Das vom NASA-Marslander InSight auf dem Mars platzierte Seismometer hat seine bislang stärksten seismischen Ereignisse aufgezeichnet: Zwei Marsbeben mit den Magnituden 4,2 und 4,1. Die beiden Beben sind die ersten Ereignisse, die auf der dem Lander gegenüber liegenden Seite des Planeten stattfanden und waren fünfmal stärker als die früheren stärksten aufgezeichneten Ereignisse.
Daten zu den seismischen Wellen der Ereignisse könnten Wissenschaftlern helfen, mehr über die inneren Schichten des Mars zu erfahren, insbesondere über die Kern-Mantel-Grenze, berichten Forscher von InSights Marsquake Service (MQS) im Journal The Seismic Record.
Anna Horleston von der University of Bristol und ihre Kollegen konnten reflektierte PP- und SS-Wellen des Stärke-4,2-Bebens namens S097a identifizieren und seinen Ursprung im Valles Marineris lokalisieren. Das Valles Marineris ist ein riesiges Canyonsystem und eine der auffälligsten Strukturen auf dem Mars – und eines der größten Canyonsysteme im Sonnensystem. Frühere Aufnahmen aus dem Orbit zeigen Brüche und Erdrutsche, die darauf hindeuteten, dass das Gebiet seismisch aktiv sein könnte, aber das neue Ereignis ist die erste bestätigte seismische Aktivität dort.
S1000a, das Stärke-4,1-Beben, wurde 24 Tage später aufgezeichnet und durch reflektierte PP- und SS-Wellen sowie durch Pdiff-Wellen charakterisiert – Wellen mit kleinen Amplituden, die die Kern-Mantel-Grenze durchquert haben. Dies ist das erste Mal, dass Pdiff-Wellen von der InSight-Mission registriert wurden. Die Forscher konnten den Ursprungsort von S1000a nicht exakt bestimmen, aber wie S097a lag er auf der Seite des Planeten gegenüber dem Mars-Lander. Die seismische Energie von S1000a ist außerdem die längste, die bislang auf dem Mars aufgezeichnet wurde, und dauerte 94 Minuten.
Beide Marsbeben traten in der Kernschattenzone auf, einer Region, in der P- und S-Wellen sich nicht direkt in Richtung des Seismometers von InSight bewegen können, weil sie durch den Kern blockiert oder gebeugt werden. PP- und SS-Wellen folgen keiner direkten Bahn, sondern werden mindestens einmal an der Oberfläche reflektiert, bevor sie vom Seismometer registriert werden können.
„Die Aufzeichnung von Ereignissen innerhalb der Kernschattenzone ist ein echter Meilenstein für unser Verständnis des Mars. Vor diesen beiden Ereignissen lang der Großteil der seismischen Aktivität innerhalb einer Distanz von 40 Grad zu InSight“, sagte Savas Ceylan, ein Co-Autor von der ETH Zürich. „Durch den Ursprungsort in der Kernschattenzone durchquert die Energie Regionen des Mars, die wir nie zuvor seismologisch untersucht haben.“
Die beiden Marsbeben unterscheiden sich in manchen wichtigen Eigenschaften. S0976a zeichnet sich durch ausschließlich niedrige Frequenzen aus, wie viele der bislang auf dem Planeten registrierten Beben. S1000a besitzt dagegen ein Breitband-Energiespektrum. „S1000a sticht in unserem Katalog klar hervor und wird entscheidend für unser weiteres Verständnis der Seismologie auf dem Mars werden“, sagte Horleston.
S0976a hat wahrscheinlich einen viel tieferen Ursprung als S1000a. „Letzteres hat ein Frequenzspektrum ähnlich eines Schwarms aus Ereignissen, was als Krustenbeben modelliert wurde, daher könnte dieses Ereignis in der Nähe der Oberfläche stattgefunden haben. S0976a sieht ähnlich aus wie die Ereignisse, die wir in Cerberus Fossae lokalisiert haben, einer ausgedehnten Verwerfungszone. Die dafür modellierten Tiefen liegen bei um die 50 Kilometern oder mehr, und es ist wahrscheinlich, dass dieses Ereignis einen vergleichbaren tiefen Entstehungsmechanismus hat.“
Verglichen mit dem Rest der von InSight registrierten seismischen Aktivität sind die beiden neuen Beben auf der gegenüberliegenden Seite des Planeten echte Ausreißer, sagen die Forscher. Sie sind nicht nur die mit großem Abstand fernsten und stärksten Ereignisse; S1000a besitzt auch ein Spektrum und eine Dauer wie kein anderes zuvor registriertes Ereignis. Es sind wirklich zwei bemerkenswerte Ereignisse im seismischen Katalog des Mars“, sagte Horleston.
Studie: „The Far Side of Mars: Two Distant Marsquakes Detected by InSight“ von Horleston et al., The Seismic Record, 22. April 2022
(THK)
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