Wissenschaftler am Institute for Logic, Language and Computation (ILLC) an der Universität Amsterdam haben eine universelle Eigenschaft von Tonleitern entdeckt. Bis jetzt war man der Meinung, dass die Oktave die einzige Eigenschaft ist, die Tonleitern auf der ganzen Welt gemeinsam haben. Allerdings scheinen die vielen hundert verschiedenen Tonleitern noch eine weitere, tiefere Gemeinsamkeit zu besitzen: wenn man ihre Töne mit Hilfe eines Koordinatensystems auf zwei- oder dreidimensionale Weise vergleicht, formen sie konvexe oder sternförmig-konvexe Strukturen. Konvexe Strukturen sind Muster ohne Einkerbungen oder Löcher wie zum Beispiel Kreise, Vierecke oder Ovale. Die Forschungsergebnisse werden diesen Monat im Wissenschaftsjournal Journal of New Music Research veröffentlicht.
Beinahe jede Melodie auf der Welt basiert auf einer zugrundeliegenden Tonleiter, auf welche die Kompositionen aufgebaut sind. In der westlichen Musik ist die Dur-Tonleiter (do-re-mi-fa-sol-la-ti-do) am bekanntesten. Doch es gibt noch viele andere gebräuchliche Tonleitern, wie zum Beispiel Moll oder die chromatische Tonleiter. Neben diesen “traditionellen” Tonleitern gibt es aber auch künstliche Tonleitern, die von modernen Komponisten geschaffen wurden. Auf einen gemeinsamen Nenner gebracht, bestehen Tonleitern aus einer auf- oder absteigenden Sequenz von Tönen, bei der der Anfangs- und Endton von einander durch eine Oktave getrennt sind, was bedeutet, dass die Frequenz des Endtons genau doppelt so hoch wie die des Anfangstons ist.
Wenn man die Tonleitern in ein Koordinatensystem platziert – ein Eulersches Raster – können sie wie multidimensionale Objekte untersucht werden. Dr. Aline Honingh und Prof. Rens Bod vom ILLC haben dies mit beinahe 1000 Tonleitern aus der ganzen Welt getan, von Japan bis Indonesien und von China bis Griechenland. Zu ihrer Überraschung fanden sie heraus, dass alle traditionellen Tonleitern sternförmig-konvexe Muster ergaben. Dies war auch bei fast 97 Prozent der nicht-traditionellen Tonleitern, die von zeitgenössischen Komponisten erdacht worden waren, der Fall, sogar obwohl diese zeitgenössischen Komponisten oft erklärten, dass sie unkonventionelle Tonleitern konstruiert hätten. Dieser Prozentsatz ist sehr hoch, denn die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällige Abfolge von Tönen ein sternförmig-konvexes Muster ergibt, ist sehr gering. Honingh und Bod versuchen dieses Phänomen mit dem Gedanken des Zusammenklangs aus der Harmonielehre zu erklären. Sie verbinden ihre Forschungsergebnisse mit sprachlicher und visueller Wahrnehmung, wo ebenfalls solche konvexen Muster entdeckt wurden, was möglicherweise auf ein kognitives Universal hindeutet (eine generelle kognitive Eigenschaft).
Diese Forschungsarbeit ist Teil des VICI-Programms “Integrating Cognition” der Netherlands Organisation for Scientific Research (NWO) unter Leitung von Rens Bod.
Weiterführende Links:
http://de.wikipedia.org/wiki/Reine_Stimmung#Darstellung_im_Tonnetz
http://de.wikipedia.org/wiki/Tonleiter#Beispiele_f.C3.BCr_Tonleitern
Quelle: http://www.english.uva.nl/news/news.cfm/9DEDC76E-E021-4F6E-AE9F0A55E899FC22
(SOM)
Antworten