Hubble beobachtet Schatten in der Staubscheibe um TW Hydrae

Hubble-Aufnahmen der Gas- und Staubscheibe um den jungen Stern TW Hydrae. Der Schatten mit seiner veränderten Position ist erkennbar. (Credit: NASA, ESA, and J. Debes (STScI))
Hubble-Aufnahmen der Gas- und Staubscheibe um den jungen Stern TW Hydrae. Der Schatten mit seiner veränderten Position ist erkennbar. (Credit: NASA, ESA, and J. Debes (STScI))

Die Suche nach Planeten um andere Sterne ist eine komplizierte Sache. Sie sind so klein und schwach, dass sie schwer zu entdecken sind. Aber ein möglicher Planet in einem nahen Sternsystem könnte seine Existenz auf einzigartige Weise verraten: durch einen Schatten, der über das Antlitz einer ausgedehnten, pfannkuchenförmigen Gas- und Staubscheibe fegt, welche einen jungen Stern umgibt.

Nicht der Planet selbst wirft den Schatten. Aber er zieht mit seiner Gravitation Materie nahe des Sterns an und verzerrt den inneren Bereich der Scheibe. Die verdrehte Scheibe wirft ihren Schatten auf die Oberfläche der äußeren Scheibe.

Ein Astronomenteam unter Leitung von John Debes vom Space Telescope Science Institute in Baltimore (Maryland) sagte, dass dieses Szenario die plausibelste Erklärung für den Schatten sei, den das Team im Sternsystem TW Hydrae entdeckte. TW Hydrae liegt rund 192 Lichtjahre entfernt im Sternbild Hydra (Wasserschlange). Der Stern ist ungefähr acht Millionen Jahre alt und etwas masseärmer als unsere Sonne. Die Forscher stießen auf das Phänomen, als sie Archivdaten analysierten, die das Weltraumteleskop Hubble im Zeitraum von 18 Jahren sammelte.

„Dies ist die allererste Scheibe, von der wir so viele Bilder über einen so langen Zeitraum verfügbar haben, dass wir diesen interessanten Effekt sehen konnten“, sagte Debes. „Das gibt uns Hoffnung dafür, dass dieses Schattenphänomen in jungen Sternsystemen recht häufig vorkommen könnte.“ Debes präsentierte die Ergebnisse seines Teams am 7. Januar 2017 auf dem Wintertreffen der Amercian Astronomical Society in Grapevine (Texas).

Debes erster Hinweis auf das Phänomen war ein heller Bereich in der Scheibe, dessen Position sich mit der Zeit veränderte. Astronomen bemerkten diese Helligkeitsasymmetrie erstmals im Jahr 2005 mit dem Space Telescope Imaging Spectrograph (STIS), einem Instrument an Bord des Hubble-Teleskops. Aber sie hatten nur eine Beobachtungsreihe und konnten die Natur der rätselhaften Struktur nicht abschließend bestimmen.

Debes Team ging das Archiv durch und setzte sechs Bilder aus verschiedenen Zeiträumen zusammen. Die Beobachtungen wurden vom STIS und Hubbles Near Infrared Camera and Multi-Object Spectrometer (NICMOS) gemacht.

Das STIS ist mit einem Koronograf ausgestattet, der das Sternlicht im Umkreis von etwa 1,6 Milliarden Kilometern um den Stern ausblendet. Dadurch kann Hubble die Umgebung des Sterns so nah beobachten, wie sich Saturn an der Sonne befindet. Mit der Zeit schien sich die Struktur gegen den Uhrzeigersinn um die Scheibe herum zu bewegen, bis sie im Jahr 2016 in der gleichen Position war wie auf den Bildern aus dem Jahr 2000.

Diese 16 Jahre lange Zeitperiode bereitete den Forschern Kopfzerbrechen. Zunächst vermuteten sie, dass die Struktur Teil der Scheibe ist, aber die kurze Zeitperiode bedeutete, dass sich die Struktur viel zu schnell bewegte, um sich physisch in der Scheibe zu befinden. Den Gesetzen der Gravitation zufolge rotieren Scheiben differenziell: Die äußersten Bereiche der Scheibe um TW Hydrae würden für eine Umkreisung Jahrhunderte benötigen.

„Die Tatsache, dass ich die gleiche Bewegung mehr als 16 Milliarden Kilometer von dem Stern entfernt sah, war sehr wichtig. Es verriet mir, dass ich etwas sah, das in die äußere Scheibe eingeprägt war, und nicht etwas, das direkt in der Scheibe selbst passierte“, sagte Debes. „Die beste Erklärung dafür lautet, dass die Struktur ein Schatten ist, welcher sich über die Oberfläche der Scheibe bewegt.“

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Video-Link: https://youtu.be/CJOpBAMyO48

 

Das Forschungsteam schlussfolgerte, dass der Verursacher des Schattens, was immer es sein mag, tief innerhalb der 66 Milliarden Kilometer breiten Scheibe liegen muss – so nah an dem Stern, dass es von Hubble oder anderen heutigen Teleskopen nicht abgebildet werden kann. Die wahrscheinlichste Möglichkeit, so einen Schatten zu erzeugen, ist eine innere Scheibe, die relativ zur äußeren Scheibe geneigt ist. Submillimeter-Beobachtungen von TW Hydrae mit dem Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array (ALMA) in Chile sprechen für eine mögliche Verzerrung in der inneren Scheibe.

Aber was bewirkt die Verzerrung der Scheibe? „Das plausibelste Szenario ist der gravitative Einfluss eines bislang unbekannten Planeten, der Materie aus der Scheibenebene herauszieht und die innere Scheibe verzerrt“, erklärte Debes. „Die verzerrte Scheibe liegt innerhalb der Umlaufbahn des potenziellen Planeten.“

Unter Berücksichtigung der relativ kurzen, 16 Jahre langen Periode des uhrenzeigerähnlich laufenden Schattens wird geschätzt, dass der potenzielle Planet circa 160 Millionen Kilometer von dem Stern entfernt ist – ungefähr so nah wie die Erde an der Sonne. Der Planet müsste etwa so groß wie Jupiter sein, um genug Gravitation zu besitzen, dass er die Materie aus der Ebene der Hauptscheibe herausziehen kann. Die Anziehungskraft des Planeten lässt die Scheibe um den Stern wackeln oder präzedieren, was dem Schatten seine 16 Jahre lange Periode gibt.

Kürzliche Beobachtungen von TW Hydrae mit ALMA in Chile stützen die Präsenz eines Planeten. ALMA offenbarte eine Lücke in der Scheibe, etwa 14 Millionen Kilometer von TW Hydrae entfernt. Eine Lücke ist entscheidend, weil sie die Signatur eines bislang unbeobachteten Planeten darstellen könnte, der seine Umlaufbahn in der Scheibe säubert.

Diese neue Hubble-Studie bietet eine einmalige Möglichkeit, um nach Planeten zu suchen, die sich im inneren Bereich der Scheibe verstecken und zu untersuchen, was nahe an dem Stern geschieht, der mit heutigen Teleskopen nicht direkt erreichbar ist. „Überraschend ist, dass wir etwas über den unbeobachteten Bereich der Scheibe erfahren können, indem wir die äußere Region der Scheibe untersuchen und die Bewegung, Position und das Verhalten eines Schattens verfolgen“, sagte Debes. „Diese Studie zeigt uns, dass sogar diese großen Scheiben, deren innere Regionen unbeobachtbar sind, dynamisch sind oder sich auf nachweisbare Arten verändern, die wir uns nicht vorstellen konnten.“

Das Weltraumteleskop Hubble ist ein Projekt internationaler Zusammenarbeit zwischen der NASA und der European Space Agency (ESA). Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betreibt das Teleskop. Das Space Telescope Science Insitute (STScI) in Baltimore (Maryland) führt die wissenschaftlichen Operationen Hubbles durch. Das STScI wird von der Association of Universities for Research in Astronomy in Washington, D.C. geleitet.

Quelle

(THK)

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