Wo waren wir stehen geblieben?
Richtig, der Sonnenfilter sitzt fest vor der Optik. Wir können anfangen zu fotografieren – oder in diesem Fall: zu filmen.
Die Sonnenfotografie mit Hilfe einer Planetencam hat den großen Vorteil, dass die störenden Auswirkungen der Luftunruhe mehr oder weniger gut ausgeglichen werden können. Das führt letztendlich zu einem schärferen Endergebnis – schärfer als es per Einzelaufnahme mit einer digitalen Spiegelreflexkamera möglich wäre. Planetencams basieren auf alter Webcamtechnologie, sind aber natürlich wesentlich empfindlicher, schneller und variabler einsetzbar. Beliebte Modelle sind beispielsweise die ASI 120MC oder die ALccd5L-IIc.
Equipment in diesem Fall ((*)=Affiliatelinks):
- Skywatcher Maksutov Teleskop MC 90/1250 SkyMax EQ-1 (*) oder bei Amazon (*)
- Skywatcher Montierung EQ6-R Pro SynScan GoTo (*) (Nachfolgemodell der NEQ6)
- QHY Kamera 5L-IIc Color (*)
- Baader Sonnenfilterfolie AstroSolar® OD 5.0 A4 210x297mm (*) oder bei Amazon (*)
Für dieses Tutorial wird die Letztere zum Einsatz kommen. Auch die Software zum Aufnehmen der Videos ist vielfältig. Bekannte Programme sind FireCapture, SharpCap, Giotto oder EZ Planetary. Die Programme unterscheiden sich hinsichtlich ihres Funktionsumfangs und ihrer Bedienung, daher muss man selbst entscheiden, welches „Look & Feel“ einem am ehesten zusagt. Ich verwende momentan EZ Planetary.
Nachdem die Planetencam mit dem Laptop oder PC verbunden ist, sollte sie im verwendeten Aufnahmeprogramm automatisch erkannt werden; eventuell muss man noch die gewünschte Auflösung wählen, damit sie mit der Bildübertragung beginnt. Möglicherweise sind noch weitere Voreinstellungen erforderlich, zum Beispiel die Anzahl der aufzunehmenden Frames, beziehungsweise die Aufnahmedauer.
Wenn die Optik (hier ein Teleskop statt eines Objektivs) einigermaßen genau auf die Sonne ausgerichtet war, wie in den Allgemeinen Hinweisen nachzulesen, müsste man bereits ein Bild der Sonne auf dem Monitor haben. Nun regelt man die Empfindlichkeit (oder „Gain“) und die Belichtungszeit so, dass die Sonne nicht mehr überbelichtet ist.
Um das Fokussieren kommt man auch hier nicht herum: Der Sonnenrand oder große Sonnenflecken eignen sich als Bezugspunkte, um den Fokus richtig einzustellen. Wenn man Videos aufnimmt, ist eine gut Richtung Norden ausgerichtete parallaktische Montierung sehr hilfreich. Ohne eine automatische oder manuelle Nachführung läuft die Sonne besonders bei hohen Brennweiten recht schnell aus dem Bild heraus, was für die Videoaufnahme und -bearbeitung eher hinderlich ist.
Für den Großteil meiner Sonnenbilder nutze ich ein Teleskop mit relativ hoher Brennweite (1250mm), das auf einer alten, manuell nachgeführten Montierung sitzt. Eine normale azimutale Befestigung, zum Beispiel ein gewöhnliches, stabiles Stativ, erfüllt auch seinen Zweck, hat jedoch den Nachteil, dass dann zwei Achsen (hoch/runter und links/rechts) nachgeführt werden müssen. Bei der parallaktischen Montierung, die auf den Himmelsnordpol nahe des Polarsterns im Norden ausgerichtet wird, ist es nur eine Achse – dadurch hat man eine Hand frei, um den Laptop zu bedienen.
Eine automatische Nachführung (egal ob an einer azimutalen oder parallaktischen Montierung) erleichtert die Mission Sonnenfotografie ungemein. Aber ich möchte an dieser Stelle betonen, dass eine automatische Nachführung nicht zwingend erforderlich ist – mit einer ruhigen Hand und etwas Übung kommt man auch mit der manuellen Nachführung zu vorzeigbaren Ergebnissen.
Jetzt wird es ernst… hier der Workflow von der Aufnahme bis zum fertigen Bild:
Video-Link: https://www.youtube.com/watch?v=SPOTgs1BKeo
Das obige Video zeigt eine Sonnenbeobachtung vom 19. April 2022. Bei Youtube ist es komprimiert worden, daher sind nicht alle Einzelheiten sichtbar. Es vermittelt aber einen guten Eindruck davon, was man zu erwarten hat. Man erkennt auf den ersten Blick, dass keine Farbinformationen zu sehen sind. Das liegt daran, dass das Video im RAW-Modus aufgenommen wurde. Dieser Modus hält die Dateigröße vergleichsweise klein und erlaubt eine viel höhere Bildrate (gemessen in Bildern pro Sekunde oder Fps).
Warum ist die hohe Bildrate so wichtig? Nun, wie bereits erwähnt, fängt jedes Einzelbild auch die Luftunruhe im Moment der Aufnahme mit ein – das gilt auch für die Einzelbilder in den Videos. Je mehr Bilder pro Sekunde aufgenommen werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, Bilder mit verhältnismäßig ruhiger Luft dabei zu haben. Das wiederum hilft beim Herausmitteln der Seeing-Effekte bei der nachfolgenden Bildverarbeitung. Ein schneller Laptop mit USB3.0 und SSD kann die Übertragungsraten voll ausnutzen (ich gebe mich notgedrungen mit einem etwas betagteren Modell zufrieden).
Das oben eingebundene Video besteht aus 1990 Einzelbildern oder Frames. Leichte Wackler bei der manuellen Nachfühung wirken sich nicht nachteilig auf das Endergebnis aus, solange die Bewegungen nicht plötzlich und schnell auftreten. Eine langsame, flüssige Bewegung der Sonne im Blickfeld ist nicht schlimm. Dennoch sollte das nach Möglichkeit vermieden werden, weil sich dadurch auch die vollständig abgebildete Region auf der Sonne verkleinert – und man möchte ja eine möglichst große Region der eingestellten Kameraauflösung bis ins Ergebnisbild mitnehmen. In diesem Fall übernahm eine NEQ6 die automatische Nachführung.
Oben: Das aufgenommene Video wird in einem Stacking-Programm geöffnet. Für das Stacking von Planeten-, Mond- und Sonnenvideos gibt es mehrere Programme, zum Beispiel Avistack, Registax oder Autostakkert. Ich selbst verwende Autostakkert!3, weil es mit relativ wenigen Einstellungsmöglichkeiten bereits qualitativ gute Bilder hervorbringt. Die per Häkchen gewählte Option „Cropped“ bedeutet, dass im Ergebnis der Analyse tatsächlich nur der Bildausschnitt zu sehen ist, der während der gesamten Videos im Blickfeld war. Bereiche, die nicht im kompletten Video zu sehen sind, werden abgeschnitten („cropped“). Die Option „Surface“ sollte ausgewählt werden, wenn es beim Bildinhalt um eine Oberfläche handelt, zum Beispiel beim Mond oder bei der Sonne.
Als nächstes muss man einen Bildstabilisationsanker setzen und das Video auf dieser Grundlage analysieren lassen. Als Ankerpunkt eignen sich natürlich die Sonnenflecken besonders gut. Wenn keine Sonnenflecken zu sehen sind, kann man es mit dem Sonnenrand versuchen. In zentralen Bereichen der Sonne ohne sichtbaren Sonnenrand oder Sonnenflecken muss man eventuell mehrere Versuche starten, um einen geeigneten Ankerpunkt zu treffen. Nach der Auswahl klickt man auf „Analyse“
Oben: Das Ergebnis der Analyse. Der Verlauf des Qualitätsgrafen deutet darauf hin, dass die Bildqualität des Rohmaterials recht gut ist. Ich persönlich stacke die besten zehn Prozent, sofern sie möglichst oberhalb der horizontal verlaufenden 75%-Qualitätslinie liegen (das ist die Linie über der 50%-Markierung).
Der nächste Schritt besteht nun darin, die Ausrichtungspunkte (Alignment Points) manuell zu setzen oder automatisch setzen zu lassen. Das automatische Setzen der Alignment Points bringt meiner Erfahrung nach durchaus gute Ergebnisse. Die Größe der Alignment Points ist stufenweise wählbar; ich habe sie bei Sonnenbildern auf Größe 48. Ein Klick auf „Place AP Grid“ erzeugt das Gitter aus Alignment Points wie folgt.
Oben: Das Gitter aus Alignment Points wurde automatisch platziert, damit ist das Programm jetzt bereit für den eigentlichen Stacking-Prozess. Im Programmfenster oben rechts kann man den prozentualen Anteil der zu stackenden Bilder einstellen – wie erwähnt, stacke ich die besten zehn Prozent. Die Option „Sharpened“ würde die Bilder automatisch schärfen. Ich schärfe die Bilder allerdings erst später im Verlauf der weiteren Bearbeitung und lasse die Option deaktiviert. Ebenso lasse ich die Optionen „Drizzle“ und „Resample“ deaktiviert, da die Kombination aus hochbrennweitiger Optik und Planetenkamera an der Sonne bereits gute Ergebnisse liefert. Ein Klick auf Stack beginnt den Stacking-Prozess.
Oben: Der Stacking-Prozess war erfolgreich. Das erstellte Bild befindet sich in einem neu erstellten Unterordner in dem Verzeichnis, wo auch das Rohdatenvideo liegt. Autostakkert kann jetzt wieder geschlossen werden. Im Anschluss folgt die eigentliche Bildbearbeitung. Dafür gibt es auch verschiedenste kostenlose und kostenpflichtige Programme. Der Funktionsumfang ist aber bei allen Programmen ähnlich, so dass sämtliche hier gezeigten Bearbeitungsschritte prinzipiell in allen (modernen) Bildbearbeitungsprogrammen nachvollziehbar sein sollten. Eventuell unterscheiden sie sich durch die Benennung der Funktionen.
Oben. Das Ergebnisbild des Stackings. Die Turbulenzen der Erdatmosphäre wurden gemäß der eingestellten Parameter so gut wie möglich herausgemittelt. Der nächste Schritt im Workflow ist die Anpassung der Helligeit.
Oben: Die Helligkeit wurde angepasst und ein bisschen erhöht. Die Helligkeitsanpassung hängt auch vom subjektiven Eindruck des Betrachters ab, deswegen ist dies nur ein Vorschlag. Selbiges gilt auch für das anschließende Schärfen, siehe unten.
Oben: Das geschärfte Bild. Registax und Autostakkert verfügen über Schärfungsalgorithmen, ebenso wie aktuelle Bildbearbeitungsprogramme. Ich schärfe das Bild mittels der Unscharfmaskierung, in diesem Fall zweimal hintereinander mit 500%, 1 Pixel und 0 Stufen. Pauschal kann man diese Einstellungen aber nicht empfehlen, da sie maßgeblich von der Qualität der Rohdaten abhängen. Man muss sich also an die besten Einstellungen herantasten. Andere Astrofotografen nehmen dafür auch nicht die Unscharfmaskierung, sondern Waveletfilter oder andere. Der letzte Schritt ist das Einfärben des geschärften Bildes, siehe unten.
Oben: Das Endergebnis. Mit der Tonwertkorrektur oder Farbbalance ist es möglich, das Bild entsprechend seiner Vorstellungen einzufärben. Bei der Sonne ergibt ein gelblich-orangener Farbton augenscheinlich am meisten Sinn. Das ist aber Geschmackssache. Viele Astrofotografen belassen es bei Graustufen. Wie in jedem Bereich der Astrofotografie gilt: Dieses Tutorial ist nicht das Nonplusultra, da man mit jeder Beobachtung und mit jedem neuen Bild und dessen Bearbeitung weiter dazulernt. Es ist lediglich meine bescheidene Sichtweise bezüglich der Erstellung von Sonnenbildern – jedoch ohne Anspruch auf „das perfekte Ergebnis“. Es soll nur als Orientierungshilfe dienen, um einen Einstieg in die Sonnenfotografie zu finden und erste Erfolgserlebnisse zu bekommen. Im weiteren Verlauf und mit steigender Erfahrung wird man seine eigenen Bearbeitungsmethoden und Workflows entwickeln.
Ich hoffe, es waren ein paar sinnvolle Tipps dabei. Viel Spaß bei der Sonnenbeobachtung im Weißlicht.
(THK)
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