Physiker nutzt Mathematik zur Erforschung des Gehirns

Transaxialer PET-Scan eines menschlichen Gehirns. (Credits: Wikipedia Commons / Jens Maus / gemeinfrei)
Transaxialer PET-Scan eines menschlichen Gehirns. (Credits: Wikipedia Commons / Jens Maus / gemeinfrei)

Die fundamentalen Bestandteile des Universums zu verstehen, ist schwer. Das Gehirn zu begreifen, ist eine völlig andere Herausforderung. Jeder Kubikmillimeter des menschlichen Gehirns enthält rund vier Kilometer an neuronalen „Drähten“, die Signale im Millivoltbereich übertragen und zahllose Zellen miteinander verbinden, die all das definieren, was wir sind und tun.

Schon die alten Ägypter wussten, dass unterschiedliche Bereiche des Gehirns verschiedene physische Funktionen steuern, und ein paar Jahrhunderte sind vergangen, seit Ärzte Menschenmengen unterhielten, indem sie Strom durch Leichen leiteten, um sie lebendig erscheinen zu lassen. Aber erst seit den letzten Jahrzehnten sind Neurowissenschaftler in der Lage, tief in den Schaltplan des Gehirns vorzudringen.

Am 25. Januar 2018 sprach Vijay Balasubramanian von der University of Pennsylvania im Rahmen einer brechend vollen Veranstaltung am Theory Department des CERN und beschrieb den Ansatz eines Physikers, die Funktionsweise des Gehirns zu entschlüsseln. Balasubramanian erhielt seinen Doktortitel in theoretischer Teilchenphysik an der Princeton University und arbeitete in den 1980er Jahren auch am UA1-Experiment am Super Proton Synchroton des CERN mit. Heute reicht seine Forschung von der Stringtheorie bis zur theoretischen Biophysik, wo er in der Physik häufig genutzte Methoden anwendet, um die neurale Topografie der Informationsverarbeitung im Gehirn zu modellieren.

„Wir nutzen – so weit wir können – schwierige Mathematik, um echte, quantitative, überprüfbare Voraussagen zu machen, was in der Biologie ungewöhnlich ist“, sagte Balasubramanian.

Die grundlegende Architektur des Gehirns ist bemerkenswert gut verstanden. Äußerst komplexe sensorische und kognitive Aufgaben werden von einem Zusammenschluss vieler spezialisierter Neuronen und Netzwerke ausgeführt, von denen jedes eine überraschend einfache Funktion hat. Balasubramanian nutzte Beispiele wie unseren Geruchssinn, der Menschen und Tieren erlaubt, mit sehr begrenzten neuronalen Ressourcen viele Gerüche zu unterscheiden. Ein anderes Beispiel betrifft den Bereich, in dem wir unseren physischen Ort mental darstellen. So demonstriert Balasubramanian, dass Gehirne neuronale Netzwerke entwickelt haben, die moderne Prinzipien der Mathematik ausnutzen, von denen manche erst jetzt entdeckt werden.

Bemerkenswerterweise stellt sich heraus, das Vorhersagen, die von ziemlich groben Modellen gemacht wurden, die Netzwerke des Gehirns recht gut beschreiben, was das traditionelle Denken oft herausfordert. Im Allgemeinen sprechen Balasubramanians Berechnungen dafür, dass Tiere sich dahingehend entwickelt haben, um die größte kognitive Leistung aus der kleinstmöglichen Anzahl an Neuronen zu bekommen.

„Neuronen sind teuer“, sagte er und betonte, dass das Gehirn zwar nur zwei Prozent des Körpergewichts ausmacht, aber 20 Prozent des Stoffwechsels beansprucht. Das Gehirn verbraucht nur zwölf Watt Energie – sieben Mal weniger als ein normaler Laptop, aber es hat trotzdem deutlich mehr Rechenleistung, um einfachere Funktionen durchzuführen. Das Gehirn kann uns dazu bringen, uns zu verlieben, wohingegen ein Computer nur schwer ein Gesicht erkennt“, sagte er.

Balasubramanian denkt noch immer, dass die Menschen ihre kognitiven Fähigkeiten überschätzen: Wir sind nicht so besonders, wie wir glauben. Er argumentiert, dass der Großteil des Verhaltens unseres Gehirns von der ursprünglichen Verschaltung gesteuert wird, die den meisten Wirbeltieren gemein ist. Obwohl ein quantitatives Verständnis von höheren Konzepten wie „Gedanken“ oder „Bewusstsein“ noch in weiter Ferne liegt, gibt es für Physiker einen fruchtbaren Boden, um die sich schnell verändernde Welt der Neurowissenschaften zu erforschen.

Quelle

(THK)

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