
Zu sagen, dass der Archäologe Geoffrey Braswell von der UC San Diego überrascht war, ein wertvolles Juwel in Nim Li Punit im Süden Belizes zu entdecken, grenzt an eine Untertreibung.
„Es war so, als würde man den Hope-Diamanten in Peoria anstatt in New York finden“, sagte Braswell, der die Ausgrabung leitete, in deren Rahmen ein großes Stück gravierter Jade gefunden wurde, das einst einem alten Maya-König gehörte. „Wir würden so etwas in einer der großen Städte der Maya-Welt erwarten. Stattdessen war es hier, weit entfernt vom Zentrum“, sagte er.
Das Juwel – ein Jade-Anhänger, der von einem König bei wichtigen religiösen Zeremonien auf der Brust getragen wurde – wurde im Jahr 2015 freigelegt. Jetzt befindet er sich zusammen mit anderen nationalen Schätzen in der Zentralbank von Belize. Braswell veröffentlichte kürzlich eine Abhandlung im Journal Ancient Mesoamerica der Cambridge University, die die Bedeutung des Juwels verdeutlicht. Eine zweite Abhandlung, erschienen im Journal of Field Archaeology, beschreibt die Ausgrabungen.
Der Schmuckanhänger sei bemerkenswert, weil er das zweitgrößte Jadestück der Maya ist, das bislang in Belize gefunden wurde, sagte Professor Braswell vom Department of Anthropology an der University of California in San Diego. Der Anhänger ist circa 18,8 Zentimeter breit, circa 10,4 Zentimeter hoch und nur etwa 0,76 Zentimeter dick. Ihn mit Schnüren, Fett und Jadestaub in diese dünne, flache Form zu bringen, ist eine technische Meisterleistung. Aber was den Anhänger noch bemerkenswerter macht, ist laut Braswell die Tatsache, dass er das einzige bekannte Exemplar mit einem eingravierten, historischen Text ist. Auf der Rückseite des Anhängers sind 30 Hieroglyphen über seinen ersten Besitzer eingraviert.
„Er spricht zu uns, im wahrsten Sinne des Wortes“, sagte Braswell. „Die Geschichte, die er erzählt, ist eine kurze aber wichtige. Er glaubt, dass es sogar unser Wissen über die Maya verändern könnte. Auch wichtig: „Der Anhänger wurde nicht von Plünderern aus der Geschichte herausgerissen“, so Braswell. „Ihn auf einer legalen Expedition und in seinem Kontext zu finden, gibt uns Informationen über den Ort und das Juwel, die wir sonst nicht hätten oder uns nicht einmal vorstellen konnten.“
Wo das Juwel gefunden wurde
Nim Li Punit ist eine kleine Ausgrabungsstätte in der Provinz Toledo in Belize. Sie befindet sich auf einem Bergrücken in den Maya Mountains nahe der heutigen Stadt Indian Creek. Acht verschiedene Papageienarten fliegen über einen hinweg. Es regnet neun Monate im Jahr.

Am südöstlichen Rand der alten Maya-Zone gelegen (über 400 Kilometer südlich von Chichen Itza in Mexiko, wo ähnliche aber kleinere Brustschmuckstücke gefunden wurden), geht man davon aus, dass Nim Li Punit zwischen 150 und 850 nach Christus bewohnt war. Der Name des Ortes bedeutet „großer Hut“. Er wurde nach seiner Wiederentdeckung im Jahr 1976 so genannt, wegen der aufwändigen Kopfbedeckung von einer der dortigen Steinfiguren. Sein antiker Name könnte Wakam oder Kawam gewesen sein, aber das ist nicht sicher.
Braswell, die Studenten Maya Azarova und Mario Borrero von der UC San Diego, und lokale Mithelfer waren dabei, einen Palast auszugraben, der um das Jahr 400 herum erbaut wurde, als sie ein zusammengebrochenes aber intaktes Grabmal fanden. In dem Grabmal, das auf etwa 800 nach Christus datiert, befanden sich 25 Tongefäße, und ein großer Stein, der in die Gestalt einer Gottheit geformt worden war, sowie der wertvolle Jade-Anhänger. Bis auf ein paar Zähne gab es dort keine menschlichen Überreste.
Was tat es dort?
Der Anhänger hat die Form eines T. In seine Vorderseite ist ebenfalls ein T eingraviert. Das ist die Maya-Glyphe „ik'“, die für „Wind und Atem“ steht. Braswell zufolge wurde der Anhänger in einer T-förmigen Plattform begraben. Und eines der mit ihm entdeckten Tongefäße, ein Gefäß mit einem schnabelförmigen Gesicht, zeigt wahrscheinlich einen Maya-Gott des Windes.
Wind wurde von den Maya als lebenswichtig angesehen. Er brachte den jährlichen Monsunregen, der das Getreide wachsen ließ. Und Maya-Könige – als göttliche Herrscher verantwortlich für das Wetter – führten Rituale gemäß ihres heiligen Kalenders durch, verbrannten und verbreiteten Weihrauch, um den Wind und den lebensspendenden Regen heraufzubeschwören. Der Gravur auf der Rückseite zufolge sei der Anhänger erstmals 672 nach Christus bei genau solch einem Ritual verwendet worden, sagte Braswell.
Zwei Reliefskulpturen auf großen Gesteinsplatten in Nim Li Punit untermauern diesen Gebrauch. Beide Skulpturen stellen einen König dar, der den T-förmigen Anhänger trägt, während er Weihrauch verbreitet. Das geschah in den Jahren 721 und 731 nach Christus, ungefähr 50 beziehungsweise 60 Jahre nachdem der Anhänger erstmals getragen wurde.
Bis zum Jahr 800 nach Christus war der Anhänger begraben, aber anscheinend nicht mit seinem menschlichen Besitzer, sondern nur mit anderen Objekten. Warum? „Der Anhänger war keine Spielerei“, sagte Braswell. „Er besaß enorme Macht und Magie.“ Könnte er als Hingabe an den Windgott begraben worden sein? Das ist Braswells auf Sachkenntnis beruhende Vermutung.
Um 800 nach Christus herum brachen die Maya-Königreiche in Belize und Guatemala zusammen. Die Bevölkerungszahlen waren rückläufig. Innerhalb einer Generation nach der Errichtung des Grabmals war Nim Li Punit selbst verlassen.
„Eine neuere Theorie besagt, dass der Klimawandel Dürren verursachte, die zum großflächigen Versagen der Landwirtschaft und zum Zusammenbruch der Maya-Zivilisation führten“, sagte Braswell. „Die Widmung dieses Grabmals in der Krisenzeit zu Ehren des Windgottes, der den jährlichen Regen bringt, unterstützt diese Theorie und sollte uns alle an die Gefahren des Klimawandels erinnern.“

Immer noch und wieder: Was tat es dort?
Die Gravur auf der Rückseite des Anhängers ist vielleicht das Erstaunlichste daran. Der Text wird noch von Braswells Co-Autor der Studie in Ancient Mesoamerica analysiert, Christian Prager von der Universität Bonn. Und die Maya-Schrift selbst ist noch nicht vollständig entziffert; es gibt diesbezüglich noch Uneinigkeiten.
Aber Pragers und Braswells Interpretation des Textes lautet bisher: Das Juwel wurde für den König Janaab‘ Ohl K’inich angefertigt. Neben der Erwähnung seines ersten Gebrauchs im Jahr 672 nach Christus bei einer umfangreichen Weihrauchzeremonie, beschreiben die Hieroglyphen die Abstammung des Königs. Seine Mutter, so lässt der Text vermuten, stammte aus Cahal Pech, einem fernen Ort im Westen Belizes. Der Vater des Königs starb, bevor er 20 Jahre alt war, und könnte irgendwo aus Guatemala gekommen sein.
Die Gravur beschreibt außerdem die Thronbesteigungsriten des Königs im Jahr 647 nach Christus und endet mit einer Passage, die den König möglicherweise mit der mächtigen und großen Maya-Stadt Caracol im heutigen Belize in Zusammenhang bringt.
„Es erzählt eine politische Geschichte weit entfernt von Nim Li Punit“, sagte Braswell. Er betonte, dass Cahal Pech, der Geburtsort der Mutter, zum Beispiel rund 96 Kilometer entfernt liegt. Das ist heute eine fünfstündige Busfahrt durch Regenwälder und über Berge. Damals wäre es ein viele Tage dauernder Fußmarsch gewesen. Wie gelangte der Anhänger zu diesem Außenposten?
Obwohl es möglich ist, dass er von einem wichtigen Ort gestohlen und in die Provinzen gebracht wurde, geht Braswell nicht davon aus. Er vermutet, dass der Anhänger uns etwas über die Ankunft des Königs in Nim Li Punit erzählt, dem Gründer einer neuen Dynastie. Die Schrift auf dem Anhänger ist nach Maya-Maßstäben nicht besonders alt, aber es ist die älteste, die bisher in Nim Li Punit gefunden wurde. Andere Hieroglyphen und Bildnisse des Königs tauchen auf den Stelen oder Steinplatten von Nim Li Punit auch erst nach der Ankunft des Anhängers auf.
Es könnte sein, dass König Janaab‘ Ohl K’inich selbst nach Nim Li Punit reiste. Oder es könnte sein, dass ein großer Maya-Staat versuchte, eine Allianz mit den Provinzen einzugehen und seine Macht ausweiten oder sich anbiedern wollte, indem ein lokaler König mit dem Juwel präsentiert wurde. Wie auch immer, Braswell vermutet, dass die Gravuren auf dem Anhänger für Beziehungen sprechen, die bislang unbekannt waren.
„Wir dachten nicht, dass wir königliche, politische Beziehungen in Richtung Norden und Westen von Nim Li Punit finden würden“, sagte Braswell, der seit 2001 Ausgrabungen in Belize und seit 2010 in Nim Li Punit durchführt. „Wir dachten, wenn es überhaupt Beziehungen gab, dann in den Süden und Osten.“
Sogar wenn man die Gravuren und deren scheinbar königliche Herkunft ignoriert, stammt der Jadestein selbst aus den Bergen Guatemalas, südwestlich von Belize. „Es gibt nur wenige frühere Hinweise auf Handel in diese Richtung“, sagte Braswell.
Vielleicht werden wie nie genau wissen, warum der Anhänger nach Nim Li Punit kam oder warum er so begraben wurde, wie er war, aber Braswells Projekt zum Verständnis der Stätte geht weiter. Er plant, im Frühling 2017 zurückzukehren. Diesmal möchte er auch schauen, ob er möglicherweise eine Beziehung in die Karibik entdeckt. Sie liegt nur knapp 20 Kilometer flussabwärts, eine vierstündige Fahrt mit dem Kanu.
(THK)
Antworten