Am 19. Juli 2009 entdeckte der australische Amateur-Astronom Anthony Wesley eine dunkle Narbe in den mittleren Breiten der Südhalbkugel Jupiters. Zwei neuen Studien zufolge wurde die Narbe von einem felsigen Asteroiden von der Größe der Titanic (knapp 300 Meter) verursacht, der in die Atmosphäre des Gasriesen stürzte.
Zu diesem Ergebnis kamen die beiden Forschungsteams um Glenn Orton vom Jet Propulsion Laboratory der NASA und Leigh Fletcher von der University of Oxford in Großbritannien. Aufgrund von Daten dreier Infrarot-Teleskope waren die Wissenschaftler in der Lage, die thermischen und chemischen Bedingungen in den angrenzenden Schockwellen und in der Narbe selbst zu untersuchen.
Orton sagte, dass das Einschlagereignis und die Tatsache, nach der es sich um einen Asteroiden und keinen eisreichen Kometen handelte, schon zeigen würde, dass das äußere Sonnensystem eine komplexe, dynamische Region ist und das dort noch einige Überraschungen auf uns warten.
Die neuen Ergebnisse decken sich mit Daten des Hubble-Weltraumteleskops, die darauf hindeuteten, dass die Überreste des Einschlags vom 19. Juli 2009 schwerer oder dichter waren als die Überreste des Einschlags von Shoemaker-Levy 9, einem Kometen, der 1994 in Jupiters Atmosphäre stürzte.
Vor dem Einschlag vom 19. Juli 2009 hatten die Wissenschaftler angenommen, dass ausschließlich Kometen mit instabilen Umlaufbahnen in den Jupiter stürzen, nachdem sie von dessen Gravitationsfeld eingefangen wurden. Kometen dieser Art gehören zur so genannten Jupiter-Familie. Weiterhin vermutete man, dass Jupiter seinen gravitativen Einflussbereich nahezu gänzlich von Asteroiden und ähnlichen Objekten gesäubert hatte. Neben dem Einschlag von Shoemaker-Levy 9 konnte man nur zwei weitere deutlich kleinere Einschläge registrieren, die Jupiters obere Atmosphäre kurz aufleuchten ließen.
Der Einschlag vom 19. Juli 2009 fand zwischen 9 und 11 Uhr morgens (UTC, Koordinierte Weltzeit) statt. Anthony Wesley bemerkte die entstandene Narbe als erstes, sie zeigte sich als dunkler Fleck in den mittleren Breiten der südlichen Hemisphäre. Wesley informierte Orton und dessen Mitarbeiter, die unverzüglich ihre vorhandene Beobachtungszeit an der Infrared Telescope Facility auf dem Mauna Kea (Hawaii) in Anspruch nahmen. Außerdem schlugen sie Beobachtungszeit bei weiteren leistungsfähigen Großteleskopen vor, darunter dem Gemini North Observatory auf Hawaii, dem Gemini South Telescope in Chile, und dem Very Large Telescope der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile. Während der nächsten Woche sammelten die Teleskope regelmäßig Daten von der betroffenen Region auf Jupiter.
Die Auswertung der Daten ergab, dass sich die Atmosphäre 42 Kilometer über den oberen Wolkenschichten um drei bis vier Kelvin erwärmt hatte. Das klingt zwar relativ unspektakulär, ist in Anbetracht der schieren Ausdehnung des Areals aber eine gewaltige Ansammlung von Energie.
Während das Objekt durch Jupiters Atmosphäre drang, erzeugte es einen Kanal aus stark erhitzten Gasen und Trümmern, bevor es tief unter den Wolkenschichten explodierte und dabei eine Energie von schätzungsweise fünf Gigatonnen TNT freisetzte. Die Explosion schleuderte Trümmer und Staub entlang des Kanals zurück bis über die oberste Wolkenschicht, von wo aus sie auf selbige herabfielen. Der heiße Staub und die Aerosole verursachten dann die Erwärmung der Atmosphäre, die man im Infrarotbereich beobachten konnte. Durch die Explosion wurden auch Ammoniak und verschiedene andere Gase aus der tiefen Atmosphäre (der Troposphäre) Jupiters in die hohen Atmosphärenschichten (die Stratosphäre) geschleudert.
Fletcher zufolge zeigten Vergleiche zwischen den 2009 entstandenen Bildern und den Bildern des Einschlags von Shoemaker-Levy 9 faszinierende Unterschiede, was die Art des eingeschlagenen Objekts betrifft. Demnach waren die dunklen Narben, die erwärmte Atmosphäre und das hochgeschleuderte Ammoniak bei beiden Einschlägen ähnlich. Jedoch erreichte die Trümmer- und Staubwolke von 2009 nicht die Höhe und erwärmte auch nicht die Stratosphäre. Außerdem konnte man Signaturen diverser Kohlenwasserstoffe, Silikate und Kieselsäuren in ihr feststellen. Die Anwesenheit von Kohlenwasserstoffen und die Abwesenheit von Kohlenmonoxid deuten stark darauf hin, dass es sich bei dem Objekt von 2009 um einen wasserarmen Körper gehandelt haben muss.
Besonders ausschlaggebend war die lokal begrenzte Registrierung der Kieselsäuren in Jupiters Atmosphäre, weil diese sich nur während des Einschlags selbst gebildet haben konnte. Nur ein schweres Objekt war imstande, tief genug in die Jupiteratmosphäre eindringen und hochenergetische chemische Reaktionen auslösen, bevor es explodierte. Ein wesentlich leichterer Kometenkern hätte nicht so tief in die Atmosphäre eindringen können. Davon ausgehend, dass das Objekt eine mit Stein vergleichbare Dichte von etwa 2,5 Gramm pro Kubikzentimeter hatte, berechnete man für den Durchmesser des Impaktors einen Wert zwischen 200 und 500 Metern.
Die Teams analysierten auch die wahrscheinlichsten Umlaufbahnen, auf denen ein Objekt zum fraglichen Zeitpunkt in die betreffende Region Jupiters stürzen konnte. Die Umlaufbahnen verglich man anschließend mit den Orbits bekannter Asteroiden Kometen. Das Objekt 2005 TS100 – ein Asteroid oder möglicherweise ein inaktiver Komet – kam der berechneten Umlaufbahn am nächsten. Es war zwar definitiv nicht der Verursacher des Einschlags, jedoch hat es einen sehr chaotischen Orbit und kam Jupiter mehrmals bedenklich nahe, was bedeutet, dass ein Asteroid durchaus den Einschlag hervorgerufen haben könnte.
Paul Chodas, ein Wissenschaftler des Near-Earth Object Programs Office am Jet Propulsion Laboratory, bemerkte, dass man nicht erwartet habe, einen Asteroiden als Täter auszumachen, jedoch gelernt habe, dass Jupiter offenbar von einer Vielzahl verschiedener Objekte getroffen wird.
Asteroiden-Einschläge auf dem Gasriesen seien relativ selten, verglichen mit Einschlägen von Kometen der Jupiter-Familie, aber es scheint auch eine große Ansammlung von Asteroiden in dieser Kategorie zu geben. Die nächsten Schritte werden darin bestehen, die Eigenschaften des Objekts (Größe, Masse, etc.) mit Computersimulationen genauer einzugrenzen und nach zukünftigen Einschlägen Ausschau zu halten.
(THK)
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