
Vor über 50 Jahren wurden die Strahlungsgürtel der Erde entdeckt – zwei donutförmige Regionen aus geladenen Teilchen, die unseren Planeten umgeben. Aber ihr Verhalten ist noch immer nicht vollständig verstanden. Jetzt zeigen neue Beobachtungen der Van-Allen-Probes-Mission der NASA, dass die schnellsten, energiereichsten Elektronen in dem inneren Strahlungsgürtel nicht so lange präsent sind wie ursprünglich angenommen. Die Ergebnisse werden in einer Abhandlung im Journal of Geophysical Research präsentiert. Sie besagen, dass dort nicht so viel Strahlung existiert wie früher vermutet – gute Nachrichten für Raumfahrzeuge, die in der Region fliegen.
Frühere Weltraummissionen waren nicht in der Lage, zwischen Elektronen und hochenergetischen Protonen im inneren Strahlungsgürtel zu unterscheiden. Aber durch die Verwendung eines speziellen Instruments, dem Magnetic Electron and Ion Spectrometer (MagEIS) an Bord der Van Allen Probes, konnten Wissenschaftler die Teilchen erstmals separat betrachten. Was sie feststellten, war überraschend: Im inneren Strahlungsgürtel gibt es normalerweise keine dieser superschnellen, sogenannten relativistischen Elektronen. Das steht im Widerspruch zu dem, was Wissenschaftler erwartet hatten.
„Wir wissen seit einer langen Zeit, dass es dort diese wirklich energiereichen Protonen gibt, die die Messungen kontaminieren können. Aber wir kannten bisher keine gute Möglichkeit, um sie aus den Messungen zu entfernen“, sagte Seth Claudepierre, Hauptautor der Studie und Wissenschaftler der Van Allen Probes von der Aerospace Corporation in El Segundo (Kalifornien).
Forscher wissen seit Langem, dass der äußere der beiden Strahlungsgürtel der chaotischere ist. Während intensiver geomagnetischer Stürme, wenn geladene Teilchen von der Sonne durch das Sonnensystem eilen, pulsiert der äußere Strahlungsgürtel dramatisch. Er wächst und schrumpft in Reaktion auf den Druck der Sonnenteilchen und des Magnetfeldes. In der Zwischenzeit behält der innere Strahlungsgürtel eine fixe Position oberhalb der Erdoberfläche. Die neuen Ergebnisse zeigen allerdings, dass die Zusammensetzung des inneren Strahlungsgürtels nicht so konstant ist, wie die Forscher vermutet hatten.
Für gewöhnlich besteht der innere Strahlungsgürtel aus hochenergetischen Protonen und energiearmen Elektronen. Nach einem sehr starken geomagnetischen Sturm im Juni 2015 wurden jedoch relativistische Elektronen tief in den inneren Strahlungsgürtel gedrückt.
Video-Link: https://youtu.be/PVXK81bx5oQ
Die Ergebnisse waren sichtbar aufgrund der Art und Weise, wie MagEIS konstruiert wurde. Das Instrument erzeugt sein eigenes inneres Magnetfeld, das es ihm erlaubt, Teilchen basierend auf ihrer Ladung und Energie zu sortieren. Durch die Trennung der Elektronen von den Protonen konnten die Forscher verstehen, welche Teilchen zur Teilchenpopulation des inneren Strahlungsgürtels beitragen.
„Wenn wir die Daten sorgfältig verarbeiten und die Kontamination entfernen, können wir Dinge sehen, die wir nie zuvor sehen konnten“, sagte Claudepierre. „Diese Ergebnisse stellen die Art in Frage, wie wir den Strahlungsgürtel bei diesen Energien betrachten.“
Wenn man die Seltenheit jener Stürme bedenkt, die relativistische Elektronen in den inneren Strahlungsgürtel bringen können, verstehen die Forscher jetzt die niedrigeren Strahlungslevel dort – ein Ergebnis, das Auswirkungen auf Raumfahrzeuge hat, die sich in der Region bewegen. Die genaue Strahlungsmenge zu kennen, die dort vorhanden ist, könnte Wissenschaftlern und Ingenieuren ermöglichen, leichtere und günstigere Satelliten zu konstruieren, die dafür maßgeschneidert wurden, den weniger intensiven Strahlungsleveln zu widerstehen.
Neben einem neuen Ausblick auf das Design von Raumfahrzeugen eröffnen die Ergebnisse ein neues Forschungsgebiet für Wissenschaftler.
„Dies gibt uns die Möglichkeit, Forschungen durchzuführen, die vorher nicht möglich waren“, sagte Shri Kanekal, ein Wissenschaftler der Van-Allen-Probes-Mission am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland), der nicht an der Studie beteiligt war. „Beispielsweise können wir jetzt erforschen, unter welchen Umständen diese Elektronen in die innere Region eindringen und schauen, ob intensivere geomagnetische Stürme energiereichere Elektronen mit sich bringen.“
Die Van Allen Probes sind die zweite Mission des NASA-Programms Living with a Star und eine von vielen NASA-Heliophysik-Missionen, die unsere erdnahe Umgebung untersuchen. Die Sonden fliegen auf hochgradig elliptischen Umlaufbahnen fünf bis sechsmal pro Tag durch die Strahlungsgürtel, um die physikalischen Prozesse zu verstehen, die Elektronen in diese Region einbringen oder sie aus ihr abziehen.
(THK)
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