Sonnenstürme könnten Regolith an den lunaren Polen entzünden

Diese Karte zeigt die permanent im Schatten liegenden Regionen (blau) in der Nähe des lunaren Südpols. (Credits: NASA Goddard / LRO mission)
Diese Karte zeigt die permanent im Schatten liegenden Regionen (blau) in der Nähe des lunaren Südpols. (Credits: NASA Goddard / LRO mission)

Starke Sonnenstürme können den Boden in eisigen, permanent im Schatten liegenden Regionen nahe der lunaren Pole aufladen. Dadurch könnten sie möglicherweise „Funken“ produzieren, die den Boden verdampfen und schmelzen könnten, ähnlich wie Einschläge von Meteoroiden. Das ist das Ergebnis einer von der NASA finanzierten Studie. Diese Veränderung könnte nachgewiesen werden, wenn zukünftige Proben aus diesen Regionen analysiert werden, die den Schlüssel zum Verständnis der Geschichte des Mondes und des Sonnensystems enthalten könnten.

Der Mond besitzt fast keine Atmosphäre, deshalb ist seine Oberfläche der rauen Weltraumumgebung ausgesetzt. Einschläge kleiner Meteoroiden rütteln die obere Staub- und Gesteinsschicht – Regolith genannt – auf dem Mond stetig durch. „Etwa zehn Prozent dieser umgewühlten Schicht wurde durch Meteoroideneinschläge verdampft oder geschmolzen“, sagte Andrew Jordan von der University of New Hampshire in Durham. „Wir stellten fest, dass Funken von Sonnenstürmen einen vergleichbaren Prozentsatz in den permanent im Schatten liegenden Regionen schmelzen oder verdampfen könnten.“ Jordan ist der Hauptautor einer Abhandlung über diese Forschungsarbeit, die am 31. August 2016 online im Journal Icarus veröffentlicht wurde.

Explosive Sonnenaktivitäten wie Flares und koronale Massenauswürfe schleudern hochenergetische, elektrisch geladene Teilchen in den Weltraum. Die Erdatmosphäre schützt uns vor dem Großteil dieser Strahlung, aber auf dem Mond prallen diese Teilchen (Ionen und Elektronen) ungehindert auf die Oberfläche. Sie sammeln sich in zwei Schichten unter der Oberfläche an: Die Ionen können nicht tief eindringen, weil sie mit höherer Wahrscheinlichkeit auf Atome des Regoliths treffen. Deshalb bilden sie eine Schicht näher an der Oberfläche, während die kleinen Elektronen durchschlüpfen und eine tiefer liegende Schicht bilden. Die Ionen besitzen eine positive Ladung, wohingegen die Elektronen eine negative Ladung tragen. Weil sich entgegengesetzte Ladungen anziehen, fließen diese Ladungen normalerweise ineinander und gleichen sich aus.

Aktivieren Sie JavaScript um das Video zu sehen.
Video-Link: https://youtu.be/7b1K8TzF5dE

 

Im August 2014 veröffentlichte Jordans Team allerdings Simulationsergebnisse, die vorhersagten, dass starke Sonnenstürme das Regolith in den permanent im Schatten liegenden Gebieten auf dem Mond Ladungen in diesen beiden Schichten ansammeln lassen würden, bis sie explosiv freigesetzt werden – wie Miniatur-Blitzschläge. Die permanent dunklen Regionen sind so anfällig, dass Regolith ein extrem schlechter elektrischer Leiter wird. Man vermutet deshalb, dass das Regolith während starker Sonnenstürme den Ladungsaufbau zu langsam ausgleicht, um die destruktiven Effekte einer plötzlichen elektrischen Entladung, einen sogenannten dielektrischen Spannungsdurchschlag, zu verhindern. Die Forschungsarbeit schätzt das Ausmaß dessen, wie dieser Prozess das Regolith verändern kann.

„Dieser Prozess ist den Weltraumwissenschaften nicht völlig neu: Elektrostatische Entladungen können in vielen schlecht leitenden (dielektrischen) Materialien auftreten, die intensiver Weltraumstrahlung ausgesetzt sind. Sie sind in der Tat die häufigste Ursache für Anomalien bei Raumfahrzeugen“, sagte Timothy Stubbs vom Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland), ein Co-Autor der Abhandlung. Die Analyse des Teams stützte sich auf diese Erfahrung. Aus Studien über Raumfahrzeuge und Analysen der Proben von den Apollo-Mondmissionen der NASA wussten die Forscher, wie oft starke Sonnenstürme auftreten.

Anhand früherer Forschungsarbeiten schätzten sie, dass der obere Millimeter Regolith nach etwa einer Million Jahren von Meteoroideneinschlägen begraben sein würde. Er würde damit zu tief für elektrische Aufladung während Sonnenstürmen liegen. Dann schätzten sie die Energie, die sich im Verlauf von einer Million Jahren durch Meteoroideneinschläge und dielektrische Spannungsdurchschläge aufgrund von Sonnenstürmen ansammeln würde. Sie stellten fest, dass jeder Prozess genug Energie freisetzt, um das Regolith um einen vergleichbaren Grad zu verändern.

„Laborexperimente zeigen, dass der dielektrische Spannungsdurchschlag in kleinen Maßstäben ein explosiver Prozess ist“, sagte Jordan. „Während des Spannungsdurchschlags könnten Kanäle durch die Körnchen im Boden verdampfen und schmelzen. Einige der Körnchen könnten durch die winzige Explosion sogar auseinandergerissen werden. Die permanent im Schatten liegenden Regionen sind wichtige Orte auf den Mond, weil sie Hinweise auf die Vergangenheit des Mondes enthalten, beispielsweise die Rolle, die leicht verdampfende Substanzen wie Wasser spielte. Aber um diese Geschichte zu enträtseln, müssen wir wissen, inwiefern diese Regionen nicht unberührt sind. Das heißt, wir müssen wissen, wie sie durch die Weltraumumgebung erodiert wurden, inklusive Sonnenstürme und Meteoroideneinschläge.“

Diese Grafik zeigt, wie energiereiche Teilchen von der Sonne einen dielektrischen Spannungsdurchschlag in lunarem Regolith an den permanent dunklen Gebieten an den Mondpolen erzeugen könnten. (Credits: NASA / Andrew Jordan)
Diese Grafik zeigt, wie energiereiche Teilchen von der Sonne einen dielektrischen Spannungsdurchschlag in lunarem Regolith an den permanent dunklen Gebieten an den Mondpolen erzeugen könnten. (Credits: NASA / Andrew Jordan)

Der nächste Schritt ist die Suche nach Belegen für dielektrische Spannungsdurchschläge in permanent im Schatten liegenden Gebieten und die Bestimmung, ob es auch in anderen Regionen auf dem Mond passieren könnte. Beobachtungen der NASA-Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) deuten darauf hin, dass der Boden in den permanent dunklen Gebieten poröser oder lockerer ist als in anderen Gebieten. Das könnte man erwarten, wenn Spannungsdurchschläge dort einen Teil der Körnchen wegsprengen. Allerdings sind Experimente erforderlich, um zu bestätigen, dass Spannungsdurchschläge dafür verantwortlich sind. Außerdem ist die Nacht auf dem Mond etwa zwei Wochen lang, deswegen kann es dem Team zufolge kalt genug werden, damit Spannungsdurchschläge in anderen Gebieten auf dem Mond stattfinden können.

Es könnte sogar „gezündetes“ Material in den Apollo-Proben geben, aber die Schwierigkeit würde darin bestehen zu bestimmen, ob dieses Material aufgrund von Spannungsdurchschlägen oder Meteoroideneinschlägen verändert wurde. Das Team arbeitet mit Wissenschaftlern des Applied Physics Laboratory an der Johns Hopkins University an Experimenten, um zu beobachten, wie Spannungsdurchschläge das Regolith beeinflussen, und nach allen verräterischen Signaturen zu suchen, die sie von den Auswirkungen der Meteoroideneinschläge unterscheiden.

Die NASA finanzierte die Forschungsarbeit durch die Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) Mission und das Solar System Exploration Research Virtual Institute (SSERVI) Dynamic Response of the Environments at Asteroids, the Moon, and Mars 2 (DREAM2) Center am Goddard Space Flight Center. Das SSERVI wird vom Ames Research Center der NASA in Moffett Field (Kalifornien) geleitet. Der LRO wird vom Goddard Space Flight Center als Projekt des NASA Discovery Program betrieben. Das Discovery Program wird vom Marshall Space Flight Center in Huntsville (Alabama) für das Science Mission Directorate der NASA am Hauptquartier in Washington geleitet.

Quelle

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*