Cassini untersucht die komplexe Radiostrahlung Saturns

Saturn. (NASA/ESA/STScI/University of Leicester)
Saturn. (NASA/ESA/STScI/University of Leicester)

Wie ein bockiger Jugendlicher sendet Saturn gemischte Signale aus.

Kürzlich gesammelte Daten der Cassini-Sonde zeigen, dass die Variation der Radiowellen, die durch die Rotation des Planeten kontrolliert werden, in der nördlichen und südlichen Hemisphäre unterschiedlich ist. Mehr noch, die nördlichen und südlichen rotationsbedingten Variationen scheinen sich auch mit den Jahreszeiten auf Saturn zu ändern und die Hemisphären haben ihre Raten aktuell getauscht. Diese beiden Radiowellen – konvertiert in einen für Menschen hörbaren Bereich – können in einem neuen Video angehört werden:
http://www.nasa.gov/multimedia/videogallery/index.html?media_id=74390781

“Diese Daten zeigen, wie sonderbar Saturn ist”, sagte Don Gurnett, der Leiter des für Cassinis Radio and Plasma Wave Science Instruments verantwortlichen Teams und Professor für Physik an der Universität von Iowa in Iowa City. “Wir dachten, wir hätten diese Radiowellenmuster bei Gasriesen verstanden, weil Jupiter so unkompliziert ist. “Ohne Cassinis lang andauernden Besuch hätten die Wissenschaftler nicht gemerkt, dass die Radioemissionen von Saturn so anders sind.”

Saturn emittiert Radiowellen, die als “Kilometrische Strahlung” (Saturn Kilometric Radiation, SKR) bekannt sind. Für Cassini klingen sie ein wenig wie Sirenen, die vor einem Bombenangriff warnen, weil die Radiowellen sich mit jeder Rotation des Planeten ändern. Diese Art von Radiowellenmuster wurde zuvor bei Jupiter benutzt, um seine Rotationsperiode zu messen, aber bei Saturn stellt sich die Sache als viel komplizierter heraus.

Als die Voyager-Sonde der NASA in den frühen 1980er Jahren Saturn besuchte, deuteten die Radioemissionen an, dass ein Saturntag 10,66 Stunden dauerte. Als die Messungen während eines Flyby-Manövers der ESA-NASA-Sonde Ulysses und Cassini fortgeführt wurden, variierten die Radioausbrüche um Sekunden bis Minuten. Eine 2009 in den Geophysical Research Letters veröffentlichte Studie analysierte Daten der Cassini-Sonde und zeigte, dass die Saturn Kilometric Radiation kein Solo ist, sondern ein Duett, bei dem die beiden Sänger nicht synchron sind. Radiowellen die nahe des Nordpols emittiert werden haben eine Periode von etwa 10,6 Stunden, Radiowellen aus der Nähe des Südpols besitzen dagegen eine Periode von 10,8 Stunden.

Die neue Studie unter Leitung von Gurnett wurde im Dezember 2010 in den Geophysical Research Letters veröffentlicht. Sie zeigt, dass sich Cassinis Daten zufolge die südliche und die nördliche Periode der SKR im März 2010 vertauscht haben, etwa sieben Monate nach der Tagundnachtgleiche, wenn die Sonne direkt auf den Äquator des Planeten scheint. Die südliche SKR Periode sank von 10,8 Stunden am 1. Januar 2008 und fiel bei 10,67 Stunden um den 1. März 2010 mit der nördlichen SKR Periode zusammen. Die nördliche Periode stieg von 10,58 Stunden zum Konvergenzpunkt hin an.

Dieser Austausch brachte die Cassini-Wissenschaftler dazu, Daten von vorherigen Besuchen des Saturnsystems noch einmal anzuschauen. Mit der neuen Perspektive sahen sie, dass Daten der Voyager-Sonde von 1980 – ein Jahr nach der Tagundnachtgleiche Saturns von 1979 – unterschiedliche Muster an den Polen Saturns zeigten. Einen vergleichbaren Effekt bemerkten sie auch in den Daten der Ulysses-Sonde zwischen 1993 und 2000. Die nördlichen und südlichen Perioden, die von Ulysses registriert wurden, konvergierten und vertauschten sich im August 1996, ungefähr neun Monate nach der vorangegangenen Tagundnachtgleiche.

Die Cassini-Wissenschaftler denken nicht, dass die Unterschiede in den Perioden der Radiowellen damit zu tun haben, dass die Hemisphären unterschiedlich schnell rotieren. Viel wahrscheinlicher sind Veränderungen bei Winden in hohen Atmosphärenschichten in der nördlichen und südlichen Hemisphäre dafür verantwortlich. Zwei andere Studien, die ebenfalls im Dezember veröffentlicht wurden, ergänzen die Ergebnisse des Radio and Plasma Wave Science Instruments – eine von Jon Nichols (University of Leicester, Großbritannien) in der selben Ausgabe der Geophysical Research Letters und eine andere unter Führung von David Andrews, ebenfalls von der University of Leicester, im Journal of Geophysical Research.

In Nichols Studie zeigen Daten des Hubble Space Telescope, dass die nördlichen und südlichen Polarlichter Saturns sich in ihrer geografischen Breite ausdehnen und zurückziehen, und zwar mit einem Muster, das den Veränderungen der Radiowellen von Januar bis März 2009 entspricht, kurz vor der Tagundnachtgleiche. Die Radiosignale und Polarlichtdaten ergänzen einander, weil sie beide mit dem Verhalten der magnetischen Blase Saturns, seiner Magnetosphäre, zusammenhängen. Die Studie von Andrews, einem Mitglied des Cassini Magnetometer Teams zeigt, dass das Magnetfeld Saturns von Mitte 2004 bis Mitte 2009 über den beiden Polen mit denselben unterschiedlichen Perioden flatterte, wie die Radiowellen und die Polarlichter.

“Die Elektronen, die in die Atmosphäre hinab regnen und die Polarlichter erzeugen, produzieren auch Radiowellen und beeinflussen das magnetische Feld, deswegen denken Wissenschaftler, dass all diese Veränderungen, die wir sehen, von dem Einfluss abhängen, den die Sonne auf den Planeten ausübt”, sagte Stanley Cowley, ein Co-Autor von beiden Studien, der auch mit dem Magnetometer Cassinis arbeitet und Professor an der University of Leicester ist.

Während die Sonne den Nordpol Saturns immer stärker bestrahlt, hat Gurnetts Team den fortgesetzten Austausch bis zum 1. Januar 2011 weiter beobachtet. Die Periode der südlichen Radiosignale sank auf 10,54 Stunden, während die Periode der nördlichen Radiosignale sich auf 10,71 Stunden erhöhte.

“Diese Studien sind wichtig, weil sie dabei helfen, die komplexen Wechselwirkungen zwischen der Sonne und Saturns Magnetosphäre zu erklären – Vorgänge, die normalerweise unsichtbar für das menschliche Auge und nicht wahrnehmbar für das menschliche Ohr sind”, sagte Marcia Burton, eine Cassini-Wissenschaftlerin am Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena (Kalifornien), die aber nicht an der Arbeit beteiligt war. “Cassini wird die Beobachtung dieser Veränderungen fortsetzen.”

Quelle: http://www.nasa.gov/mission_pages/cassini/whycassini/cassini20110322.html

(THK)

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