Evolutionärer Ursprung des komplexen Lebens: Tiere brauchen nur sehr wenig Sauerstoff

Dies ist ein Exemplar der Schwammspezies Halichondria panicea aus dem Kerteminde Fjord in Dänemark, das für die Untersuchungen verwendet wurde. (Daniel Mills / SDU)
Dies ist ein Exemplar der Schwammspezies Halichondria panicea aus dem Kerteminde Fjord in Dänemark, das für die Untersuchungen verwendet wurde. (Daniel Mills / SDU)

Eines der größten Dogmen in der Wissenschaft besagt, dass sich komplexes Leben auf der Erde nur entwickeln konnte, als der Sauerstoffgehalt in der Atmosphäre bis nahe an das heutige Level anstieg. Aber Untersuchungen eines kleinen Meeresschwamms zeigen jetzt, dass komplexes Leben keinen hohen Sauerstoffgehalt benötigt, um leben und wachsen zu können. Der Schwamm wurde aus einem dänischen Fjord gefischt.

Der Ursprung komplexen Lebens ist eines der größten Rätsel in der Wissenschaft. Wie konnten sich die ersten kleinen, primitiven Zellen in die Vielfalt fortgeschrittener Lebensformen entwickeln, die heute auf der Erde leben? Die Erklärung in allen Lehrbüchern lautet: Sauerstoff. Komplexes Leben entstand, weil der atmosphärische Sauerstoffgehalt vor 630-635 Millionen Jahren anzusteigen begann.

Neue Untersuchungen eines verbreiteten Meeresschwamms aus dem Kerteminde Fjord in Dänemark zeigen allerdings, dass diese Erklärung überprüft werden muss. Die Untersuchungen des Schwamms ergaben, dass Tiere sogar bei sehr begrenzter Sauerstoffzufuhr leben und wachsen können. Tatsächlich können Tiere leben und wachsen, wenn die Atmosphäre lediglich 0,5 Prozent des heutigen Sauerstoffgehalts aufweist. “Unsere Studien sprechen dafür, dass die Entstehung der Tiere nicht durch einen niedrigen Sauerstoffgehalt unterbunden wurde”, sagte Daniel Mills, ein Doktorand am Nordic Center for Earth Evolution an der University of Southern Denmark. Zusammen mit Lewis M. Ward vom California Institute of Technology (Caltech) ist er leitender Autor einer Abhandlung über die Forschungsarbeit im Journal PNAS.

Vor etwas mehr als einer halben Milliarde Jahren entstanden auf der Erde die ersten Formen komplexen Lebens – Tiere. Milliarden Jahre davor hatte Leben nur aus einfachen, einzelligen Lebensformen bestanden. Das Erscheinen von Tieren fiel mit einem starken Anstieg des atmosphärischen Sauerstoffs zusammen und dadurch schien es offensichtlich, die beiden Ereignisse miteinander zu verbinden und schlusszufolgern, dass der erhöhte Sauerstoffgehalt zu der Entwicklung von Tieren geführt hatte. “Aber niemand hat jemals getestet, wie viel Sauerstoff Tiere benötigen, zumindest nicht meines Wissens nach. Deswegen entschieden wir uns, es herauszufinden”, sagte Mills.

Die heute lebenden Tiere, die den ersten Tieren auf der Erde am ähnlichsten sind, sind Meeresschwämme. Die Spezies Halichondria panicea lebt nur ein paar Meter entfernt vom Marine Biological Research Center in Kerteminde, einem Institut der University of Southern Denmark. Hier fischte Mills die Exemplare für seine Forschung heraus. “Als wir die Schwämme in unserem Labor platzierten, atmeten und wuchsen sie weiterhin, sogar als der Sauerstoffgehalt 0,5 Prozent des heutigen atmosphärischen Levels erreichte”, sagte Mills. Das ist geringer als jener Sauerstoffgehalt, von dem wir annahmen, dass er für tierisches Leben [mindestens] notwendig ist.

Die große Frage ist jetzt: Wenn ein geringer Sauerstoffgehalt die Tiere nicht an ihrer Entwicklung hinderte, was war es dann? Warum bestand Leben Milliarden Jahre lang nur aus primitiven, einzelligen Bakterien und Amöben, bevor plötzlich alles explodierte und komplexes Leben entstand?

“Es müssen andere ökologische und evolutionäre Mechanismen im Spiel gewesen sein. Möglicherweise blieb Leben solange mikrobiell, weil es eine Weile brauchte, um die biologischen Prozesse zu entwickeln, die für die Konstruktion eines Tieres erforderlich sind. Vielleicht gab es auf der urzeitlichen Erde keine Tiere, weil komplexe, vielzellige Körper einfach schwer zu entwickeln sind”, sagte Mills.

Seine Kollegen vom Nordic Center for Earth Evolution haben schon früher gezeigt, dass der Sauerstoffgehalt vorher mindestens einmal dramatisch angestiegen ist – zumindest einmal, bevor sich komplexes Leben entwickelte. Obwohl dadurch reichlich Sauerstoff verfügbar wurde, führte es nicht zu der Entwicklung komplexen Lebens.

Komplexes Leben unterscheidet sich von primitiven Lebensformen wie Bakterien und Amöben auf vielerlei Art. Der wichtigste Unterschied besteht darin, dass komplexes Leben vielzellig ist und dass sich die Zellen differenzieren und spezialisieren können. Beispiele für komplexes Leben sind Tiere, Pflanzen und Pilze.

Abhandlung: “The oxygen requirements of the earliest animals” in PNAS

Quelle: http://www.sdu.dk/en/Om_SDU/Fakulteterne/Naturvidenskab/Nyheder/2014_02_17_sponge_oxygen

(THK)

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