Forscher entdecken fehlendes Bindeglied in der Evolution komplexer Zellen

Die Mikroben wurden im Atlantik zwischen Grönland und Norwegen in einer Tiefe von 2.352 Metern gefunden. (Photograph: R. B. Pedersen, Centre for Geobiology (University of Bergen, Norge))
Die Mikroben wurden im Atlantik zwischen Grönland und Norwegen in einer Tiefe von 2.352 Metern gefunden. (Photograph: R. B. Pedersen, Centre for Geobiology (University of Bergen, Norge))

In einer neuen Studie präsentiert ein Forschungsteam unter Leitung der Uppsala University in Schweden die Entdeckung einer neuen Mikrobe, die ein fehlendes Bindeglied in der Evolution des komplexen Lebens darstellt. Die Studie wurde diese Woche im Journal Nature veröffentlicht. Sie liefert ein neues Verständnis davon, wie sich vor Milliarden Jahren aus einfachen Mikroben die komplexen Zelltypen entwickelten, aus denen Pflanzen, Pilze aber auch Tiere und Menschen bestehen.

Zellen sind die Grundbausteine allen Lebens auf unserem Planeten. Während die Zellen von Bakterien und anderen Mikroben klein und einfach sind, besteht alles sichtbare Leben – auch wir Menschen – normalerweise aus großen und komplexen Zelltypen. Der Ursprung dieser komplexen Zelltypen war für die wissenschaftliche Gemeinschaft lange Zeit ein Rätsel, aber jetzt haben Forscher der Uppsala University in Schweden eine neue Gruppe Mikroorganismen entdeckt, die ein fehlendes Bindeglied in dem evolutionären Übergang von einfachen zu komplexen Zellen darstellt.

In den 1970er Jahren entdeckte der gefeierte Biologe Carl Woese eine komplett neue Gruppe Mikroorganismen – die Archaeen – und zeigte, dass diese einen eigenen Ast im Baum des Lebens repräsentieren. Das war eine Entdeckung, die die wissenschaftliche Gemeinschaft zu der Zeit verblüffte. Obwohl die Zellen von Archaeen einfach und klein wie Bakterien waren, stellten Forscher fest, dass sie enger mit Organismen verwandt sind, die über komplexe Zelltypen verfügen. Diese Organismen werden allgemein als Eukaryoten bezeichnet. Die Beobachtung hat Wissenschaftlern seit Jahrzehnten Kopfzerbrechen bereitet: Wie konnten sich aus den einfachen Zellen der Archaeen die komplexen Zelltypen der Eukaryoten entwickeln?

In der dieswöchigen Ausgabe von Nature berichten Forscher der Uppsala University in Schweden zusammen mit Kollegen der Universitäten in Bergen (Norwegen) und Wien (Österreich) über die Entdeckung einer neuen Archaeen-Gruppe – die Lokiarchaeota (oder kurz Loki). Sie identifizieren sie als ein fehlendes Bindeglied für den Ursprung der Eukaryoten.

„Das Rätsel des Ursprungs der Zellen von Eukaryoten ist extrem kompliziert, weil immer noch viele Puzzleteile fehlen. Wir hofften, dass Loki ein paar weitere Teile des Puzzles aufdecken könnte, aber als wir die ersten Ergebnisse ansahen, konnten wir unseren Augen nicht trauen. Die Daten sahen einfach spektakulär aus“, sagte Thijs Ettema vom Department of Cell and Molecular Biology der Uppsala University. Er leitete das Forschungsteam, das die Studie durchführte.

„Durch die Untersuchung ihres Genoms fanden wir heraus, dass Loki ein Zwischenstadium zwischen den einfachen Zellen von Mikroben und den komplexen Zelltypen der Eukaryoten darstellt“, sagte Ettema. Als Loki in den Baum des Lebens eingefügt wurde, bestätigte sich diese Theorie. „Bei unseren Analysen bildete Loki eine gut unterstützte Gruppe mit den Eukaryoten“, sagte Lionel Guy, einer der Seniorforscher von der Uppsala University, der an der Studie beteiligt war.

„Darüber hinaus stellten wir fest, dass Loki viele Gene nur mit Eukaryoten gemeinsam hat. Das spricht dafür, dass die Zellkomplexität in einem frühen Entwicklungsstadium der Eukaryoten entstand“, sagte Anja Spang vom Department of Cell and Molecular Biology der Uppsala University. Sie ist eine der Hauptautoren der Studie.

Der Name Lokiarchaeota ist abgeleitet von der feindseligen Umgebung, in deren Nähe die Mikroorganismen gefunden wurden: „Loki’s Castle“ ist ein System hydrothermaler Schlote auf dem Mittelatlantischen Rücken zwischen Grönland und Norwegen und liegt in einer Tiefe von 2.352 Metern.

„Hydrothermale Schlote sind vulkanische Systeme auf dem Meeresboden. Der Ort, an dem Loki gefunden wurde, wird stark durch vulkanische Aktivität beeinflusst, weist aber eine recht niedrige Temperatur auf“, sagte Steffen Jørgensen von der Universität Bergen in Norwegen. Er nahm die Proben am Fundort von Loki.

„Extreme Umgebungen enthalten normalerweise viele unbekannte Mikroorganismen, die wir als mikrobielle Dunkle Materie bezeichnen“, sagte Jimmy Saw vom Department of Cell and Molecular Biology der Uppsala University, einer der Hauptautoren der Abhandlung.

Durch die Erforschung der mikrobiellen Dunklen Materie mit Hilfe neuer genetischer Techniken hoffen Thijs Ettema und sein Team, weitere Anhaltspunkte darüber zu finden, wie komplexe Zellen entstanden. „In gewisser Weise haben wir gerade erst angefangen. Es gibt dort draußen noch viel zu entdecken, und ich bin überzeugt davon, dass wir gezwungen sein werden, unsere Biologie-Lehrbücher in naher Zukunft öfter zu überarbeiten“, sagte er.

Quelle: http://www.uu.se/en/media/news/article/?id=4648&area=2,5,16&typ=artikel&lang=en

(THK)

Werbung

Ersten Kommentar schreiben

Antworten

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.


*