Neue Erkenntnisse über die starke Wechselwirkung

Pacific Northwest National Laboratories
Pacific Northwest National Laboratories

In einer neuen Studie haben Hochenergie-Physiker zwei lang gesuchte Quantenzustände in der Bottomonium Familie subatomarer Teilchen beobachtet. Die Ergebnisse werden Forschern helfen, eine der vier fundamentalen Kräfte im Universum – die starke Wechselwirkung (auch starke Kraft, starke Kernkraft) – besser zu verstehen, welche die Interaktionen von Materie beeinflusst.

Forscher einer internationalen Gruppe von Hochenergie-Physikern, der Belle Collaboration, beobachtete die hb (ausgesprochen: h-sub-b) Teilchen in Daten des KEK Teilchenbeschleunigers in Tsukuba (Japan). Die Belle Collaboration präsentierte ihre Ergebnisse Anfang März bei der 25. Jährlichen Teilchenphysik-Konferenz in La Thuile (Italien).

“Wir wollen die zugrundeliegende vereinheitlichende Theorie von Allem (Theory of Everything, TOE) verstehen. Ein Teil dieses Ziels ist ein tieferes Verständnis der starken Wechselwirkung”, sagte der Physiker David Asner vom Pacific Northwest National Laboratory, einer Abteilung des Ministeriums für Energie und Mitglied der Belle Collaboration. “Die Untersuchung dieser neuen Zustände wird es uns ermöglichen, Theorien zu testen, die die starke Wechselwirkung beschreiben.”

Monsieur Meson

Die meisten Menschen haben schon von Gravitation und Elektromagnetismus gehört, aber das sind nur zwei der vier Kräfte, die von Physikern untersucht werden. Die Wissenschaftler müssen die zwei anderen erforschen, die so genannten “starken” und “schwachen” Wechselwirkungen oder Kräfte, um ein umfassendes Verständnis des Universums zu erlangen.

Um die starke Wechselwirkung zu studieren, wenden sich die Forscher den Quarks zu – Teilchen, die kleiner als einzelne Bestandteile des Atoms sind. Quarks binden sich aneinander, um Protonen und Neutronen zu bilden, die Komponenten eines Atomkerns. Zusätzlich können sie auch Mesonen bilden, das sind Teilchen, die sich aus Quarks und deren aus Antimaterie bestehenden Antiteilchen aufbauen. Und genau wie der Elektromagnetismus Elektronen an den Atomkern bindet, hält die starke Wechselwirkung die Quarks in einem Proton, einem Neutron oder einem Meson zusammen.

Die Mesonen, die Asner und seine Kollegen untersuchen, bestehen aus Bottom-Quarks – einem von sechs Flavours, die es bei Quarks gibt. In dieser Mesonenfamilie, Bottomonium genannt, rasen ein Bottom-Quark und ein Anti-Bottom-Quark in einem von mehr als einem Dutzend unterschiedlicher Orbits umeinander, manche mit hoher Energie und manche mit niedriger. Jeder Orbit entspricht einem anderen Bottomonium-“Zustand” mit den zwei Quarks aber einer anderen Masse, dank Einsteins Relativitätstheorie.

Mesonen wie die Bottomonium-Familie werden in riesigen Teilchenbeschleunigern wie dem KEK in Japan oder dem Tevatron am Fermi National Accelerator Laboratory in Batavia (Illinois) erzeugt und beobachtet. Im KEK Beschleuniger treffen Elektronen mit hohen Geschwindigkeiten auf ihre Antiteilchen, Positronen. Die Kollisionen erzeugen Bottomonium-Teilchen, die große Mengen Energie enthalten, die dann in Bottomonium-Zustände mit niedriger Energie zerfallen. Es ist ein bisschen so, als würde man das Modell eines Autos identifizieren, indem man das Auto in seine Einzelteile zerschlägt und die Stücke untersucht. Physiker identifizieren und katalogisieren diese Bottomonium-Zustände seit 1977, als Forscher das erste Bottomonium-Teilchen fanden.

Auf der Jagd nach dem Spin

Die Belle Collaboration, bestehend aus 400 Physikern aus 14 Ländern, hat am KEK-B seit über einer Dekade Elektronen und Positronen kollidieren lassen. Asner und seine Kollegen vom PNNL traten der Belle Collaboration zusammen mit Todd Pedlar vom Luther College in Decorah (Iowa) bei und fingen an, zuvor gesammelte Daten zu analysieren und nach einem bestimmten Bottomonium-Zustand zu suchen, einem so genannten Spin Singlet.

Pacific Northwest National Laboratories
Pacific Northwest National Laboratories

Obwohl Physiker es als “Spin” bezeichnen, rotieren die Quarks nicht um ihre Achsen. Stattdessen bezieht sich der Begriff auf Magnetismus. Das Quark und das Anti-Quark sind wie winzige Magneten mit einem Nordpol und einem Südpol. In einem Spin Singlet zeigen die “magnetischen Pole” des Quarks und Antiquarks in die entgegengesetzte Richtung und löschen sich gegenseitig aus. Nur ein Typ Spin Singlet – ηb (eta-sub-b) – wurde bisher von Forschern am SLAC National Accelerator Laboratory im Jahr 2008 beobachtet.

Das Spin Singlet ηb hat die niedrigste Energie aller Bottomonium-Zustände und das Spin Singlet, nach dem Asner und seine Kollegen suchen, hb besitzt eine etwas höhere Energie.

Die Theorie sagt voraus, dass das Spin Singlet hb in den Überresten von einem der energiereichsten Bottomonium-Zustände erscheinen müsste, aber nur bei einem von 100 Zerfallsprozessen des betreffenden Bottomonium-Teilchens. Zusätzlich bringt das Hochenergieteilchen auch andere Teilchen hervor, wenn es in den hb Zustand übergeht, die aber keinen Bezug zu dem gesuchten Teilchen haben. Diese Schrapnelle erzeugen ein Hintergrundrauschen, wenn sie miteinander kollidieren.

Von der Theorie zur Wirklichkeit

Wegen dem seltenen Auftreten von hb und dem starken Hintergrundrauschen musste das Analyseteam große Datenmengen durcharbeiten, um seine Nadel im Heuhaufen zu finden. Das Team umfasste Asners Gruppe und zwei russische Wissenschaftler – Roman Mizuk vom Institute for Theoretical an Experimental Physics in Moskau und Alexander Bondar vom Budker Institute of Nuclear Physics in Novosibirsk.

Das Team fand nicht nur hb, sondern auch ein anderes Bottomonium-Teilchen mit etwas höherer Energie, hb(2P) und bestimmten ihre Massen. Die Kollisionen erzeugten mehr dieser Teilchen als erwartet, was darauf hindeutet, dass hb und hb(2P) durch einen “exotischen” Prozess entstehen. Das heißt einfach, dass sie (noch) nicht sicher sind, wie die Teilchen entstehen.

Die Gruppe beobachtete auch erstmals eine besondere Form von “hyperfine splitting” in einem Bottomonium-Teilchen. Die Bewegung der beiden Quarks umeinander macht das hb Singlet in Bezug zu den durchschnittlichen Massen anderer Bottomonium-Zustände etwas schwerer. Diese kleine Massendifferenz ist bekannt als “hyperfine splitting” und ihre Messung ist die einzige Möglichkeit, die direkte Wechselwirkung zwischen den Quark-Spins zu bestimmen, wenn sie sich in bestimmten Orbits, den P-Wellen, befinden. Dies ist das erste Mal, dass P-Wellen “hyperfine splitting” bei einem Bottomonium beobachtet wurde.

Die schwersten Quarks – wie das Bottom-Quark – liefern einige der präzisesten Messungen der fundamentalen Eigenschaften der starken Wechselwirkung. Die Messergebnisse von Asner und seinen Kollegen stellen einen signifikanten Fortschritt für das Verständnis des Bottomonium-Systems und die Rolle von Spin-Wechselwirkungen in Quark-Antiquark-Systemen dar. Zu verstehen, wie diese Systeme funktionieren, wird ihnen und anderen Wissenschaftlern dabei helfen, die starke Wechselwirkung und ihre Rolle im Universum zu testen.

Quelle: http://www.pnl.gov/news/release.aspx?id=857

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*