
Der immense Gashalo, der unsere nächstgelegene, massereiche galaktische Nachbarin – die Andromeda-Galaxie – umgibt, ist etwa sechsmal größer und 1.000 Mal massereicher als zuvor gemessen. Das stellten Wissenschaftler mit Hilfe des Weltraumteleskops Hubble fest. Der dunkle, fast unsichtbare Halo erstreckt sich bis in eine Entfernung von etwa eine Million Lichtjahren von seiner Heimatgalaxie – das ist ungefähr die halbe Strecke bis zu unserer eigenen Milchstraßen-Galaxie. Astronomen versprechen sich von diesem Ergebnis, mehr über die Entwicklung und die Struktur von majestätischen Riesenspiralgalaxien zu erfahren – einem der häufigsten Galaxientypen im Universum.
“Halos sind die gasreichen Atmosphären von Galaxien. Modellen über die Galaxienentwicklung zufolge steuern die Eigenschaften dieser Gashalos die Rate, mit der Sterne in Galaxien entstehen”, erklärte der leitende Wissenschaftler Nicolas Lehner von der University of Notre Dame (Indiana). Der gigantische Halo enthält schätzungsweise etwa die halbe Masse der Sterne in der Andromeda-Galaxie selbst. Die Masse liegt in der Form eines heißen, diffusen Gases vor. Wenn er mit dem bloßen Auge beobachtet werden könnte, hätte der Halo am Himmel etwa den 100-fachen Durchmesser des Vollmonds. Das entspricht einem Himmelsausschnitt, der von zwei Basketbällen am ausgestreckten Arm abgedeckt wird.
Die Andromeda-Galaxie liegt 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt und sieht aus wie eine schwache Spindel. Am Himmel erscheint sie ungefähr sechsmal größer als der Vollmond. (Anm. d.Red.: Mit dem bloßen Auge ist allerdings nur ihr heller Kern zu sehen. Ihre tatsächliche Größe zeigt sich erst auf langbelichteten Aufnahmen.)
Weil das Gas im Halo der Andromeda-Galaxie dunkel ist, betrachtete das Forschungsteam helle Hintergrundobjekte durch das Gas und beobachtete, wie sich das Licht veränderte. Es ist ähnlich wie das Angucken eines leuchtenden Lichts auf dem Grund eines Pools bei Nacht. Die idealen Hintergrund-“Lichter” für solch eine Studie sind Quasare – das sind sehr weit entfernte, helle Kerne von aktiven Galaxien, die von Schwarzen Löchern mit Energie versorgt werden. Das Team nutzte 18 Quasare, die sich weit hinter der Andromeda-Galaxie befinden, um zu untersuchen, wie die Materie jenseits der sichtbaren Scheibe der Galaxie verteilt ist. Die Ergebnisse der Forscher wurden in der Astrophysical Journal-Ausgabe vom 4. Mai 2015 veröffentlicht.
Frühere Studien des Hubble Cosmic Origins Spectrograph (COS)-Halos-Programms untersuchten 44 entfernte Galaxien und fanden Halos wie den der Andromeda-Galaxie. Aber bis jetzt wurde bei keiner benachbarten Galaxie ein derart massereicher Halo beobachtet. Weil die zuvor untersuchten Galaxien viel weiter entfernt waren, erschienen sie deutlich kleiner am Himmel. Hinter jeder der weit entfernten Galaxien konnte nur ein Quasar registriert werden, der nur einen Lichtankerpunkt für die Kartierung der Halogröße und -struktur lieferte. Wegen ihrer Nähe zur Erde und dem damit verbundenen größeren Erscheinungsbild am Himmel, erlaubt die Andromeda-Galaxie eine viel umfassende Untersuchung mit zahlreichen Hintergrundquasaren.
“Während das Licht der Quasare in Richtung Hubble reist, wird das Gas des Halos einen Teil davon absorbieren und den Quasar in einem sehr kleinen Wellenlängenbereich ein wenig dunkler erscheinen lassen”, erklärte J. Christopher Howk von der University of Notre Dame. “Indem wir den Helligkeitsabfall in diesem Bereich messen, können wir sagen, wie viel Gas sich zwischen uns und dem Quasar befindet.”
Die Wissenschaftler nutzten Hubbles ausgezeichnete Fähigkeit, das ultraviolette Licht der Quasare zu registrieren. Ultraviolettes Licht wird von der Erdatmosphäre absorbiert, weshalb es schwierig ist, es mit Teleskopen auf der Erdoberfläche zu beobachten. Um diese Forschungsarbeit durchzuführen, griff das Team auf Daten des Hubble-Archivs zurück, die im Verlauf von fünf Beobachtungsjahren gesammelt wurden. Viele vorherige Hubble-Beobachtungskampagnen haben Quasare verwendet, um Gas zu untersuchen, das viel weiter entfernt ist als die Andromeda-Galaxie (aber grob in ihrer Richtung liegt). Ein Schatzkiste voller Daten existierte also bereits.
Aber woher stammt der gigantische Halo? Großräumige Simulation von Galaxien lassen darauf schließen, dass der Halo zur selben Zeit entstand wie der Rest der Andromeda-Galaxie. Das Team stellte auch fest, dass er mit Elementen angereichert ist, die viel schwerer als Wasserstoff und Helium sind, und die einzige Möglichkeit, diese schweren Elemente zu bekommen, sind explodierende Sterne – Supernovae. Die Supernovae explodierten in der sternreichen Scheibe der Andromeda-Galaxie und schleuderten diese schwereren Elemente weit in den Weltraum hinaus. Im Laufe der bisherigen Lebensdauer der Andromeda-Galaxie wurde fast die Hälfte aller schweren Elemente, die von den Sternen produziert wurden, bis weit jenseits ihrer 200.000 Lichtjahre großen Scheibe geweht.
Was bedeutet das für unsere eigene Galaxie? Weil wir innerhalb der Milchstraßen-Galaxie leben, können Wissenschaftler nicht bestimmen, ob ein vergleichbar massereicher und ausgedehnter Halo um unsere eigene Galaxie existiert oder nicht. Es ist ein Fall von “den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen”. Falls die Milchstraßen-Galaxie einen ähnlich großen Halo besitzt, könnten sich die Halos der beiden Galaxien bereits berühren und langsam verschmelzen, lange bevor die massereichen Galaxien miteinander kollidieren. Hubble-Beobachtungen sprechen dafür, dass die Andromeda-Galaxie und die Milchstraßen-Galaxie in etwa vier Milliarden Jahren miteinander verschmelzen werden, um eine elliptische Riesengalaxie zu bilden.
Das Hubble Space Telescope ist ein internationales Gemeinschaftsprojekt zwischen der NASA und der European Space Agency (ESA). Das Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland) betreibt das Teleskop. Das Space Telescope Science Institute (STScI) in Baltimore führt die wissenschaftlichen Operationen Hubbles durch. Das STScI wird von der Association of Universities for Research in Astronomy, Inc. in Washington für die NASA geleitet.
Quelle: http://www.nasa.gov/feature/goddard/nasa-s-hubble-finds-giant-halo-around-the-andromeda-galaxy
(THK)
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