500.000 Jahre alte Muschelschale enthält bislang älteste Gravur menschlichen Ursprungs

Die Gravur auf der fossilen Muschelschale aus der Ausgrabungsstätte Trinil auf der indonesischen Insel Java. Die Gravur stammt von Homo erectus. (Photo: Wim Lustenhouwer, Vrije Universiteit)
Die Gravur auf der fossilen Muschelschale aus der Ausgrabungsstätte Trinil auf der indonesischen Insel Java. Die Gravur stammt von Homo erectus. (Photo: Wim Lustenhouwer, Vrije Universiteit)

Der Homo erectus auf Java nutzte bereits vor einer halben Million Jahren Schalen von Süßwassermuscheln als Werkzeuge – und als “Leinwand” für eine Gravur. Ein internationales Forschungsteam unter Leitung der Archäologin José Joordens von der Leiden University (Niederlande) veröffentlichte diese Entdeckung am 3. Dezember 2014 im Journal Nature. Der Fund gibt neue Einblicke in die Entwicklung menschlichen Verhaltens.

Nicht nur Homo sapiens machte Gravuren
“Bis zu dieser Entdeckung wurde vermutet, dass vergleichbare Gravuren erst vor frühestens 100.000 Jahren von modernen Menschen – Homo sapiens – in Afrika angefertigt wurden”, sagte die leitende Autorin José Joordens, Wissenschaftlerin an der Fakultät für Archäologie der Leiden University.

Die Schalensammlung von Eugène Dubois
Ein 21-köpfiges Forschungsteam untersuchte hunderte fossiler Schalen aus der Homo-erectus-Ausgrabungsstätte Trinil auf der indonesischen Insel Java. Die Schalen gehören zur Dubois-Sammlung des Naturalis Biodiversity Center in Leiden. Sie wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts von dem niederländischen Physiker und Forscher Eugè Dubois freigelegt, dem Entdecker des Pithecantropus erectus – heute bekannt als Homo erectus.

Die Gravuren sind älter als die Verwitterung
Die Entdeckung eines eingravierten, geometrischen Musters auf einer der Schalen war eine Überraschung. Das Zickzack-Muster, das nur bei schrägem Lichteinfall sichtbar ist, ist eindeutig älter als die Verwitterungsprozesse auf der Schale, die durch die Versteinerung entstehen. Die Studie hat die Möglichkeit ausgeschlossen, dass das Muster von Tieren oder durch natürliche Verwitterungsprozesse erzeugt wurde und zeigt, dass es das Werk von Homo erectus ist.

Älter als Funde aus Afrika
Durch die Anwendung zweier Datierungsmethoden haben Forscher der VU University Amsterdam und der Wageningen University festgestellt, dass die Schale mit der Gravur mindestens 430.000 und höchstens 540.000 Jahre alt ist. Das bedeutet, dass die Gravur mindestens viermal älter als die bislang ältesten bekannten Gravuren aus Afrika sind.

Was war der Zweck der Gravur?
“Es ist fantastisch, dass diese gravierte Schale in einer Museumssammlung entdeckt wurde, wo sie mehr als 100 Jahre lang verweilte. Ich kann mir Leute vorstellen, die sich fragen, ob dies als eine frühe Form von Kunst angesehen werden kann”, sagte Wil Roebroeks, Professor für paläolithische Archäologie an der Leiden University. Er war in der Lage, diese Langzeitforschungsarbeit mit seinem NWO Spinoza Prize zu finanzieren. “Im Moment haben wir keinen Anhaltspunkt über die Bedeutung oder den Zweck dieser Gravur.”

Frühe, menschenähnliche Muschelsammler
Diese Forschungsarbeit hat gezeigt, dass die frühen, menschenähnlichen Einwohner sehr geschickt bei der Öffnung der großen Süßwassermuscheln waren: Sie bohrten mit einem scharfen Gegenstand (möglicherweise einem Haizahn) ein Loch durch die Schale, exakt an dem Punkt, wo der Muskel ansetzt, der die Schale geschlossen hält. “Die Präzision, mit der diese Frühmenschen arbeiteten, spricht für große Geschicklichkeit und detaillierte Kenntnisse der Muschelanatomie”, sagte Frank Wesselingh, ein Forscher vom Naturalis Biodiversity Center und Experte für fossile Schalen. Die Muscheln wurden gegessen und die leeren Schalen wurden verwendet, um Werkzeuge herzustellen, beispielsweise Messer.

Mögliche Nachfolgestudien
Diese Entdeckung aus der historischen Dubois-Sammlung wirft ein unerwartetes, neues Licht auf die Fähigkeiten und das Verhalten des Homo erectus und lässt darauf schließen, dass Asien ein vielversprechendes und bislang recht unerforschtes Gebiet für das Auffinden erstaunlicher Artefakte ist.

Aus den Niederlanden waren Wissenschaftler der Leiden University, des Naturalis Biodiversity Center, der Vrije Universiteit Amsterdam, den Universitäten von Wageningen und Delft, sowie der Cultural Heritage Agency of the Netherlands an der Arbeit beteiligt. Die Schale mit der ältesten, bislang bekannten menschlichen Gravur wird ab dem 4. Dezember 2014 im Naturalis Museum zu sehen sein.

Abhandlung: “Homo erectus at Trinil on Java used shells for tool production and engraving” von Joordens J.C.A., et al., Nature 10.1038/nature19362.

Quelle: http://www.news.leiden.edu/news-2014/oldest-engraving-ever-found-on-500-year-old-shell.html

(THK)

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