Wenn Atomkerne wie Gold- oder Bleikerne mit hoher Energie in Teilchenbeschleunigern kollidieren, können sie ein Quark-Gluonen-Plasma (QGP) produzieren – ein heißer und dichter Materiezustand, von dem man annimmt, dass er kurz nach dem Urknall existierte. Eines der Schlüsselmerkmale der Bildung von Quark-Gluonen-Plasma bei solchen Schwerionenkollisionen ist eine räumliche Korrelation mit hoher Reichweite zwischen den Teilchen, die bei den Kollisionen entstehen. Dieses kollektive Phänomen, das sich als gratähnliche Form in den Diagrammen manifestiert und als „Ridge“ bezeichnet wird, wurde erstmals im Jahr 2005 bei Schwerionenkollisionen am Relativistic Heavy-Ion Collider des Brookhaven National Laboratory in den USA beobachtet. Seitdem wurde es am Large Hadron Collider (LHC) auch bei kleineren Kollisionssystemen beobachtet, etwa Kollisionen zwischen Protonen.
Auf der Rencontres de Moriond Conference am 31. März 2023 berichtete die ALICE Collaboration über die Beobachtung einer Ridge-Korrelation in dem bislang einfachsten Kollisionssystem. Das Ergebnis bringt Physiker einen Schritt näher daran, den Ursprung von QGP-ähnlichen Phänomenen in kleinen Kollisionssystemen zu finden.
Die erste Beobachtung einer Ridge-Korrelation bei anderen Kollisionen als Schwerionenkollisionen wurde 2010 von der CMS Collaboration mit Protonenkollisionen gemacht, die eine relativ große Anzahl an Teilchen produzieren. Kurz darauf beobachteten CMS, ALICE und ATLAS das Phänomen auch bei Kollisionen zwischen Protonen und Bleikernen. Diese Beobachtungen waren eine Überraschung – solche Kollisionssysteme wurden für zu klein und einfach gehalten, um QGP-ähnliches Kollektivverhalten zu entwickeln. Weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass die beobachteten Ridge-Korrelationen tatsächlich eine kollektive Natur haben, aber die genauen Mechanismen, die dieses Kollektivverhalten in diesen kleineren und einfacheren Systemen stützen, müssen noch identifiziert werden.
In der neuesten Studie wollte die ALICE Collaboration untersuchen, ob eine Ridge-Korrelation auch bei Protonenkollisionen auftritt, die eine relativ geringe Anzahl an Teilchen erzeugen. Die ALICE-Forscher analysierten einen große Datensatz mit Protonenkollisionen, die von der Collaboration während des zweiten LHC-Betriebslaufs aufgezeichnet wurden, um zu sehen, wie der Ridge-Effekt von der Anzahl der erzeugten Teilchen abhängt. Dann zeichneten sie ein Diagramm mit der Anzahl der von einer Reihe solcher Kollisionen produzierten Teilchenpaare entlang zweier Richtungen relativ zur Kollisionsachse ein und fanden eine deutliche ridge-ähnliche Form.
Als nächstes betrachtete das ALICE-Team, wie sich die Anzahl der mit dem Ridge zusammenhängenden Teilchenpaare mit der Muliplizität des Kollisionssystems veränderte. Sie verglichen die Ergebnisse mit früheren Ergebnissen aus Elektron-Positron-Kollisionen, die vom ALEPH-Experiment am Large Electron-Positron Collider aufgezeichnet wurden, dem Vorgänger des LHC. Der Vergleich ergab, dass bei derselben Multiplizität die Ridge-Korrelation bei Protonenkollisionen stärker ist als bei Elektron-Positron-Kollisionen, bei denen bisher keine Ridge-Korrelation beobachtet wurde.
Diese neuen ALICE-Ergebnisse und zukünftige Studien basierend auf Daten des 3. LHC-Betriebslaufs sollten Physikern dabei helfen, die Mechanismen zu identifizieren, die das Kollektivverhalten in kleinen Kollisionssystemen steuern.
(THK)
Antworten