Neue Belege für einen großen frühzeitlichen Ozean auf dem Mars

Vergleich des untersuchten Deltas in Sedimentgesteinen auf dem Mars (links) mit einem heutigen Delta auf der Erde (rechts). Die langen, verästelten Hangstrukturen auf dem linken Bild werden als invertierte Kanalablagerungen eines frühzeitlichen Deltas interpretiert. (DiBiase et al. / Journal of Geophysical Research / 2013 and USGS / NASA Landsat)
Vergleich des untersuchten Deltas in Sedimentgesteinen auf dem Mars (links) mit einem heutigen Delta auf der Erde (rechts). Die langen, verästelten Hangstrukturen auf dem linken Bild werden als invertierte Kanalablagerungen eines frühzeitlichen Deltas interpretiert. (DiBiase et al. / Journal of Geophysical Research / 2013 and USGS / NASA Landsat)

Forscher des California Institute of Technology (Caltech) haben Belege für ein altes Delta auf dem Mars gefunden, wo sich einst ein Fluss in einen ausgedehnten Ozean ergossen haben könnte. Dieser Ozean, sofern er tatsächlich existierte, könnte einen Großteil der nördlichen Marshemisphäre bedeckt haben – bis zu einem Drittel der Planetenoberfläche.

“Wissenschaftler haben lange vermutet, dass die nördlichen Tiefebenen des Mars ein ausgetrockneter Meeresboden sind, aber bislang hat niemand den entscheidenden Beweis gefunden”, sagte Mike Lamb, ein Assistenzprofessor für Geologie am Caltech und Co-Autor der Studie, die die Ergebnisse beschreibt. Die Abhandlung wurde am 12. Juli 2013 online im Journal of Geophysical Research veröffentlicht. Obwohl die neuen Ergebnisse weit vom Beweis der Existenz eines frühzeitlichen Ozeans entfernt seien, würden sie einige der bislang stärksten Belege liefern, sagte Roman DiBiase, ein Postdoktorand am Caltech und leitender Autor der Studie.

Der Großteil der nördlichen Marshemisphäre ist flach und liegt in einer geringeren Höhe als die südliche Hemisphäre. Deshalb sieht sie ähnlich aus wie die Ozeanbecken auf der Erde. Die Grenze zwischen den Tiefebenen und Hochländern wäre die Küstenlinie des hypothetischen Ozeans gewesen.

Das Caltech-Team verwendete neue hochauflösende Bilder des Mars Reconnaissance Orbiter (MRO), um ein 100 Quadratkilometer großes Gebiet zu untersuchen, das genau auf dieser möglichen früheren Küstenlinie liegt. Vorherige Satellitenbilder haben gezeigt, dass dieses Gebiet von kammähnlichen Strukturen bedeckt ist, die als invertierte Kanäle bezeichnet werden. Das Gebiet selbst ist Teil einer größeren Region namens Aeolis Dorsa, etwa 1.000 Kilometer entfernt vom Gale-Krater, dem jetzigen Standort des Curiosity-Rovers.

Die invertierten Kanäle entstehen, wenn grobes Material wie großer Kies oder Geröll von Flüssen mitgerissen wird, sich am Grund absetzt und mit der Zeit anhäuft. Nach dem Austrocknen des Flusses erodiert das feinere Material wie Lehmkörnchen, Schluff und Sand um den Fluss weg und lässt den gröberen Schotter zurück. Diese zurückgebliebenen Sedimente erscheinen heute als kammähnliche Strukturen, die das frühere Flusssystem nachzeichnen.

Von oben betrachtet scheinen sich die invertierten Kanäle aufzufächern, was auf einen von drei möglichen Ursprüngen hinweist: Die invertierten Kanäle könnten einst ein Einzugsgebiet gewesen sein, durch das Flüsse und Bäche einen Berg hinab flossen und zusammenfanden, um einen größeren Fluss zu bilden. Das Wasser könnte auch in die andere Richtung geflossen sein und einen Schwemmfächer gebildet haben, wo sich ein einziger Flusskanal in mehrere kleinere Flüsse und Bäche verzweigt hat. Oder die invertierten Kanäle sind in Wirklichkeit Teil eines Deltas, was vergleichbar mit einem Schwemmfächer ist, nur mit dem Unterschied, dass sich die kleineren Flüsse und Bäche in eine größere Wasserfläche ergießen, zum Beispiel in einen Ozean.

Um herauszufinden, welches dieser Szenarien am wahrscheinlichsten war, wandten sich die Forscher den Satellitenbildern der HiRISE-Kamera an Bord des MRO zu. Durch Aufnahmen aus verschiedenen Positionen ihrer Umlaufbahn war die Raumsonde in der Lage, Stereobilder zu erstellen, die den Forschern erlaubten, die Topografie der Marsoberfläche zu bestimmen. Die HiRISE-Kamera kann Oberflächenstrukturen von nur 25 Zentimetern Größe erkennen und die topografischen Daten können mit einer Auflösung von einem Meter Höhenunterschiede anzeigen.

Mit diesen Daten analysierten die Caltech-Forscher die stratigrafischen Schichten der invertierten Kanäle und fügten die Ablagerungsgeschichte der Sedimente entlang dieser frühzeitlichen Flüsse und Bäche zusammen. Das Team konnte die Abhänge der Kanäle für den Zeitraum bestimmen, als noch Wasser an ihnen entlang floss. Solche Hangmessungen können die Flussrichtung des Wassers offenbaren. In diesem Fall zeigten sie, dass sich das Wasser ausbreitete und nicht zusammenfloss, was dafür spricht, dass die invertierten Kanäle Teil eines Schwemmfächers oder Deltas waren.

Aber die Forscher fanden auch Hinweise für einen plötzlichen Anstieg des Gefälles bei den Sedimentbetten nahe dem Ende der invertierten Kanäle. Diese Art von steilen Abhängen findet man gewöhnlich, wenn sich ein Fluss in eine große Wasserfläche ergießt, was darauf schließen lässt, dass die invertierten Kanäle Teil eines Deltas und kein Schwemmfächer waren. Wissenschaftler haben bereits zuvor Deltas auf dem Mars entdeckt, aber die meisten liegen innerhalb einer geologischen Begrenzung, beispielsweise einem Krater. Daher wäre das Wasser am wahrscheinlichsten in einen See geflossen, der von solch einer Begrenzung umschlossen wurde und würde keine Belege für einen Ozean liefern.

Das kürzlich entdeckte Delta liegt jedoch nicht innerhalb eines Kraters oder einer anderen Begrenzung, was darauf hindeutet, dass sich das Wasser wahrscheinlich in eine große Wasserfläche wie einen Ozean ergoss. “Dies ist vielleicht eines der überzeugendsten Beweisstücke für ein Delta in einer unbegrenzten Region – und ein Delta weist auf die Existenz einer ausgedehnten Wasserfläche in der nördlichen Marshemisphäre hin”, sagte DiBiase. Die große Wasserfläche könnte ein Ozean gewesen sein, der Vermutungen zufolge ein Drittel der Planetenoberfläche bedeckte. Zumindest hätte das Wasser die gesamte Aeolis Dorsa Region bedeckt, welche rund 100.000 Quadratkilometer umfasst.

Natürlich gibt es noch andere mögliche Erklärungen. Es sei beispielsweise plausibel, dass es zu einer Zeit eine Begrenzung – etwa einen großen Krater – gab, der später ausradiert wurde, ergänzte Lamb. Aber das würde einen recht umwälzenden geologischen Prozess erfordern und bedeuten, dass die Marsoberfläche geologisch aktiver gewesen wäre als bislang angenommen. Der nächste Schritt wird sein, die Erforschung der Grenze zwischen den südlichen Hochländern und den nördlichen Tiefebenen – die hypothetische Küstenlinie – fortzuführen und andere Sedimentablagerungen zu untersuchen, um zu sehen, ob sie weitere Belege für einen Ozean enthalten.

“In unserer Arbeit und der von anderen (darunter die des Curiosity-Rovers) finden Wissenschaftler eine reichhaltige Sedimentaufzeichnung des Mars, welche seine frühzeitlichen Umgebungen offenbart: Regen, fließendes Wasser, Deltas und mögliche Ozeane”, sagte Lamb. “Sowohl die frühen Umgebungen auf dem Mars als auch das Sedimentarchiv dieser Umgebungen stellen sich als überraschend erdähnlich heraus.”

Der Titel der Studie im Journal of Geophysical Research lautet “Deltaic deposits at Aeolis Dorsa: Sedimentary evidence for a standing body of water on the northern plains of Mars”. Neben DiBiase und Lamb wirkten die Studenten Ajay Limaye und Joel Scheingross sowie der Assistenzprofessor für Geologie Woodward Fischer an der Studie mit. Diese Forschungsarbeit wurde von der National Science Foundation, der NASA und dem Caltech unterstützt.

Quelle: http://www.caltech.edu/content/evidence-martian-ocean

(THK)

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