Entfernter Quasar erhellt ein Filament des kosmischen Netzes

Diese Aufnahme zeigt die zwei Millionen Lichtjahre große Nebelstruktur (cyan) in der Umgebung des Quasars UM 287. Die energiereiche Strahlung des Quasars regt das Gas zum Leuchten an. (S. Cantalupo, UCSC (via Keck Observatory))
Diese Aufnahme zeigt die zwei Millionen Lichtjahre große Nebelstruktur (cyan) in der Umgebung des Quasars UM 287. Die energiereiche Strahlung des Quasars regt das Gas zum Leuchten an. (S. Cantalupo, UCSC (via Keck Observatory))

Astronomen haben einen entfernten Quasar entdeckt, der einen ausgedehnten Nebel aus diffusem Gas erhellt und erstmals Teile eines Filamentnetzwerks offenbart, von dem man annimmt, dass es die Galaxien durch ein kosmisches Netz verbindet. Die Studie wurde von Forschern der University of California in Santa Cruz (UCSC) geleitet und am 19. Januar 2014 im Journal Nature veröffentlicht.

Mit dem 10-Meter-Keck-I-Telescope des W. M. Keck Observatory auf Hawaii entdeckten die Wissenschaftler einen sehr großen, hellen Gasnebel, der sich etwa zwei Millionen Lichtjahre weit in den intergalaktischen Raum erstreckt. “Dies ist ein sehr außergewöhnliches Objekt: Es ist groß – mindestens doppelt so groß wie jeder zuvor entdeckte Nebel – und es erstreckt sich bis weit über die galaktische Umgebung des Quasars hinaus”, sagte der Erstautor Sebastiano Cantalupo, ein Postdoktorand der UC Santa Cruz.

Das kosmologische Standardmodell der Strukturbildung im Universum sagt voraus, dass Galaxien in ein kosmisches Materienetz eingebettet sind, welches zu einem Großteil (etwa 84 Prozent) aus unsichtbarer Dunkler Materie besteht. Dieses Netz ist in den Ergebnissen von Computersimulationen über die Strukturentwicklung des Universums zu sehen, welche die großräumige Verteilung der Dunklen Materie zeigen. Dazu zählen auch die Halos aus Dunkler Materie, in denen Galaxien entstehen, und das kosmische Filamentnetzwerk, das sie verbindet. Die Gravitation lässt gewöhnliche Materie der Verteilung von Dunkler Materie folgen. Deswegen geht man davon aus, dass Filamente aus diffusem, ionisierten Gas ein Muster annehmen, das dem in Dunkle-Materie-Simulationen ähnelt.

Bis jetzt wurden diese Filamente jedoch nicht beobachtet. Intergalaktisches Gas wurde durch die Absorption des Lichts von entfernten Hintergrundquellen registriert, aber diese Ergebnisse offenbaren nicht, wie das Gas verteilt ist. In dieser Studie registrierten die Forscher das Leuchten von Wasserstoffgas, das durch die intensive Strahlung des Quasars zum Leuchten angeregt wird. “Dieser Quasar erhellt diffuses Gas in Maßstäben, die weit jenseits von allem liegen, was wir bislang gesehen haben. Das liefert uns das erste Bild von ausgedehnten Gasstrukturen zwischen Galaxien. Es gibt uns einen fantastischen Einblick in die Gesamtstruktur unseres Universums”, sagte Co-Autor J. Xavier Prochaska, Professor für Astronomie und Astrophysik an der UC Santa Cruz.

Das von dem Quasar UM 287 erhellte Wasserstoffgas emittiert ultraviolettes Licht, das als Lyman-alpha-Strahlung bezeichnet wird. Die Entfernung zu dem Quasar ist so groß (etwa zehn Milliarden Lichtjahre), dass das emittierte Licht durch die Expansion des Universums von einer unsichtbaren ultravioletten Wellenlänge in einen sichtbaren Violett-Farbton “gedehnt” (verschoben) wurde, bevor es das Keck-Telesop erreichte. Mit der bekannten Entfernung des Quasars berechneten die Forscher die Wellenlänge für Lyman-alpha-Strahlung aus dieser Distanz und konstruierten einen speziellen Filter für das LRIS-Spektrometer des Teleskops, um eine Aufnahme in der Wellenlänge zu machen.

“Wir haben andere Quasare auf diese Weise untersucht, ohne solch ausgedehnte Gasstrukturen zu registrieren”, sagte Cantalupo. “Das Licht des Quasars ist wie der Strahl eines Scheinwerfers und in diesem Fall hatten wir Glück, dass es in Richtung des Nebels zeigte und das Gas zum Leuchten anregte. Wir denken, das das Gas Teil eines Filaments ist, welches sogar noch ausgedehnter sein könnte als diese Struktur, aber wir sehen nur den Teil des Filaments, der durch die Emissionen des Quasars erhellt wird.”

Simulationen von der großräumigen Verteilung der Dunklen Materie zeigen ein gigantisches Filamentnetzwerk. Das Bild stammt aus einer Bolshoi-Simulation von Anatoly Klypin und Joel Primack. Das kleine Bild ist eine hochaufgelöste Simulation eines kleinen Ausschnitts des Filamentnetzwerks und zeigt die Verteilung von Dunkler Materie und Gas in einem zehn Millionen Lichtjahre großen Gebiet. (Credit: Anatoly Klypin und Joel Primack; Inset: S. Cantalupo (via Keck Observatory))
Simulationen von der großräumigen Verteilung der Dunklen Materie zeigen ein gigantisches Filamentnetzwerk. Das Bild stammt aus einer Bolshoi-Simulation von Anatoly Klypin und Joel Primack. Das kleine Bild ist eine hochaufgelöste Simulation eines kleinen Ausschnitts des Filamentnetzwerks und zeigt die Verteilung von Dunkler Materie und Gas in einem zehn Millionen Lichtjahre großen Gebiet. (Credit: Anatoly Klypin und Joel Primack; Inset: S. Cantalupo (via Keck Observatory))

Ein Quasar ist ein Typ eines aktiven galaktischen Kerns, der intensive Strahlung emittiert, die von einem supermassiven Schwarzen Loch im Zentrum der Galaxie ausgeht. In einer früheren Studie über entfernte Quasare, in der die gleiche Technik für die Suche nach leuchtendem Gas verwendet wurde, registrierten Cantalupo und Kollegen sogenannte “dunkle Galaxien”, die dichtesten Gasknoten des kosmischen Netzes. Man nimmt an, dass diese dunklen Galaxien entweder zu klein oder zu jung waren, um Sterne gebildet zu haben.

“Die dunklen Galaxien sind deutlich dichtere und kleinere Teile des kosmischen Netzes. Auf diesem neuen Bild sehen wir zusätzlich zu dem viel diffuseren und ausgedehnten Nebel auch dunkle Galaxien”, sagte Cantalupo. “Ein Teil dieses Gases wird in Galaxien stürzen, aber das meiste wird diffus bleiben und niemals Sterne bilden.”

Die Forscher schätzen die Gasmenge innerhalb des Nebels auf mindestens das Zehnfache dessen, was aus den Ergebnissen von Computersimulationen erwartet worden war. “Wir denken, dass möglicherweise mehr Gas in kleinen, dichten Klumpen innerhalb des kosmischen Netzes vorhanden ist, als unsere Modelle uns zeigen. Diese Beobachtungen stellen unser Wissen über intergalaktisches Gas in Frage und geben uns ein neues Labor, um unsere Modelle zu überprüfen und zu verfeinern”, sagte Cantalupo.

Neben Cantalupo und Prochaska wirkten folgende Forscher als Co-Autoren an der Studie mit: Piero Madau (Professor für Astronomie und Astrophysik an der UC Santa Cruz), sowie Fabrizio Arrigoni-Battaia und Joseph Hennawi vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg, Deutschland). Diese Forschungsarbeit wurde mit Fördermitteln der National Science Foundation (AST-1010004, OIA-1124453) und der NASA (NNX12AF87G) unterstützt.

Quelle: http://www.keckobservatory.org/recent/entry/ucsc_scientists_capture_first_cosmic_web_filaments_at_keck_observatory

(THK)

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