Die versteckte Gefahr von Sauerstoff

Aerosolpartikel. ((c) Christoher Pöhlker/MPI for Chemistry)
Aerosolpartikel. ((c) Christoher Pöhlker/MPI for Chemistry)

Langlebige reaktive Sauerstoff-Zwischenstufen, die sich auf Partikeln in der Atmosphäre entwickeln, könnten erklären, warum mehr und mehr Menschen unter Allergien leiden.

Neue Ergebnisse von Wissenschaftlern des Max Planck Instituts für Chemie und des Paul Scherrer Instituts in der Schweiz helfen dabei, zu erklären, wie toxische und allergieauslösende Substanzen in unserer Luft gebildet werden. Die Forscher haben zum ersten Mal langlebige reaktive Sauerstoff-Zwischenstufen auf der Oberfläche von Aerosolpartikeln gefunden. Diese Sauerstoffformen überleben dort für mehr als 100 Sekunden und in dieser Zeit reagieren sie mit anderen Luftschadstoffen, wie etwa Stickstoffoxiden. Chemisch ausgedrückt, werden die Staubpartikel oxidiert und nitratisiert. Das macht Rußpartikel giftiger und erhöht das Potenzial von Pollen, Allergien auszulösen.

Obwohl Forscher seit Jahren vermutet haben, dass diese Zwischenformen existieren, glaubte man, dass sie innerhalb von Bruchteilen einer Sekunde wieder zerfallen und deswegen nur einen geringen Einfluss auf chemische Prozesse in der Atmosphäre hätten. Die Zwischenstufen des Sauerstoffs bilden sich, wenn Ozon mit Feinstaubpartikeln, wie beispielsweise Ruß, polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen oder Proteinen von Pollen, reagiert.

„Unsere Arbeit löst nicht nur frühere Widersprüche zwischen theoretischen Berechnungen und tatsächlichen Messwerten, sie zeigt auch, dass die Zwischenstufen auch für viele atmosphärische und physiologische Reaktionen verantwortlich sind“, sagte Manabu Shiraiwa, Hauptautor der Studie.

Ulrich Pöschl, Kopf der Aerosol-Untersuchungsgruppe am Max Planck Institut in Mainz, geht noch einen Schritt weiter: „Wir haben im Verdacht, dass der Anstieg von Allergien in industrialisierten Ländern mit diesen Reaktionen in Verbindung steht. Je mehr Ozon und Stickstoffoxide von der Industrie und dem Verkehr ausgestoßen werden, desto öfter werden organische Moleküle wie Birkenpollen nitratisiert und das verwirrt unser Immunsystem.“ Pöschl und seine Kollegen haben Beweise gesammelt, dass diese nitratisierten Proteine in der Tat schwerere allergische Reaktionen auslösen können als die normale Proteinform. Wenn sich diese Hypothese bestätigt, wäre die menschliche Gesundheit einem noch höheren Risiko durch verbrennungsbedingte Emissionen ausgesetzt als bislang gedacht.

Die reaktiven Sauerstoff-Zwischenstufen könnten auch manche der direkten negativen Auswirkungen von Dieselruß und Tabakrauchpartikeln auf die Gesundheit erklären. Die polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe, die auf den Oberflächen dieser Partikel gefunden wurden, reagieren wieder leicht mit Ozon und bilden langlebige reaktive Sauerstoff-Zwischenstufen. Wenn diese Partikel eingeatmet werden, wechselwirken sie sofort mit physiologischen Prozessen in der menschlichen Lunge und anderen Organen.

Die Wissenschaftler denken auch, dass die Sauerstoff-Zwischenstufen indirekte Auswirkungen auf unser Klima haben. Vermutlich sind sie an der Bildung und dem Wachstum von feinen organischen Partikeln aus flüchtigen organischen Substanzen beteiligt, welche durch natürliche und künstliche Quellen freigesetzt werden, etwa Vegetation und industrielle Aktivitäten. Diese Partikel streuen das Sonnenlicht und beeinflussen die Bildung von Wolken und Niederschlag, was wiederum auf die Energiebilanz der Erde und den Wasserkreislauf auswirkt. Um die Menge der reaktiven Sauerstoff-Zwischenstufen in der Atmosphäre und ihre klimatischen Effekte zu bestimmen, werden die in Mainz ansässigen Forscher kinetische Experimente und umfassende Simulationen durchführen. In Zusammenarbeit mit Partnern aus der Biomedizin werden sie auch die physiologischen Effekte von nitratisierten Proteinen untersuchen, welche durch die Reaktion der Sauerstoff-Zwischenstufen mit Stickstoffoxiden entstehen.

Quelle: http://www.mpg.de/1170854/pollen_allergy?filter_order=L

(SOM)

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