“Jekyll-und-Hyde”-Stern wandelt sich von Radio- in Röntgenpulsar und zurück

Diese Illustration zeigt den Neutronenstern und seinen Begleiter während einer Akkretionsphase, in der der Neutronenstern starke Röntgenstrahlung emittiert. (Bill Saxton; NRAO / AUI / NSF)
Diese Illustration zeigt den Neutronenstern und seinen Begleiter während einer Akkretionsphase, in der der Neutronenstern starke Röntgenstrahlung emittiert. (Bill Saxton; NRAO / AUI / NSF)

Astronomen haben den eigenartigen Fall eines Neutronensterns aufgedeckt, der die besondere Fähigkeit besitzt, sich von einem Radiopulsar in einen Röntgenpulsar und wieder zurück zu verwandeln. Das launische Verhalten dieses Sterns scheint von einem nahen Begleitstern ausgelöst zu werden und könnte neue Einblicke in die Entstehung von Millisekundenpulsaren geben.

“Was wir sehen, ist ein Stern, der das kosmische Äquivalent von ‘Dr. Jekyll und Mr. Hyde’ ist und die Fähigkeit besitzt, sich mit hoher Geschwindigkeit von einer Form in sein energiereicheres Gegenstück zu verändern”, sagte Scott Ransom, ein Astronom vom National Radio Astronomy Observatory (NRAO) in Charlottesville (Virginia). “Obwohl wir wussten, dass sich Röntgendoppelsterne (von denen einige als Röntgenpulsare beobachtet werden) über einen Zeitraum von Millionen Jahren in schnell rotierende Radiopulsare entwickeln können, waren wir überrascht einen zu finden, der so schnell zwischen den beiden Zuständen hin- und herzupendeln schien.”

Neutronensterne sind die superdichten Überreste von massereichen Sternen, die als Supernovae explodiert sind. Dieser besondere Neutronenstern mit der Bezeichnung IGR J18245-2452 liegt etwa 18.000 Lichtjahre von der Erde entfernt im Sternbild Sagittarius (Schütze) in einem Sternhaufen namens M28. Er wurde im Jahr 2005 mit dem Robert C. Byrd Green Bank Telescope (GBT) der National Science Foundation zuerst als Millisekundenpulsar identifiziert und in diesem Jahr von einem anderen Astronomenteam als Röntgenpulsar wiederentdeckt. Die beiden Teams erkannten schließlich, dass sie dasselbe Objekt beobachteten, auch wenn es ein sehr unterschiedliches Verhalten zeigte, abhängig davon, wann es beobachtet wurde. Weitere Beobachtungen und Archivdaten von anderen Teleskopen bestätigten den An-Aus-Zyklus der Röntgen- und Radiopulse.

“Verschiedene Beobachtungen eines bestimmten Sterns mit unterschiedlichen Teleskopen über einen Zeitraum von Jahren haben sehr verschiedene Dinge offenbart: zu einem Zeitpunkt einen Pulsar und zum anderen Zeitpunkt einen Röntgendoppelstern”, sagte Alessandro Papitto vom Institute of Space Sciences (Consejo Superior de Investigaciones Cientificas – Institut d’Estudis Espacials de Catalunya) in Barcelona (Spanien). Er ist leitender Autor einer Abhandlung, die im Journal Nature veröffentlicht wurde. “Das war besonders verblüffend, weil Radiopulse nicht von Röntgendoppelsternen stammen und die Röntgenquelle lange versiegt sein muss, bevor Radiosignale auftreten können.” Die Antwort auf dieses Rätsel wurde in den komplexen Wechselwirkungen zwischen dem Neutronenstern und seinem nahen Begleiter gefunden.

Diese Illustration zeigt den Neutronenstern und seinen Begleiter in einer Phase ohne Akkretion. (Bill Saxton; NRAO / AUI / NSF)
Diese Illustration zeigt den Neutronenstern und seinen Begleiter in einer Phase ohne Akkretion. (Bill Saxton; NRAO / AUI / NSF)

Röntgendoppelsterne treten – wie der Name vermuten lässt – in einem Doppelsternsystem auf, wo ein Neutronenstern von einem normaleren, masseärmeren Stern begleitet wird. Der kleinere, aber deutlich massereichere Neutronenstern kann Materie von seinem Begleiter abziehen, die eine abgeflachte Scheibe aus Gas um den Neutronenstern bildet. Diese Materie spiralt langsam auf die Oberfläche des Neutronensterns, wird dabei stark aufgeheizt und erzeugt intensive Röntgenstrahlung.

Astronomen glauben, dass dieser Akkretionsprozess Millionen Jahre fast unvermindert weitergeht. Letztendlich würde die Materie aufgebraucht werden und die Akkretion würde zum Erliegen kommen und mit ihr die Röntgenemissionen. Ohne den Zustrom neuer Materie sind die starken Magnetfelder des Neutronensterns imstande, Radiowellen zu erzeugen, die durch den Weltraum reisen, während der Stern rotiert, was dem Pulsar sein charakteristisches, leuchtturmähnliches Erscheinungsbild gibt.

Die meisten Radiopulsare rotieren zig mal pro Sekunde und werden sich im Laufe vieler zehntausend Jahre verlangsamen, wenn sie sich selbst überlassen sind. Wenn der Neutronenstern sein Leben als ein Röntgendoppelstern beginnt, wird die Materie, welche sich auf seiner Oberfläche ansammelt, den Neutronenstern jedoch beschleunigen und seine Rotationsgeschwindigkeit erhöhen, bis er hunderte Male pro Sekunde rotiert. Wenn dieser Akkretionsprozess stoppt, ist das Ergebnis ein Millisekundenpulsar.

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Video-Link: https://youtu.be/JmLOID05ru8

Video-Animation des Röntgendoppelsternsystems, wie es zwischen den beiden Zuständen hin- und herpendelt. (Bill Saxton; NRAO / AUI / NSF)

Bei ihren Beobachtungen registrierten die Forscher Röntgenausbrüche, die fast einen Monat lang andauerten und dann plötzlich aufhörten. Innerhalb von wenigen Tagen traten die Radiopulse wieder auf. Dieses wilde Hin- und Herpendeln deutete darauf hin, dass die Materie aus der Akkretionsscheibe stoßweise auf den Neutronenstern fällt und nicht in einem langen, stetigen Strom, wie Astronomen vermutet hatten. Eine frühere Studie eines anderen Systems mit dem Green Bank Telescope registrierte die ersten Belege für eine Akkretionsscheibe um einen Neutronenstern, was dabei half, den Zusammenhang zwischen massearmen Röntgendoppelsternen und Pulsaren herzustellen.

Die neuen Daten unterstützen diesen Zusammenhang, aber zeigen auch erstmals, dass dieser Entwicklungsprozess, von dem man annahm, dass er vielleicht Millionen Jahre dauert, tatsächlich viel komplexer ist und in periodischen Ausbrüchen auftreten kann, die nur wenige Tage oder Wochen anhalten. “Das demonstriert nicht nur den entwicklungsmäßigen Zusammenhang zwischen Akkretion und rotationsgetriebenen Millisekundenpulsaren, sondern zeigt auch, dass manche Systeme in sehr kurzen Zeitspannen zwischen den beiden Zuständen hin- und herpendeln können”, sagte Ransom.

Die Röntgenquelle wurde vom International Gamma-Ray Astrophysics Laboratory (INTEGRAL) entdeckt und die Satelliten XMM-Newton, Swift und Chandra führten nachfolgende Röntgenbeobachtungen durch. Die Radiobeobachtungen wurden mit dem Green Bank Telescope, dem Parkes-Radioteleskop, dem Australia Telescope Compact Array und dem Westerbork Synthesis Radio Telescope gemacht. Das National Radio Astronomy Observatory ist eine Einrichtung der National Science Foundation und wird im Rahmen eines Kooperationsvertrags von Associated Universities, Inc. betrieben.

Quelle: https://public.nrao.edu/news/pressreleases/xray-pulsar-binary

(THK)

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