
In einem Labor der University of Cincinnati bekommt die Phrase „Kampf der Geschlechter“ eine neue Bedeutung, was sich auch auf unser Verständnis der Evolution auswirkt.
In einer Studie, die am 3. Mai 2012 in der Zeitschrift Evolution veröffentlicht wurde, untersuchen der Doktorand Karl Grieshop und der außerordentliche Professor Michal Polak von der University of Cincinnati die Bedeutung von Genitalstacheln für den reproduktiven Erfolg einer bestimmten Spezies von Fruchtfliegen. Ihre Untersuchung identifiziert die besondere Art von Vorteil, den diese Dornen im Vermehrungs-wettbewerb verschaffen.
„Die gängige Meinung, um die auffällige Erweiterung der Eigenschaften des männlichen Genitals zu erklären ist, dass eine solche Komplexität sich als Antwort auf die natürliche Selektion entwickelt hat“, erklärt Grieshop. „Besonders Mechanismen der sexuellen Selektion, die während oder nach der Paarung zum Einsatz kommen, wie zum Beispiel das Wettrennen der Spermien und das mysteriöse Auswahlverfahren von Weibchen haben dabei die größte Unterstützung erfahren.“
Grieshop und Polak haben triftige Beweise dafür gefunden, dass die dornigen Genitalien dieser Fruchtfliegen vor dem Sexualakt die meisten Vorteile bieten und nicht während oder nach der Befruchtung. Sie erhielten diese Erkenntnisse, indem sie eine hochpräzise Laseroperation einsetzten, um die dornartigen Stacheln hunderter männlicher Fruchtfliegen zu kürzen und dann deren Erfolg in einer Vielzahl von Paarungssituationen zu beobachten.
Von den viele Fruchtfliegenarten wählten sie Drosophila ananassae aus, wegen der besonderen Länge der männlichen Genitalstacheln. Mit Hilfe des Lasersystems entfernten sie die Dornen bei manchen Männchen komplett, kürzten sie um die Hälfte und schnitten bei der dritten Gruppe lediglich die Spitzen ab.
Grieshop and Polak fanden heraus, dass die Männchen mit der kompletten Entfernung sich überhaupt nicht mehr paaren konnten. Männchen mit den auf die Hälfte gekürzten Stacheln erlitten eine starken Minderung ihres sexuellen Erfolges. Diejenigen, deren Stacheln nur ganz leicht gekürzt wurden, erlitten lediglich eine leichte, nicht-signifikante Minderung ihres Paarungserfolges, der sich jedoch in einer sexuellen Wettbewerbssituation zu einem statistisch relevanten Effekt verstärkte. Sie fanden ebenfalls heraus, dass die Abnahme des Paarungserfolges bei den zur Hälfte beschnittenen Männchen in einer Wettbewerbsumgebung stark erhöht war. Und, dass sich die Fruchtfliegen in Wettbewerbsumgebungen am häufigsten paarten.
„Das Paarungssystem dieser Fruchtfliegen kann man am Besten mit ‚Gerangel-Wettkampf‘ (’scramble-competition‘) beschreiben“, so Grieshop. „Sie sammeln sich in Massen auf verrottenden Früchten. Einige der Weibchen sind empfängnisbereit, andere nicht. Den Hauptgewinn machen die Männchen, die sich am effizientesten mit möglichst vielen Weibchen paaren können, bevor diese von sexuellen Rivalen besetzt werden.“
Es ist bekannt, dass Weibchen in einer solch chaotischen Umgebung vor der Paarung normalerweise eine Auswahl treffen, die sich zum Beispiel auf den Duft von Pheromonen, den Klang von Paarungsrufen oder die visuellen Reize eines Balztanzes stützt. Doch im Hinblick auf die operative Behandlung dieser Genitalstacheln scheinen die Weibchen keinen Unterschied bei der Behandlung der werbenden Männchen zu machen.
„Es scheint, dass diese Dornen den Kopulationserfolg der Männchen in einer solchen Umgebung begünstigen“, sagte Grieshop. „Wenn man die genaue Funktion eines Merkmals identifizieren kann, das zwischen den Spezies variiert (wie zum Beispiel diese Stacheln), bekommt man neue Einblicke in den evolutionären Druck, der ihre Entstehung verursachte und vielleicht auch darin, wie sich neue Spezies entwickeln. Die meisten adaptiven Funktionen von Genitalien, die bis jetzt entdeckt wurden, machen nur dann einen Unterschied, wenn die Paarung bereits begonnen hat. Dass Genitalien einen Unterschied vor der Kopulation ausmachen, ist unüblich. Das stellt Genitalmerkmale auf die selbe Stufe mit den sogenannten sekundären Geschlechtsmerkmalen, wie zum Beispiel Färbung oder anderer Schmuck.
Diese Forschungsarbeit, meinte er, ermuntert die wissenschaftliche Gemeinschaft dazu, die Evolution männlicher Genitalmerkmale ähnlich zu der der sekundären Geschlechtsmerkmale zu sehen, was das Verständnis für eine der größten Unbekannten in der Evolutionsbiologie erleichtern könnte: Warum unterscheiden sich männliche Genitalien so unglaublich stark zwischen den Spezies.
Grieshop schließt gerade seinen Magister ab. Seine Forschung wurde unterstützt von einem University Research Council Graduate Student Research Fellowship, dem McMicken College of Arts and Sciences und dem Department of Biological Sciences an der University of Cincinnati. Polaks Forschung wurde von der National Science Foundation finanziert.
Quelle: http://www.uc.edu/news/NR.aspx?id=15689
(THK)
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