Ein neuer Ansatz für den Blick auf den Ursprung des Lebens

Professor Paul Davies von der Arizona State University. (Photo by Tom Story)
Professor Paul Davies von der Arizona State University. (Photo by Tom Story)

Eines der großen Geheimnisse des Lebens ist: Wie begann es? Welcher physikalische Prozess verwandelte ein nicht lebendes Gemisch aus Chemikalien in etwas so Komplexes wie eine lebende Zelle?

Seit mehr als einem Jahrhundert bemühen sich Wissenschaftler, die ersten wichtigen Schritte auf der Straße zum Leben zu rekonstruieren. Bis vor kurzem war ihre Aufmerksamkeit auf die Frage gerichtet, wie die einfachen Bausteine des Lebens auf der frühen Erde oder vielleicht im Weltraum synthetisiert worden sein könnten. Aber weil das vor so langer Zeit geschah, sind alle chemischen Spuren längst ausradiert, was viel Spielraum für Spekulationen und Meinungsverschiedenheiten zurückließ.

Jetzt versucht ein neuer Ansatz für die Frage nach dem Ursprung des Lebens, vorgeschlagen von zwei Wissenschaftlern der Arizona State University (ASU), das Problem auf dramatische Art und Weise neu zu definieren. Die Forscher Paul Davies (Ehrenprofessor an der ASU und Direktor des Beyond Center for Fundamental Concepts in Science) und Sara Walker (eine Postdoktorandin der NASA am Beyond Center) veröffentlichten ihre Theorie in der aktuellen Ausgabe des Journals Interface der Royal Society. Ihr Artikel trägt den Titel “The algorithmic origins of life” (“Die algorithmischen Ursprünge des Lebens”).

Kurz gesagt, verlagern die Autoren die Aufmerksamkeit von der “Hardware” (der chemischen Grundlage des Lebens) auf die “Software” (ihren Informationsgehalt). Um eine Computeranalogie zu verwenden: Die Chemie erklärt das Material der Maschine, aber es wird ohne ein Programm und Daten nicht funktionieren. Davies und Walker vermuten, dass die grundlegende Unterscheidung zwischen Nicht-Leben und Leben in der Weise besteht, wie lebende Organismen den Informationsfluss durch das System bewerkstelligen.

“Wenn wir biologische Prozesse beschreiben, verwenden wir normalerweise informatorische Schilderungen: Zellen senden Signale aus, Entwicklungsprogramme werden ausgeführt, codierte Befehle werden gelesen, Genom-Daten werden von Generation zu Generation weitergegeben und so weiter”, sagte Walker. “Deswegen kann die Identifizierung des Ursprung des Lebens durch die Art, wie Informationen verarbeitet und verwaltet werden, neue Forschungswege öffnen.”

“Wir vermuten, dass der Übergang von Nicht-Leben zu Leben einzigartig und definierbar ist”, ergänzte Davies. “Wir schlagen vor, dass Leben durch seinen unverwechselbaren und aktiven Gebrauch von Informationen charakterisiert werden kann, was einen Leitplan zur Identifizierung strenger Kriterien für das Auftreten von Leben bereitstellt. Das steht in scharfem Gegensatz zu einem Jahrhundert der Gedankengänge, in denen der Übergang zum Leben als ein Problem der Chemie angesehen wurde und das Ziel darin bestand, eine plausible Reaktionskette von chemischen Gemischen hin zu einer lebenden Einheit zu identifizieren.”

Sich auf die Informationsentwicklung zu konzentrieren hilft dabei, von den Nachteilen abzurücken, die sich aus dem Versuch ergeben, die chemischen Anfänge des Lebens festzustellen. “Chemiebasierte Ansätze sind in einem sehr frühen Stadium der chemischen Komplexität zum Stillstand gekommen – weit entfernt von Allem, was wir als ‘lebendig’ ansehen würden. Schlimmer noch: Sie leiden zudem an konzeptuellen Mängeln, weshalb sie bei der Unterscheidung zwischen Chemie und Biologie versagen”, sagte Walker.

“Für einen Physiker oder Chemiker scheint Leben wie ‘magische Materie’ zu sein”, erklärte Davies. “Es verhält sich auf außergewöhnliche Weisen, die mit keinem anderen komplexen, physikalischen oder chemischen System übereinstimmen. Solche lebensähnlichen Eigenschaften umfassen Autonomie, Anpassungsfähigkeit und zielorientiertes Verhalten – die Fähigkeit, chemische Reaktionen zu nutzen, um einen vorprogrammierten Arbeitsplan abzuspielen, anstatt selbst Sklave dieser Reaktionen zu sein.”

“Wir glauben, dass der Übergang in der Informationsarchitektur chemischer Netzwerke vergleichbar mit einem Phasenübergang in der Physik ist. Wir legen den Schwerpunkt auf den Informationsfluss von oben nach unten, durch den das System als Ganzes die Kontrolle über seine Komponenten erlangt”, fügte Davies hinzu. “Dieser Ansatz wird aufdecken, wie sich die logische Organisation biologischer Replikatoren grundlegend von trivialer Vervielfältigung unterscheidet, etwa der von Kristallen (Nicht-Leben). Indem wir die ursächliche Rolle der Informationen direkt ansprechen, werden viele verblüffende Eigenschaften des Lebens erklärt.”

Die Autoren rechnen damit, dass durch die Neugestaltung des Konzeptes auf diese fundamentale Art nicht nur der Ursprung des Lebens, sondern auch andere wichtige Übergänge erklärt werden, beispielsweise der Schritt von einzelnen Zellen hin zur Mehrzelligkeit.

Zusätzlich neben ihrer Tätigkeit als Postdoktorandin am Beyond Center arbeitet Walker auch für das Astrobiology Institute der NASA in Mountain View (Kalifornien) und für das Blue Marble Space Institute in Seattle.

Quelle: https://asunews.asu.edu/20121212_dawnoflife

(THK)

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