Jerusalem: Untersuchung eines Grabes enthüllt erstmals Belege für das Christentum aus der Zeit Jesu

Jonah-Abbildung auf der Frontseite von Ossuar 6 (James D. Tabor, University of North Carolina at Charlotte)
Jonah-Abbildung auf der Frontseite von Ossuar 6 (James D. Tabor, University of North Carolina at Charlotte)

Die archäologische Untersuchung eines intakten Grabes aus dem Ersten Jahrhundert in Jerusalem mit Hilfe einer Roboterkamera enthüllte einen Satz jüdischer Ossuare oder auch “Knochenkästen” aus Kalkstein, in die seltene griechische Inschriften und eine ikonografische Darstellung eingeritzt sind, welche die Wissenschaftler als eindeutig christlich identifiziert haben.

Die vierzeilige griechische Inschrift auf einem der Ossuare spricht davon, dass Gott jemanden “erhöht” und das eingeritzte Bild auf einem benachbarten Ossuar zeigt etwas, das wie ein großer Fisch mit einem menschlichen Strichmännchen im Maul aussieht, was von dem Forschungsteam als eine Darstellung der biblischen Geschichte von Jonas interpretiert wird.

In den frühesten Versionen der Evangelien wurde das “Symbol des Jonas”, wie es von Jesus erwähnt wurde, als Symbol seiner Auferstehung interpretiert. Jonas-Abbildungen, so wie die Bilder, die zum Beispiel in römischen Katakomben gefunden wurden, waren später in der “frühen” christlichen Kunst eines der häufigsten Motive, die als Symbol für den christlichen Auferstehungsglauben in Gräbern entdeckt wurden. In Gegensatz dazu wird die Jonasgeschichte auf keinem jüdischen Kunstwerk des ersten Jahrhunderts dargestellt und ikonografische Abbilder auf Ossuaren sind extrem selten, was daran liegt, dass im Judentum Abbildungen von Menschen oder Tieren verboten sind.

Das fragliche Grab wurde bereits früher auf die Zeit vor das Jahr 70 datiert, weil da der Gebrauch der Ossuare in Jerusalem wegen der Zerstörung der Stadt durch die Römer endete. Folglich stellen die Abbildungen, wenn sie denn christlich sind, wie die Wissenschaftler annehmen – um mehrere Jahrhunderte – das früheste archäologische Dokument über Christen dar, das jemals gefunden wurde. Die Abbildungen wurden vermutlich von einigen der frühesten Anhänger Jesu im Zeitraum von wenigen Jahrzehnten nach seinem Tod erstellt. Zusammen sind die Inschrift und das Jonas-Bild ein Zeugnis für den Glauben der frühen Christen an die Auferstehung. Der Grabfund ist somit älter als die Niederschrift der Evangelien.

“Wenn irgendwer behauptet hätte, dass man eine Aussage zur Auferstehung oder ein Bild von Jonas in einem jüdischen Grab aus dieser Periode finden könnte, hätte ich gesagt, das ist unmöglich – zumindest bis jetzt”, sagte Professor Tabor. “Unser Team war in einer Art extatischem Unglauben, doch der Beweis lag klar vor unseren Augen und zwang uns dazu, unsere früheren Annahmen zu revidieren.”

Die Veröffentlichung des wissenschaftlichen Artikels geht einher mit der Publikation eines Buches von Simon & Schuster mit dem Titel “The Jesus Discovery: The New Archaeological Find That Reveals the Birth of Christianity”. Co-Autoren des Buches sind Professor James Tabor und der Filmemacher und Professor Simcha Jacobovici. Eine Dokumentation über die Entdeckung wird noch im Frühjahr 2012 vom Discovery Channel ausgestrahlt werden.

Kloners Originalkarte (Israel Antiquities Authority)
Kloners Originalkarte (Israel Antiquities Authority)

Die Funde und ihre Interpretation sind wahrscheinlich umstritten, da die meisten Gelehrten skeptisch gegenüber allen christlichen archäologischen Überresten aus dieser frühen Periode sind. Außerdem trägt die Nähe dieses Grabes zu einem zweiten Grab zu dieser Kontroverse bei, das 1980 entdeckt worden war. Dieses Grab, das von Manchen “Das Grab der Jesus-Familie” genannt wird, enthielt beschriftete Ossuare, die einige Gelehrte mit Jesus und seiner Familie in Verbindung brachten, darunter einen, auf dem steht “Jesus, Sohn des Joseph”.

“Kontext ist das Wichtigste in der Archäologie”, betonte Tabor. “Diese beiden Gräber, nur etwa 60 Meter von einander entfernt, waren Teil eines antiken Anwesens, vermutlich das einer reichen Familie der damaligen Zeit. Wir wählten dieses Grab wegen seiner Nähe zum sogenannten “Jesus-Grab”, obwohl wir nicht wussten, ob es etwas Ungewöhnliches enthalten wurde.”

Das Grab, das die neuen Entdeckungen enthält, hat eine mittlere Größe und ist ein Felsengrab mit sorgfältig gravierten Wänden, wie es in Jerusalem für den Zeitraum von 20 v. Chr. bis ins Jahr 70 üblich war.

Das Grab wurde 1981 bei Bauarbeiten ausgegraben und liegt gegenwärtig mehrere Meter unter dem Fundament eines Gebäudes mit Eigentumswohnungen in Ost-Talpiot, einem Viertel in Jerusalem, etwa drei Kilometer südlich der Altstadt. Die Archäologen, die damals das Grab betraten, konnten es und die Ossuare kurz untersuchen, einige Übersichtsfotos machen und einen Topf und ein Ossuar daraus entfernen, bevor sie von orthodoxen religiösen Gruppen zum Verlassen gezwungen wurden, die sich gegen eine Ausgrabung in jüdischen Gräbern zur Wehr setzten.

Das mitgenommene Ossuar, das eines Kindes, befindet sich jetzt in der Staatlichen Sammlung von Israel. Es ist verziert, besitzt aber keinerlei Inschriften. Die Archäologen notierten damals “zwei griechische Namen”, bemerkten aber weder die jetzt entdeckte griechische Inschrift, noch das Jonas-Bild, bevor sie zum Verlassen gezwungen wurden. Das Grab wurde wieder versiegelt und unter dem Wohnkomplex begraben, der jetzt in der Don Gruner Street in Ost-Talpiot steht.

Das nahegelegene “Jesus-Grab” wurde nur ein Jahr früher, nämlich 1980, vor derselben Baufirma entdeckt. Es wurde sorgfältig ausgegraben und sein Inhalt von der Israelischen Antiquitätenbehörde entfernt. Die kontroversen Ossuare dieses Grabes mit ihrer ungewöhnlichen Zusammenstellung von Namen (die von Einigen mit Jesus und seiner Familie in Verbindung gebracht werden) sind jetzt Teil der Staatlichen Sammlung von Israel und wurden bei verschiedenen Ausstellungen gezeigt, darunter auch im Israel Museum. Diese Ossuare werden auch von Ende Februar bis 15. April im Discovery Times Square Museum zu sehen sein.

Im Jahr 2009 und 2010 erhielten Tabor und Rami Arav, Professor für Archäologie an der University of Nebraska in Omaha, der mit Jacobovici zusammenarbeitet, von der Israelischen Antiquitätenbehörde eine Genehmigung, unter wissenschaftlicher Förderung durch die University of North Carolina in Charlotte das jetzige Grab auszugraben. Wegen seiner physikalischen Lage unter einem modernen Gebäude (das einen direkten Zugang nahezu unmöglich macht) und den Drohungen durch orthodoxe jüdische Gruppen, die gegen eine solche Untersuchung protestieren würden, war Tabors Team dazu gezwungen, das Grab mit minimalinvasiven Techniken zu erforschen.

Finanziert wurde die Ausgrabung von Discovery Channel / Vision Television / Associated Producers. Jacobovicis Team von den in Toronto ansässigen Associated Producers entwickelte einen raffinierten Roboterarm, der die hochauflösenden Kameras tragen sollte, welche von General Electric gespendet worden waren. Der Roboterarm und eine zweite “Schlangen-Kamera” wurden durch zwei Bohrlöcher im Fundament des Gebäudes über dem Grab eingeführt. Die Erforschung war erfolgreich und das Team konnte alle Ossuare erreichen und sie von allen Seiten fotografieren, was die neuen Inschriften offenbarte.

Neben der möglichen Verbindung zum Christentum bemerkte Tabor, dass die Zusammenstellung der Ossuare sich als absolut außergewöhnlich im Vergleich zu früher erforschten Gräbern in Jerusalem herausstellte.

“Alles in diesem Grab schien ungewöhnlich im Gegensatz zu dem, was man normalerweise in jüdischen Gräbern dieser Periode auf Ossuaren eingraviert findet”, sagte Tabor. “Von den sieben im Grab verbliebenen Ossuaren besitzen vier ungewöhnliche Merkmale.”

Es gibt Beschriftungen auf fünf der sieben Ossuaren: ein rätselhaftes Symbol auf Ossuar 2 (das möglicherweise Yod Heh, Vav Heh oder “Yahweh” in stilisierten Schriftzeichen bedeutet, die man als griechisch oder hebräisch lesen könnte, wobei sich das Team da unsicher ist), eine Inschrift “MARA” in griechischen Buchstaben (was Tabor als die weibliche Form von “Gott” oder “Herr” in Aramäisch übersetzte) auf Ossuar 3. Auf Ossuar 4 ein nicht entzifferbares Wort in griechischen Buchstaben (möglicherweise ein Name, der mit “JO…” beginnt). Die bemerkenswerte vierzeilige griechische Inschrift auf Ossuar 5 und, am wichtigsten, eine Reihe von Bildern auf Ossuar 6, darunter das große Bild eines Fisches mit einer Figur, die aus seinem Maul zu kommen scheint.

Die MARA Inschrift (James Tabor, University of North Carolina at Charlotte)
Die MARA Inschrift (James Tabor, University of North Carolina at Charlotte)

Von den beinahe 2.000 Ossuaren, die von der Israelischen Antiquitätenbehörde bis jetzt entdeckt wurden, besitzen lediglich 650 überhaupt irgendwelche Inschriften, und keines davon hat Inschriften, die mit denen auf Ossuar 5 und 6 vergleichbar sind.

Weniger als ein Dutzend Ossuare aus dieser Periode haben Epitaphe, doch laut Tabor haben diese eingeritzten Botschaften normalerweise mit Warnungen zu tun, die Knochen der Toten nicht zu stören. Im Gegensatz dazu enthält die vierzeilige griechische Inschrift eine Art Bekenntnis zum Auferstehungsglauben.

Tabor merkt an, dass die komplette und endgültige Übersetzung des Epitaphs noch unsicher ist. Die ersten drei Zeilen sind klar, doch die letzte Zeile, bestehend aus drei griechischen Buchstaben, ist weniger klar, weil es dafür mehrere mögliche Übersetzungen gibt. “Oh göttlicher Jehova, erhebe dich, erhebe dich” oder “Der göttliche Jehova erhebt sich an den Heiligen Ort” oder “Der göttliche Jehova erhebt sich [von den Toten]”.

“Die Inschrift hat etwas mit der Auferstehung von Toten zu tun, entweder die des Verstorbenen in dem Ossuar oder vielleicht, in Anbetracht des daneben liegenden Jonas-Bildes, ein Ausdruck des Glaubens an die Auferstehung von Jesus”, sagte Tabor.

Das Ossuar mit dem Bild, von dem Tabor und sein Team denken, dass es Jonas darstellt, hat auch andere interessante Gravuren. Diese könnten ebenfalls einen Bezug zur Auferstehung haben, merkt Tabor an. Auf einer Seite ist der Schwanz eines Fisches, der an der Kante der Kiste verschwindet, so als ob er ins Wasser abtaucht. Um den Rand der Frontseite sind kleine Fischbilder und auf der anderen Seite ist ein Bild eines kreuzähnlichen Tores oder Eingangs – was Tabor als Gedanken interpretiert, die “Schranke” des Todes zu durchschreiten, die in der Jonas-Geschichte der Bibel erwähnt werden.

“Dieses Jonas-Ossuar ist höchst faszinierend”, merkt Tabor an. “Es scheint eine Bildergeschichte darzustellen, bei der der Fisch am einen Ende unter Wasser taucht, die Schranken oder Tore des Todes, die Knochen darin und das Bild des großen Fisches, der einen Mann ausspuckt und nach den Worten Jesu somit das “Symbol Jonas” darstellt – das Symbol dafür, dass er den Fesseln des Todes entkommen wird.”

Quelle: http://publicrelations.uncc.edu/news-events/news-releases/jerusalem-tomb-exploration-reveals-first-archaeological-evidence-christian

(SOM)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*