Erster direkter Beweis für die kosmische Inflation

Sonnenuntergang hinter dem BICEP2-Teleskop (vorne) und dem South Pole Telescope (hinten) am Südpol. (Steffen Richter / Harvard University)
Sonnenuntergang hinter dem BICEP2-Teleskop (vorne) und dem South Pole Telescope (hinten) am Südpol. (Steffen Richter / Harvard University)

Vor fast 14 Milliarden Jahren wurde das von uns bewohnte Universum durch ein außergewöhnliches Ereignis geboren, das den Urknall auslöste. In dem ersten Sekundenbruchteil expandierte das Universum exponentiell und erstreckte sich bis weit jenseits der Sicht unserer besten Teleskope. All das war natürlich nur eine Theorie.

Wissenschaftler der BICEP2-Kollaboration haben am 17. März 2014 den ersten direkten Beweis für diese kosmische Inflation bekanntgegeben. Ihre Daten repräsentieren auch die ersten Bilder von Gravitationswellen oder Krümmungen in der Raumzeit. Diese Wellen wurden als die “ersten Erschütterungen des Urknalls” beschrieben. Letztendlich bestätigen die Daten eine tiefe Verbindung zwischen der Quantenmechanik und der allgemeinen Relativität. “Dieses Signal zu registrieren, ist eines der wichtigsten Ziele in der heutigen Kosmologie. Viel Arbeit von vielen Menschen haben zu diesem Punkt geführt”, sagte John Kovac vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA), der Leiter der BICEP2-Kollaboration.

Diese bahnbrechenden Ergebnisse stammen von Beobachtungen des kosmischen Mikrowellenhintergrundes mit den BICEP2-Teleskopen. Der kosmische Mikrowellenhintergrund ist ein schwaches Leuchten, das vom Urknall zurückblieb. Winzige Fluktuationen in diesem Nachglühen geben uns Hinweise auf die Bedingungen im frühen Universum. Beispielsweise zeigen kleine Temperaturunterschiede am Himmel, wo Bereiche des Universums dichter waren und schließlich zu Galaxien und Galaxienhaufen auskondensierten.

Weil der kosmische Mikrowellenhintergrund eine Form von Licht ist, besitzt er all die Eigenschaften von Licht, auch die Polarisation. Auf der Erde wird Sonnenlicht durch die Atmosphäre gestreut und polarisiert, darum helfen polarisierte Sonnenbrillen, das Blendlicht zu reduzieren. Im Weltraum wurde der kosmische Mikrowellenhintergrund durch Atome und Elektronen gestreut und wurde ebenfalls polarisiert. “Unser Team suchte nach einem bestimmten Polarisationstyp, der als ‘B-Modes’ bezeichnet wird und der ein verdrehtes oder gebogenes Muster in den Polarisationsausrichtungen des frühen Lichts darstellt”, sagte Co-Leiter Jamie Bock vom Jet Propulsion Laboratory und dem Caltech.

Gravitationswellen krümmen den Raum, während sie sich fortbewegen und diese Krümmung erzeugt ein einzigartiges Muster in dem kosmischen Mikrowellenhintergrund. Gravitationswellen haben eine “Händigkeit” ähnlich wie Lichtwellen und können linksdrehende oder rechtsdrehende Polarisationen aufweisen. “Das B-Mode-Muster ist aufgrund seiner Händigkeit eine einmalige Signatur von Gravitationswellen. Dies ist das erste direkte Bild von Gravitationswellen am primordialen Himmel”, sagte Co-Leiter Chao-Lin Kuo vom SLAC National Accelerator Laboratory und der Stanford University.

Das Team untersuchte räumliche Gebiete am Himmel, die zwischen ein und fünf Grad (zwei- bis zehnfacher Durchmesser des Vollmondes) groß sind. Um das zu tun, reisten die Forscher zum Südpol und nutzten die dortige kalte, trockene, stabile Luft aus. “Am Südpol kommt man dem Weltraum am nächsten und ist immer noch auf der Oberfläche”, sagte Kovac. “Es ist einer der trockensten und klarsten Orte auf der Erde – perfekt für die Beobachtung der schwachen Mikrowellen vom Urknall.”

Die Wissenschaftler waren überrascht, ein B-Mode-Polarisationssignal zu registrieren, das wesentlich stärker war, als viele Kosmologen erwartet hatten. Das Team analysierte die Daten mehr als drei Jahre lang, um sämtliche Fehler auszuschließen. Sie zogen auch in Betracht, ob Staub in unserer Galaxie das beobachtete Muster hätte produzieren können, aber die Daten sprechen dafür, dass dies sehr unwahrscheinlich ist. “Es war wie die Suche nach einer Nadel im Heuhaufen, aber statt einer Nadel fanden wir eine Brechstange”, sagte Co-Leiter Clem Pryke von der University of Minnesota.

Die winzigen Temperaturunterschiede des kosmischen Mikrowellenhintergrundes (hier farblich gekennzeichnet) markieren die primordialen Dichteunterschiede im frühen Universum, die später das Wachstum von Galaxien auslösten. Die schwarzen Linien repräsentieren das beobachtete B-Mode-Polarisationsmuster. Die Linien zeigen die Polarisationsstärke und -ausrichtung an verschiedenen Ausschnitten am Himmel. (BICEP2 Collaboration)
Die winzigen Temperaturunterschiede des kosmischen Mikrowellenhintergrundes (hier farblich gekennzeichnet) markieren die primordialen Dichteunterschiede im frühen Universum, die später das Wachstum von Galaxien auslösten. Die schwarzen Linien repräsentieren das beobachtete B-Mode-Polarisationsmuster. Die Linien zeigen die Polarisationsstärke und -ausrichtung an verschiedenen Ausschnitten am Himmel. (BICEP2 Collaboration)

Auf die Auswirkungen dieser Entdeckung angesprochen, sagte Harvard-Theoretiker Avi Loeb: “Diese Arbeit bietet neue Einblicke in einige der grundlegendsten Fragen: Warum existieren wir? Wie begann das Universum? Die Ergebnisse sind nicht nur ein eindeutiger Beweis für die Inflation, sie sagen uns auch, wann die Inflation stattfand und wie stark der Prozess war.”

BICEP2 ist die zweite Phase eines koordinierten Programms (den BICEP- und Keck-Array-Experimenten), das eine Struktur mit mehreren Co-Projektleitern hat. Die vier Projektleiter sind John Kovac (Harvard University), Clem Pryke (University of Minnesota), Jamie Bock (Caltech / JPL) und Chao-Lin Kuo (Stanford / SLAC). Alle haben gemeinsam mit talentierten Studententeams und Wissenschaftlern an den aktuellen Ergebnissen zusammengearbeitet. Andere wichtige Einrichtungen, die zu BICEP2 beigetragen haben, sind die University of California in San Diego, die University of British Columbia, das National Institute of Standards and Technology, die University of Toronto, die Cardiff University und das Commissariat à l’Energie Atomique.

BICEP2 wird von der National Science Foundation (NSF) finanziert. Die NSF betreibt auch die Südpol-Station, wo BICEP2 und die anderen Teleskope stehen, die für diese Arbeit genutzt wurden. Die Keck Foundation steuerte ebenfalls umfangreiche Finanzierungsmittel für die Konstruktion der Teleskope bei. Die NASA, das JPL und die Moore Foundation unterstützten die Entwicklung des ultraempfindlichen Detektornetzwerks, das diese Messungen möglich machte.

Technische Einzelheiten und Abhandlungen können auf der BICEP2-Website angesehen werden: http://bicepkeck.org/

Das Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) hat seinen Sitz in Cambridge (Massachusetts) und ist ein Gemeinschaftsprojekt des Smithsonian Astrophysical Observatory und des Harvard College Observatory. Wissenschaftler aus sechs Forschungsabteilungen untersuchen hier den Ursprung, die Entwicklung und das endgültige Schicksal des Universums.

Quelle: http://www.cfa.harvard.edu/news/2014-05

(THK)

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