführung von Simulationen mit der höchsten bislang erreichten Auflösung – bis zu einer Milliarde berechneter Zelleinheiten.

“Die hohe Auflösung erlaubte uns erstmals sicherzustellen, dass kleinräumige, turbulente Bewegungen innerhalb der Scheibe in unseren Modellen exakt festgehalten werden”, sagte Tchekhovskoy. “Zu unserer Überraschung erwiesen sich diese Bewegungen als so stark, dass sie die Scheibe aufblähen ließen und die Präzession der Scheibe stoppten. Das spricht dafür, dass die Präzession durch Ausbrüche zustandekommen kann.”

Weil die Akkretion auf ein Schwarzes Loch ein hochgradig komplexes System ähnlich wie ein Wirbelsturm ist, aber so weit entfernt stattfindet, dass wir nicht viele Details ableiten können, bieten Simulationen eine leistungsfähige Möglichkeit, um Teleskopbeobachtungen zu erklären und das Verhalten von Schwarzen Löchern zu verstehen.

Die Ergebnisse der Simulation sind wichtig für weitere Studien zu rotierenden Schwarzen Löchern, die derzeit überall auf der Welt durchgeführt werden. Durch diese Bemühungen versuchen Astronomen kürzlich entdeckte Phänomene wie den ersten Nachweis von Gravitationswellen aus der Kollision zweier Neutronensterne zu verstehen, ebenso wie das damit einhergehende elektromagnetische Feuerwerk oder wie supermassive Schwarze Löcher normale Sterne verschlingen.

Die Berechnungen werden auch angewandt, um die Beobachtungen des Event Horizon Telescope (EHT) zu interpretieren, das die ersten Aufzeichnungen vom supermassiven Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraßen-Galaxie machte.

Außerdem könnte die Präzession der Jets Fluktuationen hinsichtlich der Lichtintensität erklären, die in der Nähe von Schwarzen Löchern auftreten, sogenannte quasi-periodische Oszillationen. Solche Oszillationen können auf ähnliche Weise entstehen, wie der rotierende Strahl eines Leuchtturms an Intensität zunimmt, während er an einem Beobachter vorbeistreift. Quasi-periodische Oszillationen wurden erstmals im Jahr 1985 von Michiel van der Klis (University of Amsterdam) als Röntgenstrahlung nahe Schwarzen Löchern entdeckt. Van der Klis wirkte als Co-Autor an der neuen Studie mit.

Quelle

(THK)

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