Astronomen beobachten ein exotisches Objekt: Schwarzes Loch oder LBV?

Ein hochaufgelöstes Bild von Markarian 177 und SDSS1133 im nahinfraroten Bereich. Die beiden hellen Punkte im Zentrum der Galaxie stimmen mit Sternentstehungsgebieten überein. (W. M. Keck Observatory / M. Koss (ETH Zurich) et al.)
Ein hochaufgelöstes Bild von Markarian 177 und SDSS1133 im nahinfraroten Bereich. Die beiden hellen Punkte im Zentrum der Galaxie stimmen mit Sternentstehungsgebieten überein. (W. M. Keck Observatory / M. Koss (ETH Zurich) et al.)

Ein internationales Forschungsteam hat eine ungewöhnliche Lichtquelle in einer 90 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxie entdeckt. Das Team verwendete Daten, die im Verlauf mehrerer Jahrzehnte von vielen Einrichtungen und Missionen gesammelt wurden, darunter der Swift-Satellit der NASA.

Die seltsamen Eigenschaften des Objekts machen es zu einem guten Kandidaten für ein supermassives Schwarzes Loch, das nach der Verschmelzung mit einem anderen gigantischen Schwarzen Loch aus seiner Heimatgalaxie herauskatapultiert wurde. Aber Astronomen können eine andere Möglichkeit noch nicht ausschließen: Die Quelle mit der Bezeichnung SDSS1133 könnte der Überrest eines massereichen Sterns sein, der eine rekordbrechende Zeit eruptierte, bevor er sich selbst in einer Supernova-Explosion zerstörte.

“Mit den Daten, die wir in den Händen halten, können wir nicht zwischen diesen beiden Szenarien unterscheiden”, sagte der leitende Wissenschaftler Michael Koss, ein Astronom von der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich. “Eine aufregende Entdeckung des Swift-Satelliten ist, dass sich die Helligkeit von SDSS1133 in optischen oder ultravioletten Wellenlängen im Zeitraum eines Jahrzehnts nur wenig verändert hat. Das wird bei einem jungen Supernova-Überrest normalerweise nicht beobachtet.”

In einer Studie, die am 21. November 2014 in den Monthly Notices of the Royal Astronomical Society erscheint, berichten Koss und seine Kollegen, dass die Lichtquelle in sichtbaren Wellenlängen in den vergangenen sechs Monaten deutlich heller wurde. Das ist eine Entwicklung, die (falls anhaltend) die Schwarzes-Loch-Interpretation stützen würde. Um das Objekt in genaueren Einzelheiten zu untersuchen, plant das Team im Oktober 2015 Ultraviolettbeobachtungen mit dem Cosmic Origins Spectrograph an Bord des Weltraumteleskops Hubble. Was auch immer SDSS1133 sein mag, es ist beständig. Das Team konnte es in Daten von astronomischen Himmelsdurchmusterungen aufspüren, die mehr als 60 Jahre zurückliegen.

Das rätselhafte Objekt ist Teil der Zwerggalaxie Markarian 177 und befindet sich am Himmel im Kasten des Großen Wagens, einer bekannten Sternkonstellation im Sternbild Ursa Major (Großer Bär). Während supermassive Schwarze Löcher üblicherweise in galaktischen Zentren sitzen, liegt SDSS1133 mindestens 2.600 Lichtjahre vom Kern seiner Heimatgalaxie entfernt.

Im Juni 2013 machten die Forscher mit dem 10-Meter-Keck-II-Teleskop des W. M. Keck Observatory auf Hawaii hochaufgelöste Nahinfrarotaufnahmen des Objekts. Sie offenbaren, dass die strahlende Region von SDSS1133 weniger als 40 Lichtjahre Durchmesser besitzt und dass das Zentrum von Markarian 177 Hinweise auf intensive Sternentstehungsprozesse und andere Strukturen gibt, die eine kürzliche Störung anzeigen.

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Video-Link: https://youtu.be/KmbAm4LlbI4

Videobeitrag über das seltsame Objekt SDSS1133. (NASA / Goddard Space Flight Center / L. Blecha (UMD))

“Wir vermuten, dass wir die Nachwirkungen einer Verschmelzung von zwei kleinen Galaxien und ihren zentralen Schwarzen Löchern sehen”, sagte die Co-Autorin Laura Blecha. Sie ist Einstein-Stipendiatin am Department of Astronomy der University of Maryland und eine führende Theoretikerin für die Simulation von Katapulteffekten oder “Kicks” bei verschmelzenden Schwarzen Löchern. “Astronomen, die nach fortkatapultierten Schwarzen Löchern suchen, konnten bisher keinen Nachweis bestätigen, deshalb wäre das Finden von nur einer dieser Quellen eine bedeutende Entdeckung.”

Die Kollision und Verschmelzung zweier Galaxien stört ihre Formen und resultiert in neuen Phasen der Sternentstehung. Wenn jede Galaxie ein zentrales, supermassives Schwarzes Loch besitzt, werden sie im Zentrum der verschmolzenen Galaxie ein gravitativ gebundenes Paar bilden, bis sie letztendlich selbst miteinander verschmelzen.

Verschmelzende Schwarze Löcher setzen eine große Energiemenge in Form von Gravitationswellen frei, eine Folge von Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie. Von beschleunigenden Massen breiten sich Wellen durch das Gefüge der Raumzeit in alle Richtungen aus. Wenn beide Schwarze Löcher gleiche Massen und Rotationseigenschaften besitzen, emittiert ihre Verschmelzung Gravitationswellen gleichmäßig in alle Richtungen. Wahrscheinlicher ist es jedoch, dass die Massen und Rotationseigenschaften der beiden Schwarzen Löcher unterschiedlich sein werden, was zu einseitigen Gravitationswellenemissionen führt, die das Schwarze Loch in die entgegengesetzte Richtung katapultieren.

Der Katapulteffekt könnte stark genug sein, um das Schwarze Loch komplett aus seiner Heimatgalaxie herauszuschleudern, so dass es für immer durch den intergalaktischen Raum treiben würde. Normalerweise wird der Katapulteffekt das Objekt auf eine langgezogene Umlaufbahn schleudern. Trotz seiner Verlagerung wird das fortkatapultierte Schwarze Loch Gas in seiner Umgebung gefangen halten und weiter leuchten, bis all das Gas verbraucht ist, während es sich auf seiner neuen Bahn bewegt.

Wenn SDSS1133 kein Schwarzes Loch ist, könnte es möglicherweise ein sehr ungewöhnlicher Sterntyp sein, ein sogenannter Leuchtkräftiger Blauer Veränderlicher (Luminous Blue Variable, LBV). Diese massereichen Sterne erfahren phasenweise Eruptionen, die große Mengen Materie in den Weltraum schleudern, lange bevor sie explodieren. Auf diese Weise interpretiert, würde SDSS1133 die längste, jemals beobachtete Periode von LBV-Eruptionen repräsentieren, gefolgt von einer finalen Supernova-Explosion, deren Licht die Erde im Jahr 2001 erreichte.

Der nächstgelegene Vergleich in unserer Galaxie ist das massereiche Doppelsternsystem Eta Carinae, das einen Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen mit 90-facher Sonnenmasse enthält. Zwischen 1838 und 1845 zeigte das System einen Ausbruch, der mindestens zehn Sonnenmassen Materie ausstieß und es zum zweithellsten Stern am Himmel machte. Dann folgte eine kleinere Eruption in den 1890er Jahren.

In diesem alternativen Szenario müsste SDSS1133 von mindestens 1950 an bis 2001 kontinuierlich eruptiert sein, bis das Objekt seine Spitzenhelligkeit erreichte und zur Supernova wurde. Die räumliche Auflösung und die Empfindlichkeit der Teleskope vor 1950 reichte nicht aus, um die Quelle zu registrieren. Aber wenn dies eine LBV-Eruption war, dann zeigen die aktuellen Aufzeichnungen, dass sie die längste und beständigste war, die bislang beobachtet wurde. Eine Wechselwirkung zwischen dem ausgestoßenen Gas und der Schockwelle der Explosion könnte die stetige Helligkeit des Objekts im Ultraviolettbereich erklären.

Ob es ein abtrünniges supermassives Schwarzes Loch ist, oder der Schlussakt eines seltenen Sterns – es scheint so, als hätten Astronomen noch nie etwas wie SDSS1133 gesehen.

Quelle: http://www.nasa.gov/content/goddard/nasas-swift-mission-probes-an-exotic-object/index.html

(THK)

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