Forensische Analyse an Berninis wiederentdeckter Schädelskulptur

Selbstportrait Berninis, 1598-1680. (Credit: Bernini, 1623)
Selbstportrait Berninis, 1598-1680. (Credit: Bernini, 1623)

Wie gingen die Künstler und Bildhauer des Barock ihr Handwerk an? Erstmals haben Forscher eine forensische anthropologische Analyse eines von Gian Lorenzo Bernini modellierten Marmorschädels durchgeführt. Die Analyse dieser in Dresden wiederentdeckten Skulptur könnte helfen, Einzelheiten über die Arbeitsmethoden großer Künstler aus der Vergangenheit zu erfahren, darunter nicht aufgezeichnete Details über ihre künstlerischen Ansätze.

“Der Schädel ist so detailreich, dass er viele präzise anatomische Merkmale umfasst, die in derselben Weise wie an einem richtigen Schädel untersucht werden könnten. Es scheint so, als hätte Bernini einen echten biologischen Schädel als Modell genommen, als er den Schädel eines erwachsenen Mannes von europäischer Abstammung modellierte”, sagte der Studienautor James T. Pokines, ein außerordentlicher Professor für Anatomie und Neurobiologie an der Boston University.

Pokines nutzte forensische anthropologische Standardmethoden, die auch an einem biologischen Schädel vorgenommen werden würden. Dazu gehören die Bewertung von morphologischen Merkmalen zur Bestimmung des Geschlechts und der Abstammung, sowie die Durchführung kranialer Messungen mit Messschiebern.

Die Forscher stellten fest, dass der Schädel so detailliert gearbeitet ist, dass er viele präzise anatomische Merkmale aufweist, die man so auch an einem echten Schädel untersuchen könnte. Bernini modellierte sogar Irregularitäten, die man häufig bei echten Schädeln findet, etwa eine Links/Rechts-Asymmetrie, sowie Variationen beispielsweise bei der Form einer Knochennaht und der Zahnverlust vor und nach dem Tod.

Pokines vermutet, dass wir durch Anwendung neuer analytischer Methoden auf historische Objekte möglicherweise mehr über die tatsächliche künstlerische Bedeutung Berninis und anderer Künstler aus Renaissance und Barock erfahren können, die ansonsten für uns verloren wären. “Insbesondere bekräftigt es unser Verständnis des technischen Könnens Berninis und der Fähigkeiten und Aufmerksamkeit hinsichtlich anatomischer Details, die für die Erstellung dieses Kunstwerks erforderlich waren”, sagte er.

Den Forschern zufolge gibt es weitere Schädelskulpturen aus Renaissance, Barock und anderen Perioden, auf die diese Analysen angewandt werden könnten, in manchen Fällen auch auf Gemälde. “Es gibt einen weiteren Schädel, der Teil einer von Bernini oder seiner Werkstatt geschaffenen Grabskulptur in Rom ist, den wir gerne untersuchen möchten. Er ist nicht so detailreich, aber wir wollen sehen, ob er er auch nach Vorlage eines bestimmten biologischen Schädels modelliert wurde oder ob er eine etwas allgemeinere Darstellung eines Schädels zeigt”, sagte Pokines.

Die Studie wurde online im Journal The Seventeenth Century veröffentlicht.

Bericht und Bilder des Schädels von den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden:
https://gemaeldegalerie.skd.museum/ausstellungen/bernini-der-papst-und-der-tod/

Quelle

(THK)

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