
Keine Pommes, aber wie wäre es mit einer Scheibe vom Giraffenbein? Diese überraschenden Entdeckungen stammen aus einer Grabungsstätte in der verschütteten Stadt Pompeji. Archäologen der University of Cincinnati haben Entdeckungen in der berühmten Römerstadt Pompeji veröffentlicht, die nun die alten Auffassungen über die Ernährung der Römer tilgen, wonach die Reichen in Delikatessen wie Flamingos schwelgten, während sich die Armen ihre Suppe oder Haferschleim erbetteln mussten.
Steven Ellis, ein außerordentlicher Professor für Altphilologie von der University of Cincinnati, hat diese Entdeckungen beim Jahrestreffen des Archaeological Institute of America (AIA) und der American Philological Association (APA) am 4. Januar in Chicago präsentiert.
Ein Team von Archäologen der UC hat mehr als ein Jahrzehnt mit Grabungen bei zwei Häuserblocks in einem nicht-elitären Stadtbezirk der römischen Stadt Pompeji verbracht, die im Jahr 79 nach Christus von einem Vulkan verschüttet wurde. Die Ausgrabung enthüllten den früheren Gebrauch von Gebäuden, die wohl auf das 6. Jahrhundert v. Chr. datiert werden können.
Ellis sagte, die Ausgrabung liefere eine komplette Analyse von Wohnhäusern, Läden und Betrieben in einem vergessenen Bereich an einem der geschäftigsten Stadttore von Pompeji, der Porta Stabia.
Das Gebiet erstreckt sich über zehn Grundstücke und insgesamt 20 Ladenfronten, von denen die meisten Essen und Getränke anboten. Die untersuchten Abfälle stammten aus Abflüssen, zehn Latrinen und Abfallgruben und enthielten mineralisierte und verkohlte Essensreste von den Küchenabfällen sowie Exkremente. Ellis sagte, dass die Mehrheit dieser Entdeckungen in den Abflüssen aus fertig zubereiteten Nahrungsmitteln bestand, besonders aus Getreide.
„Das Material aus den Abflüssen enthielt eine Bandbreite und Menge an Substanzen, die eine ziemlich klare sozioökonomische Unterscheidung zwischen den Aktivitäten und dem Verbraucherverhalten auf jedem der Grundstücke zuließ, welche ansonsten nicht unterscheidbare Gastwirtschaftsbetriebe gewesen wären“, so Ellis. Die Funde [eines Grundstückes] ergaben Nahrungsmittel, die billig und weit verbreitet waren, so wie etwa Getreide, Früchte, Nüsse, Oliven, Linsen, lokale Fischarten und Hühnereier und geringe Mengen von teurerem Fleisch und gesalzenem Fisch aus Spanien. In Abfällen aus den Abflussrohren des Nachbargrundstücks fand sich eine geringere Vielfalt von Nahrungsmitteln, was eine sozioökonomische Unterscheidung zwischen Nachbarn zulässt.
Im Abfluss eines zentralen Anwesens fand sich eine größere Vielfalt von Nahrungsmitteln, darunter Importe von außerhalb Italiens, beispielsweise Schellfisch, Seeigel und sogar Delikatessen wie die Unterkeule einer geschlachteten Giraffe.
„Die Tatsache, dass der Knochen die große Bandbreite von exotischen Nahrungsmitteln repräsentiert, wird noch übertroffen von der Tatsache, dass dies wohl der einzig dokumentierte Giraffenknochen bei Ausgrabungen der Römer in Italien ist“, sagte Ellis. „Wie ein Teil eines geschlachteten Tieres bis in die Küchenabfälle eines, wie es scheint, normalen Restaurants in Pompeji gelangte, spricht nicht nur für den Handel mit exotischen und wilden Tieren über große Entfernungen, sondern sagt auch etwas über die Reichhaltigkeit, Vielfalt und Bandbreite einer nicht-elitären Ernährungsweise aus.“
Die Abfälle enthielten auch exotische und importierte Gewürze, einige davon aus weit entfernten Ländern wie Indonesien. Ellis fügte hinzu, dass einer der Abfallhaufen aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. datiert, was, wie er sagt, eine ziemlich wertvolle Entdeckung sei, da nur wenige andere Ablagerungen aus diesem frühen Stadium der Entwicklung Pompejis überdauert haben.
„Das endgültige Ziel unserer Forschung ist es, die strukturellen und sozialen Verbindungen zwischen den Haushalten der Arbeiterklasse über die Zeiten zu enthüllen und die Rolle zu bestimmen, die Sub-Eliten bei der Gestaltung der Stadt spielten und auch ihre Verantwortung bei der Stadt- und Mittelmeer-weiten historischen, politischen und ökonomischen Entwicklung. Dabei ist einer der größeren Datensätze und Themenbereiche unserer Forschung die Ernährungsweise und die Infrastruktur von Nahrungsmittelverbrauch und Lieferwegen“, so Elis.
Er ergänzte, dass als Ergebnis dieser Entdeckungen „die traditionelle Sichtweise einer Art glückloser Lemminge – immer auf der Suche, was sie an einer Straße stehlen oder über eine Schüssel Haferschleim gekauert – von einem höheren Lebensstandard und besserer Verpflegung ersetzt werden muss, zumindest bei den Stadtbewohnern von Pompeji.“
Die Teamleiter des Projekts, die sich auf die Ernährung und Lieferwege für Essen konzentriert haben, sind Michael MacKinnon, Professor an der University of Winnipeg; Mark Robinson, Professor an der Oxford University; Jennifer Robinson, ebenfalls von der Oxford University; Emily Holt, Professorin am Oberlin College und Professor Andrew Fairbairn von der University of Queensland.
Finanziert wurde die Forschung vom UC Department of Classics Louise Taft Semple Fund, mit großzügiger weiterer Unterstützung vom National Endowment for the Humanities, der National Geographic Society, der Loeb Classical Library Foundation und weiteren privaten Stiftern.
Ellis Präsentation „Explorations into the Complexities of Foodways of Non-elite Roman Urbanites“ wurde auf der Präsidenten-Plenarsitzung mit dem Schwerpunkt Essen und Trinken vorgestellt. Die Präsidenten-Plenarsitzung ist einer der Höhepunkte der Konferenz.
Quelle: http://www.uc.edu/news/NR.aspx?id=19029
(SOM)
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