Ein Rätsel der Mitose gelöst: Wie sich Chromosomen perfekt in einer sich teilenden Zelle ausrichten

Schematischer Ablauf der Mitose (Wikipedia / User: Jpablo cad und Matthias_M. / CC BY-SA 3.0)
Schematischer Ablauf der Mitose (Wikipedia / User: Jpablo cad und Matthias_M. / CC BY-SA 3.0)

Um ein Rätsel zu lösen, muss ein guter Detektiv manchmal einfach nur die Hinweise studieren, die vor ihm liegen. Wie Agatha Christies Hercule Poirot und Arthur Conan Doyles Sherlock Holmes, benutzte Tomomi Kiyomitsu nur seine ausgeprägte Beobachtungsgabe, um ein Rätsel zu lösen, das Wissenschaftler seit Jahren beschäftigt: welche internen Signale veranlassen die Chromosomen einer Zelle, die sich einer Zellteilung durch Mitose unterzieht, sich entlang einer zentralen Achse auszurichten?

„Die Menschen haben seit Jahrzehnten auf diese Proteine und die Akteure der Mitose geschaut, doch niemand hat jemals gesehen, was Tomomi beobachtet hat“, sagte Iain Cheeseman, Mitglied des Whitehead Institute. „Und es ist sehr eindeutig, dass diese Dinge passieren. Es sind sehr starke regulative Paradigmen, die diese Zellteilungs-Achsen bestimmen. Und gewissenhafte Zellbiologie gestattete ihm zu sehen, dass es geschah. Die Menschen haben es eine lange Zeit betrachtet, jedoch niemals mit solch sorgfältigem Blick, wie er ihn dafür aufwendete.“

Kiyomitsu, postdoktoraler Wissenschaftler in Cheesemans Labor, veröffentlichte seine Arbeit in der aktuellen Ausgabe der Nature Cell Biology.

Seit mehr als 50 Jahren wird der Prozess der mitotischen Zellteilung intensiv untersucht. Durch Verwendung von Fluoreszenz-Mikroskopie können heutige Wissenschaftler das Tauziehen beobachten, das Zellen während des Durchlebens der Mitose vollziehen. Fadenförmige Proteine, sogenannte Mikrotubuli, dehnen sich von einem der beiden Spindel-Pole zur anderen Seite der Zelle und versuchen sich an die duplizierten Chromosomen anzuheften. Dieser „komplette“ Spindelapparat dient dazu, die Chromosomen physikalisch auseinanderzuziehen. Zusätzlich zu den Mikrotubuli von den beiden Spindel-Polen, die mit allen Chromosomen verbunden sind, ziehen noch sternförmige Mikrotubuli, die mit dem sog. Zellkortex – einer Proteinschicht, die direkt unterhalb der Zellmembran liegt – verbunden sind, die Spindel-Pole in der Zelle vor und zurück, bis sich die Spindel und die Chromosomen entlang der zentralen Achse der Zelle ausgerichtet haben. Dann ziehen die Mikrotubuli die duplizierten Chromosomen in jeweils eine Hälfte, so dass letztlich eine Kopie jedes Chromosoms in jeder der neuen Tochterzellen landet.

Der Vorgang der Mitose ist extrem präzise: wenn es zu Veränderungen der DNA kommt, neigen Zellen dazu, obsessiv zu sein (also sich nicht weiter zu teilen; Anm. d. Red.) und das aus gutem Grund. Der Zugewinn oder Verlust eines Chromosoms während der Zellteilung kann zum Tod der Zelle, zu Entwicklungsstörungen oder zu Krebs führen.

Als Kiyomitsu den Ablauf der Mitose in sich symmetrisch teilenden menschlichen Zellen beobachtete, bemerkte er, dass, wenn die Spindel sich in Richtung des Zentrums der Zelle bewegte, ein einseitiger Halo aus dem Protein Dynein den Zellkortex auf der von der Spindel weiter entfernten Seite säumte. Wenn die Spindel nach links schwenkte, erschien das Dynein auf der rechten Seite, doch wenn die Spindel dann auf die rechte Seite pendelte, verschwand das Dynein dort und erschien auf der linken Seite wieder.

Für Kiyomitsu war das Dynein, das als sogenanntes Motorprotein bekannt ist, welches molekulare Lasten entlang der Mikrotubuli wandern lässt, der Schlüssel zum Rätsel der Chromosomen-Ausrichtung. Kiyomitsu fand heraus, dass in diesem Fall das Dynein am Zellkortex mit einem Komplex verankert ist, der das Protein LGN, Kurzform für Leucin-Glycin-Asparagin-angereichertes Protein (en: leucine-glycine-asparagine-enriched protein) beinhaltet. Anstatt sich entlang eines sternförmigen Mikrotubulus zu bewegen, fungiert das stationäre Dynein wie eine Winde, die den Spindel-Pol in Richtung Zellkortex zieht, und damit auch die damit verbundenen Mikrotubuli und Chromosomen.

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Video-Link: https://youtu.be/1UB-uUkKoPk

Das Video veranschaulicht schematisch, wie sich die Chromosomen während der Mitose perfekt ausrichten (Whitehead Institute / Tomomi Kiyomitsu / Nature Cell Biology)

Kiyomitsu fand heraus, dass, wenn ein Spindel-Pol in die unmittelbare Nähe des Zellkortex kommt, ein Signal des Proteins Polo-like Kinase 1 (Plk1) vom Spindel-Pol ausgesendet wird, welches das Dynein vom LGN trennt und damit die Vorwärtsbewegung des Spindel-Pols stoppt und Dynein freisetzt, das dann auf die gegenüberliegende Seite der Zelle wandert. Diese Schwingungen setzen sich mit zunehmender Amplitude fort, bis sich die Spindel entlang der Zentralachse der Zelle ausgerichtet hat.

Während er die Rolle des Dyneins bei der Ausrichtung der Spindel entschlüsselte, bemerkte Kiyomitsu, dass sich eine Schicht von LGN über den gesamten Zellkortex erstreckte, außer in den Bereichen, die den Chromosomen am nächsten waren. Wenn die Chromosomen vor- und zurückschwingen, verändern sich als Reaktion darauf diese LGN-freien Gebiete. Weil das Dynein das LGN zur Anbindung benötigt, stellen diese „freien“ Zonen sicher, dass sich das Dynein nur rechts und links von den sich ausrichtenden Chromosomen anheften kann und nicht auch oben und unten und damit auch nur in diese Richtungen ziehen kann.

Nachdem er eine Reihe von Signalmolekülen untersucht hatte, die mit Chromosomen in Verbindung stehen sollen, stellte Kiyomitsu fest, dass ein Signal der Chromosomen unter Verwendung des ras-related nuclear protein (Ran) das LGN blockiert und somit auch das Dynein daran hindert, sich an dem Zellkortex zu verankern, der sich am nächsten an den Chromosomen befindet. Ran gebunden an Guanosin-5-Triphosphat (Ran-GTP), das während des sogenannten Interphase-Stadiums (Zeitraum zwischen zwei Mitoseteilungen; Anm. d. Red.) der Mitose Importe in die Zelle kontrolliert, hielt man zuvor für einen Kontrolleur der Spindel-Anordnung in Keimzellen während der Mitose, die Rolle des Ran-Gradienten bei der Mitose von Nicht-Keimzellen war jedoch unklar. Kiyomitsus Forschung legt jetzt eine Schlüsselrolle für das Ran bei der Steuerung der Spindelausrichtung nahe.

Kiyomitsu sagt, dass die Achse, auf der sich die Spindel-Pole bewegen, äußerst wichtig für die Zelle ist.

„Die Ausrichtung der Spindel ist äußerst wichtig zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts zwischen Stammzellen und reifen Zellen während der Entwicklung“, merkt er an. „Und wenn diese Ausrichtung dys- oder miss-reguliert wird, kann das Berichten nach auch Krebs verursachen, selbst wenn die Chromosomen sich ordnungsgemäß aufgetrennt haben.“

Diese Arbeit wurde unterstützt vom Massachusetts Life Sciences Center, dem Searle Scholars Program, der Human Frontiers Science Foundation, dem National Institutes of Health (NIH) / National Institute of General Medical Sciences und der American Cancer Society.

Quelle: http://www.wi.mit.edu/news/archives/2012/ic_0212.html

(SOM)

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