
Wenn zwei Galaxien zu einer Riesengalaxie verschmelzen, entwickelt das zentrale supermassive Schwarze Loch in der neuen Galaxie einen unersättlichen Appetit. Allerdings ist dieser Appetit unstillbar.
Beobachtungen mit dem Gemini-Observatorium enthüllen zum ersten Mal einen extremen galaktischen „Outflow“ von großem Ausmaß, der das kosmische Dinner stoppt. Der Outflow bläst die Galaxie in einer negativen Feedbackschleife auseinander und schneidet das monströse Schwarze Loch von dem Nachschub an Gas und Staub ab, den es braucht, um sein frenetisches Wachstum aufrecht zu erhalten. Der Outflow beschränkt auch das für die Galaxie nutzbare Material, um neue Generationen von Sternen hervorzubringen.
Die bahnbrechende Abhandlung ist eine Zusammenarbeit von Sylvain Veilleux (University of Maryland) und David Rupke vom Rhodes College in Tennessee. Die Ergebnisse sollen in der Ausgabe vom 10. März der Astrophysical Journal Letters veröffentlicht werden und wurden mit Untersützung der U.S. National Science Foundation fertiggestellt.
Veilleux zufolge ist Markarian 231 (Mrk 231) – die Galaxie, die mit dem Gemini-Observatorium beobachtet wurde – ein ideales Labor, um die Outflows zu untersuchen, welche durch ein Feedback des supermassiven Schwarzen Lochs erzeugt werden. „Dieses Objekt ist wohl das nächstgelegene und beste Beispiel einer großen Galaxie in den Endphasen einer gewaltsamen Vereinigung, das wir kennen und sie befindet sich in einem Prozess, in dem sie ihren ‚Kokon‘ aufbricht und einen sehr energiereichen zentralen Quasar offenbart. Das ist wirklich ein letztes Aufbäumen der Galaxie, das Schwarze Loch ‚rülpst‘ seine nächsten Mahlzeiten in die Vergessenheit!“ So extrem die Essgewohnheiten von Mrk 231 auch erscheinen, sind sie wahrscheinlich nicht einzigartig, ergänzt Veilleux. „Wenn wir tief in das Universum und die Vergangenheit blicken, sehen wir Quasare wie diesen in großer Anzahl und jeder von ihnen könnte eine Phase durchgemacht haben, wie wir sie jetzt bei Mrk 231 beobachten.“
Obwohl Mrk 231 extrem genau untersucht wurde und bekannt für ihre geraden Jets bekannt ist, haben die Gemini Beobachtungen einen breiten Outflow aufgezeigt, der sich über 8.000 Lichtjahre in alle Richtungen vom Kern der Galaxie erstreckt. Die erhaltenen Daten offenbaren Gas (von Natrium gekennzeichnet, was gelbes Licht absorbiert), das mit Geschwindigkeiten von über 1.000 Kilometern pro Sekunde vom Zentrum der Galaxie wegströmt. Bei dieser Geschwindigkeit würde sich das Gas in vier Sekunden von New York nach Los Angeles bewegen. Dieser Outflow entzieht dem Kern das Gas mit einer ungeheuren Rate – mehr als 2,5 mal höher als die Sternentstehungsrate. Die beobachteten Geschwindigkeiten schließen Sterne als mögliche Ursache für den Outflow aus. Damit bleibt das Schwarze Loch selbst als der wahrscheinlichste Verdächtige und es kann mit Leichtigkeit die enormen Energien produzieren, die benötigt werden.
Die beteiligte Energie ist ausreichend, um Materie von der Galaxie hinweg zu fegen. Allerdings, „wenn wir sagen, dass die Galaxie auseinander geblasen wird, dann beziehen wir uns nur auf das Gas und den Staub in der Galaxie“, stellt Rupke klar. „In diesem Stadium besteht die Galaxie hauptsächlich aus Sternen und der Outflow hat keine Auswirkungen auf sie. Das Grundlegende ist, dass die Feuerwerke von neu entstandenen Sternen und dem Füttern des Schwarzen Lochs zu einem Ende kommen, wahrscheinlich als Resultat dieses Outflows.“
Die Umgebung um solch ein Schwarzes Loch ist allgemein bekannt als ein aktiver galaktischer Kern (active galactic nucleus, AGN) und die extremen Materiemengen, die in die Schwarzen Löcher stürzen, sind die Energiequelle für quasi-stellare Objekte oder Quasare. Verschmelzende Galaxien helfen, das zentrale Schwarze Loch zu füttern und in Gas einzuhüllen. Mrk 231 befindet sich in einer Übergangsphase, in welcher es seine Umgebung reinigt. Möglicherweise wird der AGN inaktiv, wenn er keinen Brennstoff mehr bekommt. Ohne Gas, um neue Sterne zu bilden, wird die Galaxie ebenfalls verhungern und sich in eine Sammlung aus alten und alternden Sternen verwandeln, mit nur wenigen jungen Sternen, die die stellaren Populationen auffrischen. Letztendlich werden die alten Sterne die Galaxie roter erscheinen lassen, was solchen Galaxien den Spitznamen „rot und tot“ einbringt.
Astrophysiker Philip Hopkins von der University of California in Berkeley erklärt, dass viele physikalischen Prozesse, welche nur schnell wachsende Schwarze Löcher betreffen, vermutlich eine Rolle beim Antreiben der von Gemini beobachteten Winde spielen. „An seinem Höhepunkt leuchtet ein Quasar mit so einer Intensität, dass das Licht selbst in einem Kokon aus Gas und Staub ‚gefangen‘ ist und die Materie mit einer Kraft vorandrückt, den den Gravitationszug des Schwarzen Lochs leicht übertreffen kann.“ Hopkins ergänzt, dass das Bad aus Röntgen- und Gammastrahlen, welches von dem Quasar erzeugt wird, auch das Gas im Zentrum der Galaxie erhitzen könnte, bis es ‚überkocht‘ und eine Explosion verursacht. „Aber bis sind wir nicht in der Lage gewesen, ein System ‚auf frischer Tat‘ zu ertappen.“ Hopkins zufolge war ein Teil des Problems, dass die sichtbarsten Outflows von Mrk 231 die schon bekannten geraden Jets sind. Diese Jets sind (wahrscheinlich durch magnetische Felder) in einem extrem engen Strahl gefangen, wohingegen Materie aus allen Richtungen in das Schwarze Loch stürzt. Die schon bekannten Jets verursachen daher nur einen lokal begrenzten Schaden, sie bohren ein kleines Loch in den Kokon, anstatt ihn auf breiterer Front wegzublasen, wie es bei den neuen allumfassenden Outflows gesehen wurde.
Die Beobachtungen für diese Studie wurden mit dem Gemini Multi-Objekt Spektrograph (GMOS) des Gemini-North-Teleskop auf dem Mauna Kea (Hawaii) gemacht. Die Studie benutzte eine leistungsfähige Methode, bekannt als Integrationsfeldspektroskopie. Die Integralfeldeinheit (integral field unit, IFU) des GMOS fertigt ein Spektrum von mehreren Hundert Punkten um den Kern der Galaxie an. Jedes Spektrum wird dann verwendet, um die Geschwindigkeit des Gases in dem Punkt zu bestimmen und repräsentiert die dritte Dimension einem so genannten Datenwürfel.
Markarian 231 ist 600 Millionen Lichtjahre entfernt und liegt in Richtung des Sternbildes Ursa Major (Großer Bär). Obwohl seine Masse noch unklar ist, gehen Schätzungen davon aus, dass Mrk 231 mehr als dreimal so viele Sterne wie die Milchstraße besitzt und sein zentrales Schwarzes Loch wird auf eine Masse von mindestens Zehn Millionen Sonnenmassen geschätzt – oder rund dreimal schwerer als das supermassive Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße.
Quelle: http://newsdesk.umd.edu/scitech/release.cfm?ArticleID=2354
(THK)
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