
Wissenschaftler entdecken, dass das vererbte Zusatzchromosom beim Down-Syndrom die Lern- und Gedächtnisleistung beeinträchtigt, weil es zu niedrigen Werten des Proteins SNX27 im Gehirn führt.
Was hat es mit dem zusätzlichen Chromosom 21 auf sich, das beim Down-Syndrom vererbt wird und das die Entwicklung von Gehirn und Körper verändert? Wissenschaftler haben einen neuen Hinweis, der auf ein Protein namens “Sorting Nexin 27” oder kurz SNX27 deutet. Die Produktion von SNX27 wird durch ein Molekül gehemmt, das auf Chromosom 21 enkodiert wird. Die Studie, die am 24. März 2013 im Journal Nature Medicine veröffentlicht wurde, zeigt auf, dass SNX27 in menschlichen Gehirnen mit Down-Syndrom verringert ist. Die Zusatzkopie von Chromosom 21 bewirkt bei Menschen mit Down-Syndrom eine niedrigere Produktion des Proteins SNX27, was wiederum die Gehirnfunktion stört. Und außerdem legten die Forscher dar, dass eine Wiederherstellung von SNX27 bei Mäusen mit Down-Syndrom deren kognitive Funktionen und ihr Verhalten verbessert.
“Im Gehirn versorgt SNX27 bestimmte Rezeptoren auf der Zelloberfläche – Rezeptoren, die notwendig dafür sind, dass Neuronen ordnungsgemäß ‘zünden’ können”, so Dr. Huaxi Xu, Professor am Sanford-Burnham Medical Research Institute und leitender Autor der Studie. “Deshalb denken wir, dass beim Down-Syndrom ein Mangel an SNX27 zumindest teilweise die Ursache für Schäden in der Entwicklung und der kognitiven Fähigkeiten ist.”
Die Rolle von SNX27 bei der Gehirnfunktion
Xu und seine Kollegen begannen mit Mäusen zu arbeiten, denen eine Kopie des SNX27 (produzierenden) Gens fehlte. Sie bemerkten, dass die Mäuse beinahe normal waren, jedoch einige signifikante Mängel beim Lernen und Gedächtnis aufwiesen. Also forschte das Team nach, um herauszufinden, warum SNX27 diese Auswirkungen hat. Sie fanden heraus, dass SNX27 dabei hilft, Glutamatrezeptoren auf der Zelloberfläche von Neuronen zu versorgen. Neuronen benötigen diese Glutamatrezeptoren, um ordnungsgemäß zu funktionieren. Mit weniger SNX27 hatten diese Mäuse auch weniger aktive Glutamatrezeptoren und dies beeinträchtigte ihr Gedächtnis und die Lernfähigkeit.
Die SNX27-Werte sind beim Down-Syndrom niedrig
Das war der Denkanstoß für das Team, auch über das Down-Syndrom nachzudenken. Die Mäuse mit SNX27-Mangel hatten einige charakteristische Gemeinsamkeiten mit dem Down-Syndrom, deshalb untersuchten die Wissenschaftler auch menschliche Gehirne mit dieser Krankheit. Dies bestätigte die klinische Signifikanz ihrer Laborergebnisse: Menschen mit Down-Syndrom haben ebenfalls bedeutend niedrigere Werte von SNX27.
Dann fragten sich Xu und seine Kollegen, wie das Down-Syndrom und niedriges SNX27 zusammengehören: Könnte das zusätzliche Chromosom 21 etwas enkodieren, das die SNX27-Werte beeinflusst? Sie verdächtigten microRNAs, winzige Stückchen genetischen Materials, das nicht zum Code des Proteins gehört, aber stattdessen die Produktion anderer Gene beeinflusst. Es stellte sich heraus, dass Chromosom 21 eine bestimmte microRNA namens miR-155 enkodiert. Bei menschlichen Gehirnen mit Down-Syndrom korreliert die Zunahme von miR-155 beinahe perfekt mit der Abnahme von SNX27.
Xu und sein Team schlossen daraus, dass die Gehirne von Menschen mit Down-Syndrom wegen der zusätzlichen Kopie von Chromosom 21 zusätzliches miR-155 produzieren, was indirekt dann die Werte von SNX27 verringert und infolgedessen eine Abnahme der Glutamatrezeptoren bedingt. Durch diesen Mechanismus werden Lernen, Gedächtnis und Verhalten beeinflusst.
Wiederherstellung der SNX27-Funktion rettet Mäuse mit Down-Syndrom
Wenn Menschen mit Down-Syndrom nur zu viel miR-155 oder nicht genügend SNX27 haben, könnte das behoben werden? Das Team erforschte diese Möglichkeit. Sie verwendeten ein nicht-infektiöses Virus als Transportmöglichkeit, um frisches menschliches SNX27 in die Gehirne von Mäusen mit Down-Syndrom zu bringen.
“Nach der Behandlung mit SNX27 wurde alles wieder normal. Es war faszinierend – zuerst sahen wir, wie die Glutamatrezeptoren wieder erschienen und dann reparierten sich auch die Gedächtnisdefizite bei unseren Down-Syndrom-Mäusen”, sagte Xin Wang, Doktorand in Xus Labor und Autor der Studie. “Leider ist eine solche Art von Gentherapie bei Menschen noch nie gelungen. Deswegen untersuchen wir nun kleine Moleküle, um welche zu finden, die vielleicht die Produktion von SNX27 oder der Gehirnfunktionen steigern könnten.”
Quelle: http://beaker.sanfordburnham.org/2013/03/molecular-roots-down-syndrome/
(SOM)
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