Ein beispielloser Einblick in das Doppelsternsystem Eta Carinae

In den 1840er Jahren beobachtete man im Doppelsternsystem Eta Carinae eine starke Eruption, die den hier abgebildeten Homunkulusnebel erschuf. (NASA, ESA, and the Hubble SM4 ERO Team)
In den 1840er Jahren beobachtete man im Doppelsternsystem Eta Carinae eine starke Eruption, die den hier abgebildeten Homunkulusnebel erschuf. (NASA, ESA, and the Hubble SM4 ERO Team)

Eta Carinae, das leuchtkräftigste und massereichste Sternsystem im Umkreis von 10.000 Lichtjahren um die Erde, ist für sein überraschendes Verhalten bekannt und eruptierte im 19. Jahrhundert zweimal aus Gründen, die Wissenschaftler immer noch nicht verstehen. Eine Langzeitstudie unter Leitung von Astronomen des Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) verwendete NASA-Satelliten, bodengestützte Teleskope und theoretische Modelle, um den bislang umfangreichsten Einblick in Eta Carinae zu gewinnen. Die neuen Ergebnisse umfassen Bilder des Weltraumteleskops Hubble, auf denen Jahrzehnte alte Hüllen aus ionisiertem Gas zu sehen sind, die sich mit 1,6 Millionen Kilometern pro Stunde von dem Stern entfernen. Neue 3D-Modelle enthüllen nie zuvor gesehene Merkmale der stellaren Interaktionen in Eta Carinae.

“Wir nähern uns dem Wissen, um den aktuellen Zustand und die komplexe Umgebung dieses bemerkenswerten Objekts zu verstehen, aber wir haben noch einen langen Weg vor uns, bis wir die vergangenen Eruptionen Eta Carinaes erklären oder sein zukünftiges Verhalten vorhersagen können”, sagte der Astrophysiker Ted Gull vom Goddard Space Flight Center. Gull koordiniert eine Forschungsgruppe, die den Stern über ein Jahrzehnt lang beobachtet hat.

Eta Carinae liegt etwa 7.500 Lichtjahre entfernt im südlichen Sternbild Carina (Kiel des Schiffs) und besteht aus zwei massereichen Sternen, deren exzentrische Umlaufbahnen sie alle 5,5 Jahre ungewöhnlich nahe bringen. Beide Sterne produzieren starke Gasabströmungen – sogenannte Sternwinde -, welche die Sterne einhüllen und Bemühungen zur direkten Messung ihrer Eigenschaften verhindern. Astronomen haben geschätzt, dass der hellere, kühlere Hauptstern etwa 90 Sonnenmassen besitzt und die Leuchtkraft der Sonne um das Fünfmillionenfache übertrifft. Die Eigenschaften seines kleineren, heißeren Begleiters sind umstrittener. Gull und seine Kollegen denken, dass der Stern rund 30 Sonnenmassen aufweist und eine Million mal heller als die Sonne leuchtet.

Die Goddard-Forscher sprachen am 7. Januar 2015 im Rahmen einer Pressekonferenz auf dem Treffen der American Astronomical Society in Seattle und diskutieren die kürzlichen Beobachtungen von Eta Carinae und wie sie mit dem aktuellen Wissensstand der Gruppe zusammenpassen.

Bei der geringsten Annäherung, dem Periastron, sind die Sterne 225 Millionen Kilometer voneinander entfernt – das ist ungefähr die durchschnittliche Distanz zwischen Sonne und Mars. In den Monaten vor und nach dem Periastron beobachten Astronomen dramatische Veränderungen in dem System. Dazu gehören Röntgenausbrüche, denen ein plötzlicher Abfall und schließlich die Wiedererstarkung der Röntgenemission folgen. Auch das Verschwinden und das Wiederauftauchen von Strukturen in der Nähe der Sterne in bestimmten sichtbaren Wellenlängen zählen dazu. Wenn der kleinere Stern um den Hauptstern herumschwingt, wird sogar ein Licht- und Schattenspiel beobachtet.

Die vergangenen elf Jahre umfassten drei Periastron-Passagen, und die Goddard-Gruppe hat ein Modell entwickelt, das auf den Routinebeobachtungen der Sterne mit bodengestützten Teleskopen und mehreren NASA-Satelliten basiert. “Wir nutzten frühere Beobachtungen, um eine Computersimulation zu konstruieren, die uns half vorherzusagen, was wir während des nächsten Zyklus sehen würden. Dann gaben wir neue Beobachtungen in das Modell ein, um es weiter zu verfeinern”, sagte Thomas Madura, ein Stipendiat am Goddard Space Flight Center und Theoretiker des Eta-Carinae-Teams.

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Video-Link: https://youtu.be/O5J2yChEj-4

Computersimulation der Interaktionen zwischen den Sternwinden der beiden Sterne in Eta Carinae. (NASA / Goddard Space Flight Center)

Diesem Modell zufolge sind die Interaktionen der beiden Sternwinde für viele der von dem Team beobachteten periodischen Veränderungen verantwortlich. Die Winde der beiden Sterne haben ausgesprochen unterschiedliche Eigenschaften: Sie sind dicht und langsam bei dem Hauptstern, und bei dem heißeren Begleiter sind sie dünn und schnell. Die Winde des Hauptsterns wehen mit fast 1,6 Millionen Kilometern pro Stunde und sind besonders dicht, weshalb sie in tausend Jahren das Massenäquivalent unserer Sonne wegblasen. Im Gegensatz dazu tragen die Winde des Begleitsterns rund 100 Mal weniger Materie weg als die Winde des Hauptsterns. Aber dafür bewegen sie sich sechsmal schneller nach außen.

Maduras Simulationen wurden mit dem Pleiades-Supercomputer am Ames Research Center der NASA in Moffet Field (Kalifornien) durchgeführt. Sie enthüllen die Komplexität der Wind-Interaktionen. Wenn sich der Begleitstern rasch um den Hauptstern bewegt, schneiden seine schnelleren Winde eine spiralförmige Aushöhlung in die dichteren Winde des größeren Sterns. Um diese Interaktion besser zu visualisieren, konvertierte Madura die Computersimulationen in digitale 3D-Modelle und erstellte mit einem handelsüblichen 3D-Drucker feste Versionen. Dieser Prozess offenbarte längliche, dornähnliche Fortsätze in dem Gasstrom entlang der Ränder der Aushöhlung – Strukturen, die bisher nicht bemerkt wurden.

3D-Modelle der Simulation, erstellt mit einem 3D-Drucker. (NASA / Goddard Space Flight Center)
3D-Modelle der Simulation, erstellt mit einem 3D-Drucker. (NASA / Goddard Space Flight Center)

“Wir denken, dass diese Strukturen real sind und dass sie in den Monaten um das Periastron als Folge von Instabilitäten in dem Gasstrom entstehen”, sagte Madura. “Ich wollte 3D-Drucke der Simulationen machen, um sie besser zu visualisieren, was sich als weit mehr erfolgreich erwies, als ich mir vorgestellt hatte.” Eine Abhandlung, die diese Forschungsarbeit detailliert beschreibt, wurde an das Journal Monthly Notices of the Royal Astronomical Society geschickt.

Das Team beschreibt ausführlich ein paar entscheidende Beobachtungen, die einige der inneren Abläufe in dem System offenbaren. Bei den letzten drei Periastron-Passagen überwachten bodengestützte Teleskope in Brasilien, Australien und Neuseeland eine einzige Wellenlänge blauen Lichts, die von Heliumatomen emittiert wird, welche ein einzelnes Elektron verloren haben. Laut dem Modell zeichnen die Helium-Emissionen die Bedingungen in den Winden des Hauptsterns nach. Der Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS) an Bord des Hubble-Teleskops fängt eine andere blaue Wellenlänge auf. Sie wird von Eisenatomen emittiert, die zwei Elektronen verloren haben – das enthüllt, wo Gas des Hauptsterns durch das energiereiche ultraviolette Licht seines Begleiters zum Leuchten angeregt wird. Und Röntgenstrahlung aus dem System gibt Informationen direkt aus der Kollisionszone der Winde preis, wo die gegeneinander gerichteten Winde Schockwellen erzeugen, die das Gas auf hunderte Millionen Grad Celsius aufheizen.

“Veränderungen in den Röntgenemissionen sind eine direkte Probe aus der Kollisionszone und spiegeln Veränderungen dessen wider, wie diese Sterne Masse verlieren”, sagte Michael Corcoran, ein Astrophysiker der Universities Space Research Association in Columbia (Maryland). Er und seine Kollegen verglichen die Emissionen während des Periastron, die in den letzten 20 Jahren mit dem Rossi X-ray Timing Explorer der NASA (2012 außer Betrieb gegangen) und dem Swift-Satelliten gemessen wurden. Im Juli 2014, als sich die Sterne einander annäherten, beobachtete Swift eine Reihe von Ausbrüchen, welche in der stärksten Eruption gipfelte, die bislang von Eta Carinae beobachtet wurde. Das spricht für eine Veränderung der Massenverlustrate bei einem der beiden Sterne, aber die Röntgenstrahlen allein können nicht bestimmen von welchem.

Mairan Teodoro vom Goddard Space Flight Center leitete die bodenbasierte Kampagne, welche die Helium-Emissionen verfolgte. “Die Emission von 2014 ist fast identisch mit dem, was wir bei dem vorangegangenen Periastron im Jahr 2009 sahen. Das lässt darauf schließen, dass die Winde des Hauptsterns konstant waren und dass die Winde des Begleiters für die Röntgenausbrüche verantwortlich sind”, erklärte er.

Nachdem NASA-Astronauten im Jahr 2009 das STIS-Instrument des Hubble-Teleskops repariert hatten, fragten Gull und seine Mitarbeiter an, um es für die Beobachtung von Eta Carinae zu nutzen. Indem es das Licht der Sterne in ein regenbogenähnliches Spektrum aufteilt, enthüllt das STIS die chemische Zusammensetzung ihrer Umgebung. Aber das Spektrum zeigte auch hauchzarte Strukturen in der Nähe der Sterne, die darauf hindeuteten, dass das Instrument verwendet werden konnte, um eine Region nahe des Doppelsternsystems in beispiellosen Einzelheiten zu kartieren.

Das STIS beobachtet seine Ziele durch einen einzigen schmalen Spalt, um eine Kontamination durch andere Quellen zu begrenzen. Seit Dezember 2010 hat Gulls Team regelmäßig eine Region mit dem Doppelsternsystem als Zentrum kartiert, wobei die Forscher Spektren von 41 verschiedenen Positionen erstellten. Das ist mit der Erstellung einer Panoramaaufnahme aus einer Reihe Schnappschüsse vergleichbar. Die Ansicht umfasst etwa 670 Milliarden Kilometer, also ungefähr das 4.600-fache der durchschnittlichen Distanz zwischen Sonne und Erde.

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Video-Link: https://youtu.be/ONISzs0Q9Qk

Dieses Video veranschaulicht die Interaktionen der Sternwinde zur Zeit des Periastron. Die Sternwinde des größeren Sterns sind in grau dargestellt, die Sternwinde des kleineren, heißeren Sterns in gold. (NASA Goddard CI Lab)

Die resultierenden Bilder wurden am 7. Januar 2014 erstmals präsentiert und zeigen, dass die zweifach ionisierten Eisen-Emissionen aus einer komplexen Gasstruktur von fast einem Zehntel Lichtjahr Durchmesser stammen, die Gull mit Maryland-Blaukrabben vergleicht. Das schrittweise Sichten der STIS-Bilder zeigt ausgedehnte Gashüllen, welche die “Scheren” der Krabbe repräsentieren und mit gemessenen Geschwindigkeiten von rund 1,6 Millionen Kilometern pro Stunde von den Sternen wegströmen. Mit jeder engen Annäherung bildet sich in den Winden des größeren Sterns eine spiralförmige Aushöhlung und breitet sich dann mit ihnen nach außen aus, was die sich bewegenden Hüllen erschafft.

“Diese Gashüllen erstrecken sich über mehr als das Tausendfache der Distanz zwischen Sonne und Erde”, erläuterte Gull. “Wenn wir sie zurückverfolgen, erkennt man, dass die Hüllen vor etwa elf Jahren oder drei Periastron-Passagen begannen, sich von dem Stern zu entfernen. Das gibt uns eine weitere Möglichkeit zu untersuchen, was in der jüngeren Vergangenheit geschah.”

Veränderungen der Röntgenhelligkeit von Eta Carinae während der Periastra in den Jahren 1998, 2003, 2009 und 2014. (NASA / Goddard Space Flight Center / M. Corcoran)
Veränderungen der Röntgenhelligkeit von Eta Carinae während der Periastra in den Jahren 1998, 2003, 2009 und 2014. (NASA / Goddard Space Flight Center / M. Corcoran)

Wenn sich die Sterne einander nähern, wird der Begleiter von dem dichtesten Bereich der Sternwinde des Hauptsterns eingehüllt. Dadurch wird sein UV-Licht absorbiert, und die Strahlung wird daran hindert, die entfernten Gashüllen zu erreichen. Ohne diese Energie, die das zweifach ionisierte Eisen anregt, beendet es das Abstrahlen von Licht und die Krabbenstruktur verschwindet in dieser Wellenlänge. Wenn der Begleiter um den Hauptstern herum gewandert ist und die dichtesten Winde aufgelöst hat, entkommt sein UV-Licht wieder und regt die Eisenatome in den Hüllen wieder an – dann kehrt die Krabbenstruktur zurück.

Die beiden massereichen Sterne des Eta-Carinae-Systems könnten ihre Leben eines Tages in einer Supernova-Explosion beenden. Bei Sternen ist die Masse ihr Schicksal, und was ihr endgültiges Schicksal bestimmen wird, ist die Frage, wie viel Materie sie durch Sternwinde oder derzeit unerklärliche Eruptionen verlieren können, bevor sie ihren Brennstoff verbrauchen und unter ihrem eigenen Gewicht kollabieren.

Im Moment, so sagen die Forscher, gebe es keinen Hinweis darauf, den baldigen Untergang der Sterne zu vermuten. Die Wissenschaftler sichten den umfangreichen Datensatz von der Periastron-Passage des Jahres 2014, um neue Vorhersagen zu treffen, die dann überprüft werden, wenn sich die Sterne im Februar 2020 wieder einander nähern.

Die NASA erforscht unser Sonnensystem und das Universum, um es und unseren Platz in ihm besser zu verstehen. Die Agentur versucht, die Geheimnisse unseres Universums, seinen Ursprung und seine Entwicklung zu entschlüsseln und sucht nach Leben inmitten der Sterne.

Quelle: http://www.nasa.gov/content/goddard/nasa-observatories-take-an-unprecedented-look-into-superstar-eta-carinae/

(THK)

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