Ingenieure ergründen, woher das Pfeifen eines Teekessels kommt

Ein pfeifender Teekessel. (Image Dwayne Bent (Att-SA) / Kaitlin Foley via Flickr / Creative Commons CC BY-NC-SA 3.0)
Ein pfeifender Teekessel. (Image Dwayne Bent (Att-SA) / Kaitlin Foley via Flickr / Creative Commons CC BY-NC-SA 3.0)

Forscher haben endlich herausgefunden, woher das Geräusch kommt, das einen Teekessel pfeifen lässt – ein Problem, das Wissenschaftlern seit über 100 Jahren Kopfzerbrechen bereitet hat. Für Manche mag es überraschend sein, aber in all den Jahren seit Menschen Tee kochen, war niemand in der Lage festzustellen, warum Teekessel pfeifen. Im Grunde genommen sind die Ursachen natürlich ziemlich klar, aber die physikalische Quelle des Geräuschs und der genaue Grund für den Pfeifton blieben beide im Dunkeln.

Im Dunkeln – das heißt, bis jetzt. In der Oktober-Ausgabe des akademischen Journals The Physics of Fluids schreiben zwei Forscher der University of Cambridge, dass sie das Rätsel gelöst und dabei das erste exakte Modell für den Pfeifmechanismus in typischen Teekesseln entwickelt haben. Zur Beruhigung für Diejenigen, die das nie als wichtiges Problem angesehen haben: Die Folgen reichen bis weit jenseits der Teekessel selbst. Mit den Erkenntnissen aus der Studie könnten Forscher möglicherweise ähnliche, aber viel irritierende Pfeiftöne isolieren und stoppen – beispielsweise das Geräusch, wenn Luft in die Hausinstallationen eindringt oder das Geräusch beschädigter Auspuffanlagen von Autos.

„Der von uns identifizierte Effekt kann in vielerlei Situationen auftreten – überall dort, wo die Struktur einen Luftstrom enthält, der jenem in der Dampfpfeife eines Teekessels gleicht“, erklärte Ross Henrywood vom Department of Engineering an der University of Cambridge, der leitende Autor der Studie. „Rohrleitungen in einem Gebäude sind ein klassisches Beispiel und ähnliche Effekte sind von beschädigten Auspuffanlagen an Fahrzeugen bekannt. Wenn wir erst einmal wissen, woher das Pfeifen kommt und wodurch es erzeugt wird, können wir es möglicherweise verhindern.“

Henrywood führte die Forschung für sein Vierjahresprojekt als Teil seines Ingenieursstudiums durch. Dr. Anurag Agarwal, ein Dozent für Aeroakustik, beaufsichtigte die Arbeit als Betreuer. Die beiden Forscher stützten sich auf vorherige Arbeiten von Agarwal, in denen die Quelle der Geräusche von Flugzeugturbinen identifiziert wurde, und konnten zeigen, wie innerhalb eines Kessels Geräusche erzeugt werden, wenn der Dampfstrom nach oben gelangt. Nach der Identifizierung der Geräuschquelle selbst waren sie in der Lage, zwei separate Mechanismen zu bestimmen, die nicht nur das Geräusch erzeugen, sondern einen Kessel pfeifen lassen, anstatt ein sausendes Geräusch zu produzieren, welches ein Luftstrom in anderen Geräten macht, etwa einem Haartrockner.

Eine Dampfpfeife besteht aus zwei Platten, die nahe beieinander positioniert sind und einen Hohlraum bilden. Beide Platten haben ein Loch in der Mitte, das den Dampf passieren lässt. Obwohl man weiß, dass das Geräusch eines Kessels durch Vibrationen aus dem Aufstauen des Dampfes erzeugt wird, der zu entweichen versucht, versuchen Wissenschaftler seit Jahrzehnten zu verstehen, was an diesem Prozess die Geräusche produziert.

Im 19. Jahrhundert versuchte John William Strutt, 3rd Baron Rayleigh und Autor des grundlegenden Textes „The Theory Of Sound“, dies zu erklären. Am Ende gab er eine Erklärung, die von Henrywood und Agarwal als fehlerhaft widerlegt wurde. Lord Rayleigh war gezwungen zu einzuräumen, dass „Vieles, was die Art und Weise betrifft, wie die Vibrationen erzeugt werden, im Dunkeln bleibt“.

Henrywood und Agarwal begannen mit einer Reihe vereinfachter Dampfpfeifen, die sie in einem Prüfstand testeten, wobei Luft mit verschiedenen Geschwindigkeiten durch sie hindurch gepresst und das von ihnen erzeugte Geräusch aufgenommen wurde. Das ermöglichte den Forschern, die Frequenz und Amplitude des Geräuschs aufzuzeichnen. Anschließend verwendeten sie die Daten für eine dimensionslose Analyse – eine Reihe von Berechnungen mit Zahlen ohne Einheiten, wodurch sie Trends in den Daten feststellen konnten. Zum Schluss benutzten sie eine Technik mit zwei Mikrofonen, um die Frequenz innerhalb des Kessels zu bestimmen.

Diese schematische Darstellung zeigt den Mechanismus, der das Pfeifen eines Teekessels erzeugt. (R. Henrywood)
Diese schematische Darstellung zeigt den Mechanismus, der das Pfeifen eines Teekessels erzeugt. (R. Henrywood)

Ihre Ergebnisse zeigten, dass das Geräusch selbst von kleinen Wirbeln – Regionen aus wirbelnden Luftströmen – erzeugt wird, die bei bestimmten Frequenzen Geräusche produzieren können. Wenn Dampf in dem Kessel nach oben steigt, trifft er auf ein Loch am Eingang zur Dampfpfeife, das viel schmaler ist als der Kessel selbst. Das komprimiert den Dampfstrom, wenn er in die Dampfpfeife eintritt und erzeugt einen Dampfstrahl. Der Dampfstrahl ist natürlicherweise instabil, so wie der Wasserstrahl eines Gartenschlauchs, der nach einer gewissen Distanz in Tropfen zerfällt. Als Folge davon ist der Dampfstrahl keine komplette Säule mehr, wenn er das Ende der Dampfpfeife erreicht, sondern er ist dann etwas gestört.

Diese Instabilitäten können nicht perfekt aus der Dampfpfeife entweichen und wenn sie auf die zweite Platte treffen, erzeugen sie einen leichten Druck. Der Druckimpuls lässt den Dampf Wirbel bilden, wenn er die Dampfpfeife verlässt. Die Wirbel produzieren Schallwellen, welche den beruhigenden Ton hervorbringen, der eine baldige Tasse Tee ankündigt. Henrywood und Agarwal erklären auch, warum dieser Effekt ein Pfeifen und kein anderes Geräusch erzeugt, indem sie demonstrieren, dass der Mechanismus dem in einer Orgelpfeife oder Flöte ähnelt. Unter den Schallwellen dominiert eine bestimmte Frequenz, weil die Tonhöhe durch die Größe und Form der Öffnung, sowie die Länge des Ausgießers bestimmt wird. Je länger der Ausgießer, desto niedriger wird die Tonhöhe sein.

Die Wissenschaftler fanden aber auch heraus, dass Kessel unterhalb der Durchflussrate pfeifen werden, bei der die Wirbel auftreten. Sie fanden einen völlig anderen Mechanismus, der ebenfalls ein Geräusch erzeugt, gerade wenn das Wasser zu kochen beginnt. Der Unterschied war, dass der Ton in diesem Stadium auf eine Frequenz beschränkt war. „Die fixe Frequenz war verblüffend und nichts, was wir zu sehen erwartet hatten“, sagte Henrywood. „Wir haben letztendlich nachgewiesen, dass sich die Dampfpfeife unterhalb einer bestimmten Durchflussrate wie ein Helmholtz-Resonator verhält. Derselbe Mechanismus lässt einen Ton erklingen, wenn man über die Öffnung einer leeren Flasche pustet.“ Wenn die Luft über den offenen Hals einer Flasche strömt, erzeugt der Mechanismus des Helmholtz-Resonators einen Klang, der von dem Flaschenhals ausgeht. Die Luft innerhalb des Flaschenhalses bewegt sich auf und ab – die Luft in dem Flaschenkörper wird jedes Mal zusammengedrückt und losgelassen wie eine Feder.

Bei dem Kessel ist die Feder die Luft innerhalb der Dampfpfeife, während die Luft in ihrer Öffnung vibriert wie die Luft im Hals einer Flasche. „In einem Kessel wird die Luft natürlich durch den Hals gepustet und nicht darüber hinweg – der Effekt ist vergleichbar mit dem Pfeifen durch die Lippen“, ergänzte Henrywood. „In manchen Kesseln laufen beide Mechanismen ab. Weil unsere Studie uns erlaubt, diese Mechanismen in Aktion zu sehen, können wir eventuell Modifikationen vornehmen, um das Geräusch zu stoppen – wenn wir wollen.“

Henrywood und Agarwal arbeiten jetzt an einem Projekt, um leisere Hochgeschwindigkeits-Handtrockner zu entwickeln, indem sie sich anschauen, wie der von diesen Geräten freigesetzte Luftstrom Geräusche produziert. Ihre Abhandlung „The Aeroacoustics Of A Steam Kettle“ erscheint in der Oktober-Ausgabe von The Physics of Fluids.

Quelle: http://www.cam.ac.uk/research/news/how-the-kettle-got-its-whistle

(THK)

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