Physiker schockfrosten einen flachen Kristall aus 150 Ionen

Diese Grafik veranschaulicht vibrierende Beryllium-Ionen in einer Kristallformation. (Credit: Jordan / NIST)
Diese Grafik veranschaulicht vibrierende Beryllium-Ionen in einer Kristallformation. (Credit: Jordan / NIST)

Physiker des National Institute of Standards and Technology (NIST) haben einen flachen Kristall aus 150 Beryllium-Ionen (elektrisch geladene Atome) “schockgefrostet”. Das eröffnet neue Möglichkeiten zur Simulation des Magnetismus im Quantenmaßstab und für den Nachweis der Signale von rätselhafter Dunkler Materie.

Viele Forscher versuchen seit Jahrzehnten, vibrierende Objekte, die groß genug sind, um mit dem bloßen Auge beobachtet zu werden, bis zu dem Punkt abzukühlen, an dem sie die minimale Bewegung aufgrund der Quantenmechanik aufweisen. Die Quantenmechanik ist die Theorie, die das Verhalten von Materie im atomaren Maßstab beschreibt. Je kälter, desto besser, weil es das Gerät empfindlicher, stabiler und verzerrungsfreier macht, was hilfreicher für praktische Anwendungen ist. Bis jetzt konnten Wissenschaftler jedoch nur ein paar Vibrationstypen reduzieren.

In dem NIST-Experiment hielten magnetische und elektrische Felder die Ionen fest und kühlten sie, so dass sie eine Scheibe mit weniger als 250 Mikrometern Durchmesser bildeten. Die Scheibe wird als Kristall betrachtet, weil die Ionen in einem regelmäßigen, sich wiederholenden Muster angeordnet sind.

Wie in den Physical Review Letters beschrieben, kühlten die NIST-Forscher den Kristall in nur 200 Mikrosekunden ab, so dass jedes Ion etwa ein Drittel der von einem einzelnen Phonon getragenen Energie besaß. Ein Phonon ist die elementare Bewegungsenergie in dem Kristall. Das liegt sehr nah an der Energiemenge des niedrigsten Quanten-Grundzustands für die sogenannten “Drumhead-Vibrationen” (engl. drumhead = Drumhead) des Kristalls, was mit den Auf- und Abbewegungen einer geschlagenen Trommel vergleichbar ist.

Die Forscher kühlten und verlangsamten alle 150 Drumhead-Vibrationen – eine für jedes Ion. Dieses Video zeigt acht Beispieltypen für Drumhead-Vibrationen. Die Arbeit zeigte, dass mit dieser Technik hunderte Ionen gemeinsam gekühlt werden können. Das ist eine signifikante Verbesserung gegenüber der früheren Demonstration einer anderen Forschungsgruppe, die eine Linie aus 18 Ionen abkühlte.

Bei den Vibrationen der in dieser Demonstration abgekühlten Frequenzen entspricht ein Drittel der Energie eines Phonons etwa 50 Mikrokelvin oder 50 Millionstel Grad über dem absoluten Nullpunkt von -273,15 Grad Celsius. Obwohl das keine rekordbrechende Temperatur ist, liegt sie nah am quantenmechanischen Grundzustand für alle Drumhead-Modes. Das bedeutet, die thermale Bewegung sei für so ein hochgradig begrenztes System klein, sagte der Gruppenleiter John Bollinger.

Um eine solche Abkühlung zu erreichen, richteten die Forscher zwei Laser mit bestimmten Frequenzen und Energien auf den Kristall. Die Laser verbanden die Energien der Ionen in derartiger Weise, dass der Ionenkristall an Energie verlor, ohne zu seiner Bewegung beizutragen. Die Kühlung des Kristalls erfolgte durch Streueffekte des Laserlichts und verlorene Bewegungsenergie der Ionen.

Die Methode kühlte keine anderen Vibrationstypen wie beispielsweise die Seitwärtsbewegungen des scheibenförmigen Kristalls. Aber die Drumhead-Vibrationen haben den größten praktischen Nutzen. In Quantensimulationen und Quantensensoren werden nur die Drumhead-Vibrationen verwendet.

Kühlere Drumhead-Vibrationen werden den Ionenkristall zu einem realistischeren Simulator für den Quantenmagnetismus machen, der auf konventionellen Computern schwer zu berechnen ist. Die Abkühlung auf den Grundzustand sollte auch komplexere, verschränkte Quantensysteme und potenziell bessere Messungen von quantenregistrierenden Anwendungen ermöglichen.

“Eine quantenmessende Anwendung, deren Untersuchung wir mit Spannung verfolgen, ist die Messung sehr schwacher elektrischer Felder”, sagte Bollinger. “Mit der Abkühlung verbessern wir unsere Fähigkeit, elektrische Felder auf einem Level zu messen, was die Suche nach bestimmten Typen Dunkler Materie erlaubt: Axionen (hypothetische subatomare Teilchen) und versteckte Photonen (als bislang unbeobachtete Austauschteilchen).”

Zukünftige Forschungen werden die Abkühlung dreidimensionaler Kristalle mit viel größeren Ionenanzahlen versuchen.

Diese Arbeit wurde von der National Science Foundation, der Defense Advanced Research Projects Agency, dem Air Force Office of Scientific Research und dem Army Research Office unterstützt.

Quelle

(THK)

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