Neue Belege für eine anomale Materiephase

Konzentrische Wasserwellen als Analog zu den im Experiment beobachteten Energiewellen. (Credits: Izzy Gibson / Unsplash)
Konzentrische Wasserwellen als Analog zu den im Experiment beobachteten Energiewellen. (Credits: Izzy Gibson / Unsplash)

Forscher haben Belege für eine anomale Materiephase gefunden, deren Existenz in den 1960er Jahren vorausgesagt wurde. Die Untersuchung ihrer Eigenschaften könnte den Weg zu neuen Technologien ebnen, um Informationen ohne Energieverluste zu teilen. Die Studie erscheint im Journal Science Advances.

Bei der Untersuchung eines Quantenmaterials beobachtete der Studienleiter der University of Cambridge die Präsenz von unerwartet schnellen Energiewellen, die durch das Material liefen, wenn die Forscher es kurzen und intensiven Laserpulsen aussetzten. Sie konnten diese Beobachtungen mittels einer Hochgeschwindigkeitskamera machen, die kleine und sehr schnelle Bewegungen in einer Größenordnung aufzeichnen kann, die für viele andere Techniken nur schwer erreichen ist.

Diese Technik untersucht das Material mit zwei Lichtpulsen: Der erste stört es und erzeugt Wellen (oder Schwingungen), die sich in konzentrischen Kreisen nach außen ausbreiten, ähnlich wie ein Stein, der beim Eintauchen in einen Teich Wellen erzeugt. Der zweite Lichtpuls macht eine Momentaufnahme dieser Wellen zu verschiedenen Zeiten. Zusammengenommen erlaubten diese Bilder den Forschern, das Verhalten dieser Wellen zu betrachten und ihre “Geschwindigkeitsbegrenzung” zu verstehen.

“Bei Raumtemperatur bewegen sich diese Wellen mit einem Hundertstel der Lichtgeschwindigkeit – viel schneller, als wir bei einem normalen Material erwarten würden. Aber bei höheren Temperaturen, ist es so, als wäre der Teich gefroren”, erklärte die Erstautorin Hope Bretscher, die die Studie am Cavendish Laboratory der University of Cambridge durchführte. “Wir sehen nicht, dass sich diese Wellen überhaupt von dem ‘Stein’ entfernen. Wir verbrachten eine lange Zeit damit, nach dem Grund für ein derart bizarres Verhalten zu suchen.”

Die einzige Erklärung, die zu allen experimentellen Beobachtungen zu passen schien, bestand darin, dass das Material bei Raumtemperatur eine “exzitonische Isolator”-Phase aufweist, die zwar theoretisch vorhergesagt wurde, sich aber jahrzehntelang einem Nachweis entzog.

“In einem exzitonischen Isolator werden die beobachteten Energiewellen durch ladungsneutrale Teilchen unterstützt, die sich mit elektronenähnlichen Geschwindigkeiten fortbewegen können. Diese Teilchen könnten Informationen transportieren, ohne durch die Abschwächungsmechanismen gehindert zu werden, die in den meisten vertrauten Materialien die geladenen Teilchen (etwa Elektronen) beeinflussen”, sagte Dr. Akshay Rao vom Cavendish Laboratory. “Diese Eigenschaft könnte einen einfacheren Weg in Richtung energiesparender Berechnungen unter Raumtemperaturbedingungen darstellen als die Supraleitfähigkeit.”

Das Cambridge-Team arbeitete anschließend mit Theoretikern weltweit zusammen, um ein Modell über diese exzitonische Isolationsphase zu entwickeln, und zu ergründen, warum sich diese Wellen so verhalten.

“Theoretiker sagten die Existenz dieser anomalen Phase vor Jahrzehnten voraus, aber die experimentellen Herausforderungen, um Belege dafür zu sehen, bedeuteten, dass wir erst jetzt in der Lage sind, früher entwickelte Rahmenwerke anzuwenden und ein besseres Bild dessen zu zeichnen, wie es sich in einem echten Material verhält”, sagte Yuta Murakami vom Tokyo Institute of Technology, der an der Studie mitwirkte.

“Der verlustlose Energietransfer fordert unser aktuelles Wissen über den Transport in Quantenmaterialien heraus und öffnet das Vorstellungsvermögen von Theoretikern für neue Wege zur zukünftigen Manipulation dieser Materialien”, sagte der Mitarbeiter Denis Golež vom Jozef Stefan Institute und der University of Ljubljana.

“Diese Arbeit bringt uns einen Schritt näher an die Entwicklung unglaublich energieeffizienter Anwendungen, die diese Eigenschaft ausnutzen können, darunter Computer”, schlussfolgerte Rao.

Referenz: “Imaging the coherent propagation of collective modes in the excitonic insulator Ta2NiSe5 at room temperature” von Hope M. Bretscher et al., Science Advances (July 2021), DOI: 10.1126/sciadv.abd6147

Quelle

(THK)

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