Über die Integrität von (Hobby-) Astrofotografen

Der Gasriese Jupiter am 6. April 2015, erstellt aus einem Video mit 2.362 Einzelbildern. (astropage.eu)
Der Gasriese Jupiter am 6. April 2015, erstellt aus einem Video mit 2.362 Einzelbildern. (astropage.eu)

Die Fotografie im Allgemeinen ist ein interessantes und vielschichtiges Hobby – die Astrofotografie im Besonderen wird gerne als die Königsdisziplin bezeichnet. Ein Grund für diese Sonderstellung könnte sein, dass Astrofotografen – im Gegensatz zu Tageslichtfotografen – jedes Photon brauchen können, um es mal etwas überspitzt zu sagen. Dementsprechend ist die Astrofotografie mit sehr viel Aufwand verbunden, sowohl was die Technik und Aufnahme der Rohdaten selbst angeht, als auch hinsichtlich der Bildbearbeitung.

Erfahrene Astrofotografen verbringen nicht selten länger mit der Bildbearbeitung als mit der Aufnahme der Rohdaten. Im Prinzip gilt das für jeden Bereich der Astrofotografie, angefangen beim Mond und den Planeten bis hin zu Deepsky-Objekten wie Galaxien oder Nebeln. Daran ist auch nichts verwerflich, denn das Rohmaterial und die darin enthaltenen Daten sind real, auch wenn das menschliche Auge sie nicht sofort so wahrnehmen kann, wie sie nach der fertigen Bearbeitung aussehen.

Im Bereich der Mond- und Planetenfotografie arbeitet man gerne mit speziellen Kameras, die ein Video des Objekts aufnehmen. Die Videos können aus bis zu 100 Einzelbildern pro Sekunde bestehen, so dass man unter Umständen viele tausend Einzelbilder als Rohdaten zur Verfügung hat. Einzelaufnahmen mit handelsüblichen digitalen Spiegelreflexkameras haben den Nachteil, dass sie die Luftunruhe im Moment der Aufnahme mit einfangen. Nun, das ist auch bei den spezialisierten Videokameras der Fall – aber eben mit bis zu 100 Bildern pro Sekunde. Per Software werden die Videos analysiert und verarbeitet, wodurch sich die Luftunruhe, das berüchtigte atmosphärisch bedingte Wabern, mehr oder weniger gut herausmitteln lässt. Das Ergebnis ist ein deutlich schärferes Bild, als es in den Rohdatenvideos zu sehen ist.

Die Bearbeitung der Rohdaten stellt in gewisser Weise auch immer eine Gratwanderung dar, weil der subjektive Eindruck jedes Betrachters ebenfalls eine Rolle spielt. Auf der einen Seite gibt es Puristen, die eine möglichst geringe Bearbeitung vorziehen, auf der anderen Seite stehen die Perfektionisten – dazwischen gibt es einen nahtlosen Übergang. Allen gemein ist aber die Ansicht, dass klassische Fotomontagen, die nicht als solche gekennzeichnet wurden, ein absolutes Nogo darstellen.

Der Traum eines jeden Astrofotografen ist wohl, dass eines seiner Bilder für das „APOD“ ausgewählt wird – das Astronomy Picture of the Day. Dabei handelt es sich um eine von der NASA gehostete Seite, auf der täglich herausragende oder außergewöhnliche Astrobilder veröffentlicht werden – auch jene von Amateur- und Hobby-Astrofotografen. Viele sehen eine Veröffentlichung dort quasi als eine Art Ritterschlag in der Astrofotografieszene an, auch wenn das Renommee der Seite mittlerweile ein paar Kratzer aufweist.

Genau das ist einem jungen Astrofotografen aus Deutschland nun gelungen. Er hielt mit seinem Equipment einen Transit der Internationalen Raumstation ISS vor dem majestätischen Saturn fest. Zumindest sah es auf den ersten Blick so aus. Weltweit meldeten zahlreiche Astrofotografen mit langjähriger Erfahrung Zweifel an der Echtheit des Bildes an (etwa hier oder hier). Ihnen waren Ungereimtheiten aufgefallen, beispielsweise die eigentlich unterschiedlichen Helligkeiten der ISS und des Saturn, die auf dem Bild aber beide korrekt belichtet waren. Auch das offenbar unpassende Größenverhältnis wurde angesprochen, ebenso ein unpassender Abstand der einzelnen Frames just genau bei dem Bild, das den Transit (ISS direkt vor Saturn) zeigt. Auch der Aufnahmezeitpunkt bei Sonnenaufgang, die Stellung Saturns inklusive Schattenwurf auf seine Ringe und die ungewöhnlich scharfen Aufnahmen waren ein Thema. Der Astrofotograf äußerte sich zunächst nur widerwillig und ruderte in einem Kommentar auf Facebook zurück: Wie alle von ihm fotografierten Transits handele es sich um ein Kompositbild, also eine Fotomontage. Kurze Zeit später wurde der Kommentar wieder gelöscht.

Die Verantwortlichen der APOD-Seite reagierten auf die Ungereimtheiten, indem sie im zugehörigen Text ein „composite“ ergänzten. Für die Astrofotografen, die nachts in der Kälte stehen, ist das wie ein Schlag ins Gesicht. Sie schlagen sich stundenlang mit der Technik und anderen Umständen herum, nur um halbwegs brauchbares Rohmaterial zu bekommen, das ohne so drastische Mittel verwertbar ist. Der Urheber der Fotomontage hat sich selbst und der Astrofotografiegemeinschaft einen Bärendienst erwiesen, weil er es nicht entsprechend gekennzeichnet hat, denn die Art und Weise der Bearbeitung geht weit über das gemeinhin akzeptierte Maß hinaus.

Ja, Astrofotografie ist aufwändig. Ja, Astrofotografie macht Spaß, weil die Gemeinschaft immer bereit ist, Tipps und Verbesserungsvorschläge bezüglich Aufnahmetechniken und Bildbearbeitung zu geben, so dass auch Einsteiger schnell Erfolgserlebnisse vorweisen können. Ja, es ist schön, wenn man für den betriebenen Aufwand ein positives Feedback bekommt (allerdings ist Kritik genau so willkommen, wenn sie konstruktiv ist).

Aber NEIN, man sollte nicht seine Glaubwürdigkeit und Integrität als Astrofotograf aufs Spiel setzen, indem man offensichtliche Fotomontagen nicht als solche kennzeichnet, nur um Anerkennung zu bekommen und es zum APOD zu schaffen.

Update vom 25. Januar 2015: Die NASA hat den ISS-Saturn-Transit als APOD zurückgenommen und stattdessen ein anderes Bild ausgewählt, deswegen würde der obige Link nicht mehr auf das fragliche oder besser gesagt fragwürdige Bild verweisen und er wäre an der Stelle nicht mehr sinnvoll. Man darf das als kleinen Sieg der Astrofotografie-Gemeinschaft werten.

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*