Bernsteinfund liefert ältesten Beweis für Bestäubung durch Insekten

Gymnospermae-Pollen in Bernstein. (Enrique Peñalver, IGME)
Gymnospermae-Pollen in Bernstein. (Enrique Peñalver, IGME)

Bernstein aus Ablagerungen der Kreidezeit (105 bis 110 Millionen Jahre alt) im Norden Spaniens hat die erste und älteste Aufzeichnung von Bestäubung durch Insekten offenbart. Wissen-schaftler haben in zwei Bernsteinstücken mehrere Exemplare winziger Insekten entdeckt, die von Blütenstaub bedeckt sind, was die erste Auf- zeichnung von Pollentransport und Sozialverhalten in dieser Tiergruppe darstellt. Die Ergebnisse werden zwischen dem 14. und dem 18. Mai 2012 in den Proceedings of the National Academy of the Science (PNAS) veröffentlicht.

Das internationale Forschungsteam besteht aus: Enrique Peñalver und Eduardo Barrón vom Instituto Geológico y Minero de España in Madrid; Xavier Delclòs von der University of Barcelona; Andre und Patricia Nel vom Muséum national d’histoire naturelle in Paris; Conrad Labandeira von der Smithsonian Institution in Washington DC; sowie Carmen Soriano und Paul Tafforeau von der European Synchrotron Radiation Facility (ESRF) in Grenoble, Frankreich. Die Bernsteinproben stammen aus der Sammlung des Museo de Ciencias Naturales de Álava (Spanien).

Heute stützen sich mehr als 80 Prozent der Pflanzenarten auf Insekten, um Pollen von männlichen zu weiblichen Pflanzenteilen zu transportieren. Die Bestäubung wird am häufigsten mit Blütenpflanzen in Verbindung gebracht, aber sie existiert auch bei so genannten nacktsamigen Pflanzen (Gymnospermae), samenproduzierenden Pflanzen wie Koniferen. Obwohl die bekanntesten Gruppen bestäubender Insekten Bienen und Schmetterlinge sind, hat sich zeitgleich mit den Pflanzen eine Unzahl weniger bekannter Fliegen-, Käfer-, oder Fransenflüglerspezies entwickelt, die Pollen transportieren und als Gegenleistung für diese Anstrengung mit Nahrung belohnt werden.

Während der vergangenen 20 Jahre hat Bernstein aus der unteren Kreidezeit (105 bis 110 Millionen Jahre alt), der im Baskenland in Nordspanien gefunden wurde, viele neue Pflanzen- und Tierarten – hauptsächlich Insekten – enthüllt. Hier enthielt der Bernstein Einschlüsse von Thysanoptera, so genannten Fransenflüglern (auch als “Thrips” bezeichnet), einer Ordnung winziger, weniger als zwei Millimeter langer Insekten, die sich von Pollen und anderem Pflanzengewebe ernähren. Sie sind effiziente Bestäuber für verschiedene Blütenpflanzen.

Rekonstruktion von Gymnospollisthrips mit Pollen am Körper über einem Gingkobaum. (Enrique Peñalver, IGME)
Rekonstruktion von Gymnospollisthrips mit Pollen am Körper über einem Gingkobaum. (Enrique Peñalver, IGME)

Zwei Bernsteinstücke enthüllten sechs fossilisierte Exemplare weiblicher Fransenflügler mit hunderten Pollenkörnchen auf ihren Körpern. Diese Insekten haben hochspezialisierte Haare mit einer Ringstruktur, um ihre Fähigkeit zur Sammlung von Pollenkörnchen zu vergrößern, sehr ähnlich zu denen der wohlbekannten Bestäubern wie etwa domestizierte Bienen. Die Wissenschaftler beschreiben diese sechs Exemplare in einer neuen Gattung (Gymnopollisthrips), die aus zwei neuen Spezies besteht, Gymnopollisthrips minor und Gymnopollisthrips major.

Das charakteristischste Exemplar wurde an der ESRF auch mittels Synchrotron-Röntgen-Tomografie untersucht, um die Verteilung der Pollenkörnchen auf dem Insektenkörper dreidimensional und in sehr hoher Auflösung darzustellen. Die Pollenkörnchen sind sehr klein und besitzen die benötigten klebrigen Strukturen, so dass Insekten sie transportieren können. Die Forscher schlussfolgern, dass dieser Blütenstaub von einer Art Palmfarn oder Gingkobaum stammt, eine Art lebendes Fossil, von dem der Wissenschaft nur wenige Spezies bekannt sind. Gingkobäume sind entweder männlich oder weiblich und männliche Bäume produzieren kleine Pollensäckchen, wohingegen weibliche Bäume an den Enden der Stiele Ovulen beherbergen, die sich nach der Bestäubung in Samen entwickeln.

Röntgentomografieaufnahme von Gymnospollisthrips minor. (ESRF)
Röntgentomografieaufnahme von Gymnospollisthrips minor. (ESRF)

Aus welchem evolutionären Grund sammelten und transportierten diese winzigen Insekten vor 100 Millionen Jahren Gingkopollen? Ihre ringförmigen Haare können nicht durch evolutionäre Selektion zum Nutzen der Bäume gewachsen sein. Der Nutzen für die Fransenflügler kann nur durch die Möglichkeit erklärt werden, dass sie ihre Larven mit Pollen fütterten. Das spricht dafür, dass diese Spezies Kolonien bildete, deren Larven zu Schutzzwecken in den Ovulen einer Art von Gingkopflanze lebten und weibliche Insekten Pollen von den männlichen Gingkosäckchen zu den weiblichen Ovulen transportierten, um die Larven zu ernähren und gleichzeitig die Bäume zu bestäuben.

Gymnospollisthrips major mit Blütenstaub am Körper. (Enrique Peñalver, IGME)
Gymnospollisthrips major mit Blütenstaub am Körper. (Enrique Peñalver, IGME)

Nur Bernstein kann Verhaltensmerkmale wie die Bestäubung in solchem Detailreichtum über Millionen Jahre bewahren. Vor 100 Millionen Jahren begannen Blütenpflanzen, sich stark zu differenzieren und ersetzten möglicherweise die Koniferen als die dominante Spezies. “Dies ist der älteste direkte Beweis für die Bestäubung und der einzige aus dem Zeitalter der Dinosaurier. “Die parallele Entwicklung von Blütenpflanzen und Insekten ist dank der Bestäubung eine großartige evolutionäre Erfolgsgeschichte. Sie begann vor 100 Millionen Jahren, als dieses Bernsteinfossil durch das Herabtropfen von Baumharz entstand. Heute ist es die älteste fossile Aufzeichnung von bestäubenden Insekten. Fransenflügler könnten sich in der Tat als die erste Bestäubergruppe in der geologischen Vergangenheit herausstellen, lange bevor die Evolution einige von ihnen in Blumenbestäuber verwandelte”, schlussfolgert Carmen Soriano, die Leiterin der Röntgen-Tomografie-Untersuchung der Bernsteinstücke an der ESRF.

Quelle: http://www.esrf.eu/news/general/pollination/index_html/

(THK)

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