Astronomen finden Eis und möglicherweise Methan auf dem fernen Zwergplaneten-Kandidaten Snow White

Künstlerische Darstellung des Zwergplaneten 2007 OR10 ("Snow White") (NASA)
Künstlerische Darstellung des Zwergplaneten 2007 OR10 ("Snow White") (NASA)

Astronomen vom California Institute of Technology (Caltech) haben entdeckt, dass der Zwergplaneten-Kandidat “2007 OR10” – genannt Snow White – eine Eiswelt ist, deren Oberfläche zu etwa der Hälfte von Wassereis bedeckt ist, das aus alten, Schlamm spuckenden Vulkanen floss. Die neuen Ergebnisse deuten auch darauf hin, dass das rötliche Objekt von einer dünnen Methanschicht bedeckt sein könnte, den Überresten einer Atmosphäre, die langsam in den Weltraum entweicht.

“Sie bekommen hier ein hübsches Foto zu sehen von etwas, das einst eine aktive, kleine Welt mit Wasservulkanen und einer Atmosphäre war, die jetzt allerdings gefroren und tot ist, mit einer Atmosphäre, die sich langsam verflüchtigt”, sagt Mike Brown, der Richard and Barbara Rosenberg Professor und Professor für planetare Astronomie. Er ist der leitende Autor einer Studie, die in den Astronomical Journal Letters veröffentlicht wird und die Entdeckungen beschreibt.

Snow White – im Jahr 2007 als Teil der Doktorarbeit von Browns früherer Studentin Meg Schwamb entdeckt – umkreist die Sonne am Rande des Sonnensystems und ist etwa halb so groß wie Pluto, was ihn nach den vier benannten Zwergplaneten zum fünftgrößten Kandidaten macht. Zu dem Zeitpunkt hatte Brown fälschlicherweise vermutet, dass Snow White ein eisiger Himmelskörper ist, der von einem anderen Zwergplaneten namens Haumea abbrach. Er nannte ihn Snow White wegen der vermuteten weißen Farbe.

Kürzlich haben nachfolgende Beobachtungen allerdings enthüllt, dass Snow White in Wirklichkeit eines der rötlichsten Objekte des Sonnensystems ist. Ein paar andere Zwergplaneten am Rande des Sonnensystems sind ebenfalls rot. Diese entfernten Zwergplaneten sind Teil einer größeren Gruppe von eisreichen Körpern, die als Kuiper Belt Objects (KBOs) bezeichnet werden. Soweit die Forscher sagen können, war Snow White trotz seiner Größe unauffällig – nur einer von mehr als 400 potenziellen Zwergplaneten, die sich unter den Hunderttausenden KBOs befinden.

“Alle Zwergplaneten dieser Größe sind interessant, sie alle erzählen uns etwas”, sagt Brown. “Dieser hier frustrierte uns jahrelang, weil wir nicht wussten, was er uns mitteilt.” Ihm zufolge war die Near Infrared Camera (NIRC) am Keck Observatorium zu der Zeit das beste zur Verfügung stehende Instrument zur Beobachtung von KBOs. Sie wurde vom Caltech Physik Professor Tom Soifer und dem Chefwissenschaftler des Instruments, Keith Matthews, in den 1990er Jahre mitentwickelt. Jetzt wurde sie stillgelegt, deshalb kann niemand 2007 OR10 detailliert beobachten. “In gewisser Weise ermattete sie”, sagt er.

Währenddessen half Adam Burgasser, ein früherer Student von Brown und jetzt Professor an der University of California in San Diego, bei der Entwicklung eines neuen Instruments, der so genannten Folded-port Infrared Echellette (FIRE). Im vergangenen Herbst benutzten Brown, Burgasser und der Postdoktorand Wesley Fraser dieses Instrument mit dem 6,5-Meter Magellan Baade Telescope in Chile, um einen genaueren Blick auf 2007 OR10 zu werfen.

Wie erwartet, war Snow White rot. Aber zu ihrer Überraschung offenbarte das Spektrum, dass die Oberfläche von Wassereis bedeckt war. “Das war ein großer Schock”, sagt Brown. “Wassereis ist nicht rot.” Obwohl Eis im äußeren Sonnensystem häufig vorkommt, ist es fast immer weiß.

Es gibt jedoch ein anderes Objekt, das sowohl rot als auch von Wassereis bedeckt ist: Quaoar, der 2002 von Brown mitentdeckt wurde. Quaoar ist etwas kleiner als Snow White und noch groß genug, um eine Atmosphäre besessen zu haben und Schlammvulkane an der Oberfläche, die Eisschlamm spuckten, welcher dann an der Oberfläche erstarrte.

Aber weil Quaoar nicht so groß ist wie die Zwergplaneten Pluto oder Eris, konnte er flüchtige Bestandteile wie Methan, Kohlendioxid oder Stickstoff nicht lange halten. Ein paar Milliarden Jahre nach seiner Entstehung begann seine Atmosphäre in den Weltraum zu entweichen. Jetzt ist nur noch ein wenig Methan übrig. Mit der Zeit war das Methan – bestehend aus einem Kohlenstoffatom und vier Wasserstoffatomen – der Weltraumstrahlung ausgesetzt und die wandelte es in lange Kohlenwasserstoffketten um, die rötlich erscheinen. Wie Frost, der an einem kalten Morgen eine Wiese bedeckt, liegt das bestrahlte Methan auf Quaoars eisiger Oberfläche und gibt ihr einen rosafarbenen Teint.

Das Spektrum von 2007 OR10 sieht ähnlich wie das von Quaoar aus, was dafür spricht, dass das, was auf Quaoar geschah, auch auf 2007 OR10 passierte. “Diese Kombination – rot und Wasser – sagt mir ‘Methan'”, erklärt Brown. “Im Grunde genommen sehen wir den letzten Atemzug von Snow White. Viereinhalb Milliarden Jahre lang war Snow White dort draußen und verlor langsam seine Atmosphäre und jetzt ist nur noch ein ganz kleines bisschen übrig.”

Obwohl das Spektrum von Snow White deutlich die Anwesenheit von Wassereis zeigt, ist der Beweis für Methan noch nicht definitiv. Um das zu bestätigen, werden die Astronomen ein großes Teleskop wie das am Keck Observatorium benutzen müssen. Falls sich herausstellt, dass Snow White tatsächlich Methan besitzt, wird sich das Objekt zu Quaoar gesellen – als eines von nur zwei Objekten, die die Grenze zwischen der Handvoll Himmelskörper überschreiten, die groß genug sind, um flüchtige Bestandteile zu halten, und den kleineren Körpern, welche die Mehrheit der KBOs ausmachen.

Eine andere Aufgabe, sagt Brown, sei es, dem Objekt einen offiziellen Namen zu geben, weil “Snow White nur ein Spitzname war, den er und seine Kollegen benutzten. Der Spitzname ist aber nicht länger passend, um dieses sehr rote Objekt zu beschreiben. Vor der Entdeckung von Wassereis und möglicherweise Methan genügte der Name der astronomischen Gemeinschaft offenbar, weil der Zwergplanet nicht erwähnenswert genug war, um einen offiziellen Namen zu erhalten. “Wir wussten nicht, dass Snow White interessant war”, sagt Brown. “Jetzt wissen wir, dass er weitere Studien wert ist.”

Weitere Informationen gibt es auf www.mikebrownsplanets.com. Die in den Astrophysical Journal Letters veröffentlichte Abhandlung mit dem Titel “The surface composition of large Kuiper Belt Object 2007 OR10” wurde vom Planetary Astronomy Programm der NASA unterstützt.

Quelle: http://media.caltech.edu/press_releases/13445

(THK)

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