Der Hawaiianische Archipel und seine Kette aktiver und erloschener Vulkane wurden lange als geologische Kuriosität angesehen. Während die meisten Vulkane an den Grenzen von sich bewegenden tektonischen Platten entstehen, liegt die Hawaiianische Kette mitten auf der Pazifischen Platte und nicht in der Nähe ihrer Grenzen.
Eine diese Woche in Science veröffentlichte Studie von Forschern des Massachusetts Institute of Technology (MIT) und der Purdue University zeichnet ein unerwartetes Bild von dem, was unter Hawaii vor sich geht. Robert van der Hilst vom MIT und seine Kollegen produzierten hochauflösende Bilder, die Hunderte Kilometer tief unter die Erdoberfläche spähen, indem sie eine neue Bildgebungstechnik benutzten, die auch bei der Erschließung von Öl- und Gasvorkommen angewandt wird.
Sie fanden einen Hotspot – aber nicht dort, wo viele Wissenschaftler ihn vermutet hatten. Stattdessen fand das MIT Team Hinweise auf heiße Mantelaktivität mit einer Ausdehnung von 2.000 Kilometern in einer Tiefe von 600 Kilometern in einer Region, die weit westlich des “Big Island” von Hawaii liegt.
Viele Geologen hatten gedacht, die Hawaiianischen Inseln entstanden durch eine stationäre Plume weißglühenden Materials, das aus dem unteren Mantel der Erde aufsteigt und große Mengen Magma in Form von vulkanischen Eruptionen ausspuckt. Diese Theorie sagt, dass die sich langsam in nordwestliche Richtung bewegende, massive Pazifische Platte neue gebildete Vulkane von dem Hotspot fort trägt, wodurch die heute bekannte Hawaiianische Inselkette entstand.
Der Theorie zufolge liegt das Big Island, der neuste Teil der Kette, direkt über der glühenden Plume. Wissenschaftler haben seit Jahrzehnten versucht, diesen Hotspot zu charakterisieren. Falls eine Plume existiert, so glaubten sie, könnte sie ein Fenster in die tiefen Prozesse der Erde sein und dabei helfen zu bestimmen, wie die Erde Hitze aus ihrem Kern verliert.
“Die logische Schlussfolgerung dieser Arbeit ist, dass es keine einfache, tiefe Plume direkt unter Hawaii gibt”, sagt Van der Hilst, der Cecil and Ida Green Professor of Earth and Planetary Sciences am MIT und Direktor des Earth Resources Laboratory. “Also werden die Lehrbücher über Hawaii umgeschrieben werden müssen.”
Hitzewelle
Das Team entwickelte eine neue Bildgebungstechnik, die tief in die Erde eindringen kann und seismische und mineral-physikalische Daten verwendet, um die Temperatur der Erde in verschiedenen Tiefen zu bestimmen. Extreme Temperaturprofile könnten auf Plumes oder Hotspots hindeuten, erläuterten sie.
Seismische Wellen durchqueren das Erdinnere mit Geschwindigkeiten, die hauptsächlich von der Temperatur beeinflusst werden: Je höher die Temperatur, desto langsamer die Wellen. Jahrelang haben Seismologen seismische Wellen verwendet, um 3-D-Ansichten von der inneren Struktur der Erde zu erzeugen – ähnlich wie CAT Scans. Diese tomografische Technik funktioniert gut in der Nähe von Erdbebenzentren oder unter umfassenden Netzwerken seismografischer Sensoren. Aber Hawaii ist ein Niemandsland, was seismische Daten betrifft, es liegt weit entfernt von jeder tektonischen Hebung und adäquaten Seismografen Netzwerken.
Schematische Darstellung der aktiven Mantelregion westlich von Hawaii (Science / MIT)
Van der Hilst und die Co-Autoren Qin Cao (Student am MIT), Dan Shim (Dozent für Geo-, Atmosphären- und Planetenwissenschaften am MIT) und Maarten de Hoop (Purdue University) kombinierte in einer neuen Technik seismische Daten und Mineralphysik, um die Temperaturen im Erdmantel zu kartieren. Das Team sammelte zunächst alle verfügbaren seismischen Daten vom Incorporated Research Institutions for Seismology Data Management Center in Seattle, das seismische Informationen sammelt und an die Wissenschaftsgemeinschaft verteilt. Das belief sich auf mehr als 100.000 Aufzeichnungen seismischer Wellen von über 5.000 Erdbeben aus den letzten 20 Jahren. Viele der Daten stammten aus dem so genannten “Ring of Fire” (Pazifischer Feuerring), einem ausgedehnten Hufeisen aus seismische und vulkanischer Aktivität, die den gesamten Pazifischen Ozean umgibt.
Das Team modifizierte anschließend eine Technik, die in der Öl- und Gasindustrie in Gebrauch ist. Unternehmen wie Shell und Exxon Mobil erzeugen seismische Schocks und hören sich die zurückprallenden Echos an. Die seismische Reflexion erzeugt eine Karte der darunter liegenden Gesteinsbeschaffenheit und liefert Anhaltspunkte dafür, wo sich Öl- und Gasvorkommen befinden könnten.
Anstelle der Erzeugung von Schocks zog das Team von Van der Hilst Nutzen aus natürlichen Schocks der Erde – Erdbeben – und analysierte seismische Wellen, die von den Gesteinen unter Hawaii reflektiert wurden. Durch die Analyse seismischer Reflexionen bestimmte das Team die mineralische Beschaffenheit in verschiedenen Tiefen und beachtete die Grenzen, an denen sich die Minerale änderten. Sie waren in der Lage, die Temperaturen tief unter Hawaii zu kartieren, weil sie wissen, bei welchen Druck- und Temperaturverhältnissen solche Grenzstrukturen in Laborsimulationen auftreten.
Seismische Veränderung
Cao, der leitende Autor der Studie, entwickelte einen Algorithmus, der die enormen Mengen seismischer Daten in Temperaturkarten des Erdinneren umrechnete und den neu entdeckten Hotspot westlich von Hawaii enthüllte. Van der Hilst sagt, die Entdeckung dieser 2.000 Kilometer breiten Anomalie widerlege die populäre Theorie einer schmalen röhrenartigen Plume, die von der Kern-Mantel-Grenze direkt bis Hawaii aufsteigt – ein Ergebnis, das seiner Meinung nach die geodynamischen und geochemischen Gemeinschaften erschüttern wird, welche die Mantelkonvektion untersuchen.
Yang Shen, ein Professor für Seismologie und marine Geophysik an der University of Rhode Island, sagt, dass die neue Bildgebungstechnik deutlich besser aufgelöste Bilder des Erdmantels liefere als vorherige Verfahren und das konventionelle Wissen über die Hotspots Hawaiis verändern könnten.
“Die Beobachtung ist verblüffend, weil sie nicht schön in das aktuelle Plume-Modell passt”, sagt Shen. “Deswegen glaube ich, dass die Studie uns dazu zwingen wird, Mantel-Plumes und Konvektion neu zu überdenken.”
Cao verfeinert derzeit den Kartierungsalgorithmus und plant, ihn in den nächsten Monaten für andere Wissenschaftler zugänglich zu machen. Van der Hilst sagt, wenn Länder in den kommenden Jahren mehr Erdbeben-Sensoren aufstellen, werde die neue Bildgebungstechnik den Seismologen erlauben, Aufnahmen von Prozessen im Erdinneren mit höheren Auflösungen darzustellen.
“Ich denke, dass dies die Technik der Zukunft sein könnte”, sagt Van der Hilst. “Die Empfängernetzwerke bersten und in den nächsten fünf bis zehn Jahren können wir wahrscheinlich noch spektakulärere Dinge tun.”
Quelle: http://web.mit.edu/newsoffice/2011/hawaii-hotspot-0527.html
(THK)
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