Präzise Messung der Expansionsgeschwindigkeit einer Supernova-Schockwelle

Illustration der Ausbreitung von Schockwellen des Supernova-Überrests W44 in der benachbarten Riesenmolekülwolke. (Image courtesy of Keio University / National Astronomy Observatory of Japan)
Illustration der Ausbreitung von Schockwellen des Supernova-Überrests W44 in der benachbarten Riesenmolekülwolke. (Image courtesy of Keio University / National Astronomy Observatory of Japan)

Ein Forschungsteam unter Leitung von Tomoro Sashida und Tomoharu Oka (Keio University) hat die Ausbreitungsgeschwindigkeit einer Schockwelle des Supernova-Überrests W44 präzise gemessen. Der Überrest befindet sich im Sternbild Aquila (Adler), etwa 10.000 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt. Das Team beobachtete das heiße und dichte molekulare Gas im Bereich der Millimeter- und Submillimeterwellen.

Die Analyse zeigt, dass die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Schockwelle von W44 12,9±0,2 Kilometer pro Sekunde beträgt. Außerdem wurde berechnet, dass die Supernova-Explosion (1-3)*1050 erg an kinetischer Energie in das interstellare Medium abgab. Die von der Sonne emittierte Energie beträgt etwa 3,6*1033 erg pro Sekunde. Durch den Vergleich kann man sich vorstellen, welch enorme Energiemenge von der Supernova-Explosion freigesetzt wurde. Darüber hinaus wurde auch anderes molekulares Gas mit einer extrem hohen Geschwindigkeit von über 100 Kilometern pro Sekunde registriert. Der Ursprung dieses molekularen Hochgeschwindigkeitsgases ist momentan noch unklar.

Ein Stern mit mehr als der achtfachen Sonnenmasse setzt gewaltige Energiemengen frei, wenn er stirbt und in einer Supernova explodiert. Die von einer Supernova-Explosion erzeugte Schockwelle expandiert und hat drastischen Einfluss auf die Zusammensetzung und den physikalischen Zustand der umgebenden interstellaren Materie. Sie gibt auch kinetische Energie in den interstellaren Weltraum ab. “Galaktische Winde”, die große Mengen Gas ausstoßen, werden oft in Galaxien beobachtet, in denen explosionsartig aktive Sternentstehungsprozesse stattfinden. Man nimmt an, dass die Energiequelle solcher galaktischen Winde viele Supernova-Explosionen sind.

Deshalb haben Supernova-Explosionen immense Auswirkungen auf den interstellaren Weltraum. Trotzdem gab es bisher keine quantitative Forschung über die Expansionsgeschwindigkeit und die kinetische Energie einer Supernova-Schockwelle. Das liegt darin begründet, dass ein ausgedehntes Gebiet beobachtet werden muss, um die Expansionsgeschwindigkeit und die kinetische Energie einer Supernova-Schockwelle zu untersuchen. Großflächige Beobachtungen mit der existierenden Ausrüstung erfordern recht lange Beobachtungszeiten. Daher sind Beobachtungen von interstellarem Gas, das von einer Supernova-Schockwelle beeinflusst wird, auf ein schmales Gebiet begrenzt.

Das Forschungsteam begann seine Beobachtungen hauptsächlich mit Radioteleskopen in den späten 1990er Jahren. Das Ziel war es, Wechselwirkungen zwischen dem Supernova-Überrest W44 und der benachbarten Riesenmolekülwolke (giant molecular cloud, GMC) zu studieren. W44 ist ein ungefähr 6.500-25.000 Jahre alter Supernova-Überrest, der rund 10.000 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt liegt. Angrenzend an den Überrest befindet sich eine Riesenmolekülwolke, deren Masse annähernd 300.000 Sonnenmassen entspricht. Seit Beginn der Beobachtungen wurden an verschiedenen Orten in der W44-Molekülwolke breite, verschobene molekulare Spektrallinien registriert. Dies hat man als Gas interpretiert, das durch die Passage der Supernova-Schockwelle beschleunigt wurde. (Anm. d. Red. Es besteht eine berechenbare Beziehung zwischen der Breite bzw. der Verschiebung der Spektrallinien und der Geschwindigkeit des beobachteten Gases.)

Das Forschungsteam verwendete das 45-Meter-Teleskop des Nobeyama Radio Observatory (NRO), das National Astronomical Observatory of Japan (NAOJ) und das 10-Meter-ASTE-Teleskop (Atacama Submillimeter Telescope Experiment), um hochempfindliche Videobeobachtungen der gesamten Region um W44 zu machen.

Die Beobachtungen offenbarten, dass breite, verschobene Spektrallinien überall dort registriert wurden, wo der Supernova-Überrest W44 die Riesenmolekülwolke überlagerte. Das Team berechnete Geschwindigkeitsschwerpunkte aus diesen Spektrallinien und untersuchte ihre räumliche Verteilung. Anhand der Verteilung machten die Forscher einen deutlichen Geschwindigkeitsgradienten vom Zentrum bis zum Rand von W44 aus. Das kann als Ausbreitungsaktivität von getroffenem Gas interpretiert werden – molekulares Gas, das von einer Schockwelle beeinflusst wurde.

Basierend auf dem gleichförmigen Expansionsmodell eines rotierenden Sphäroiden wurde eine Ausbreitungsgeschwindigkeit von 12,9±0,2 Kilometer pro Sekunde berechnet. Die Masse des getroffenen Gases lag Berechnungen zufolge bei 1,2±0,6 Sonnenmassen, basierend auf der Intensität des Spektrums. Aus diesen Werten konnten die Wissenschaftler die gesamte kinetische Energie ableiten, die der Supernova-Überrest in die interstellare Materie abgegeben hat: (1-3)*1050 erg. Dieser Wert entspricht etwa 10-30 Prozent der Gesamtenergie der Supernova-Explosion (circa 1051 erg) und stimmt mit den bisherigen theoretischen Voraussagen überein (rund 10 Prozent).

Zudem registrierten die Beobachtungen eine Komponente molekularen Gases mit einer extrem hohen Geschwindigkeit von mehr als 100 Kilometern pro Sekunde. Diese Positionen des molekularen Hochgeschwindigkeitsgases entsprechen exakt den Orten, wo ebenfalls die Quellen der Bremsstrahlung und eine Emissionslinie schwingenden molekularen Wasserstoffs nachgewiesen wurden. Das deutet darauf hin, dass dort lokal sehr starke Schockwellen existierten. Der Ursprung der Hochgeschwindigkeitskomponente bleibt zum momentanen Zeitpunkt jedoch ein Rätsel.

Das Forschungsteam plant, diese Forschung voranzutreiben, um die Natur der rätselhaften Komponente aufzudecken. Weiterhin wird das Team eine größere Menge des betroffenen Gases in der Umgebung der Supernova beobachten, um diese Beobachtungsergebnisse den theoretischen Modellen einer Supernova-Schockwelle gegenüberzustellen. Die wissenschaftliche Abhandlung wird in der Astrophysical Journal-Ausgabe vom 20. August 2013 erscheinen.

Quelle: http://www.nao.ac.jp/en/news/science/2013/20130809-nro.html

(THK)

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