Wissenschaftler haben herausgefunden, dass ein Pheromon, welches von weiblichen Kalmaren produziert wird, unter den Männchen sofort schwere Kämpfe auslöst, wenn diese damit in Kontakt kommen. Das aggressionsauslösende Pheromon, das wohl zum ersten Mal bei einem Meeresbewohner gefunden wurde, gehört zu einer Proteingruppe, die bei Wirbeltieren und somit auch dem Menschen bekannt ist. Die Ergebnisse der Studie erschienen in der Ausgabe der Current Biology vom 10.2.2011.
Kämpfe zwischen Männchen beruhen auf einem komplizierten Prozess, der durch Nervenreize, hormonelle, physiologische und psychologische Stimuli ausgelöst wird. Sie sind im Tierreich weit verbreitet und werden mit dem Erwerb und Beibehalt von Schutz oder Nahrung und sexuellem Konkurrenzkampf in Verbindung gebracht. „Die Identifikation dieses Pheromons als einzige Komponente in diesem Signalsystem ist höchst ungewöhnlich, weil der männliche Kalmar nur mit diesem Protein in Kontakt kommen muss, damit die komplette Kaskade dieser Verhaltensweise ausgelöst wird, die wir aggressive Kampfhandlung nennen“, so Roger Hanlon, leitender Wissenschaftler am Marine Biological Laboratory (MBL) in Woods Hole (Massachusetts) und Co-Autor der Studie.
Kalmare sind hochentwickelte, wirbellose Meeresbewohner, deren Paarungsverhalten mit dem der Wirbeltiere durchaus konkurrieren kann. Paarung und Eiablage des Langflossenkalmar (Loligo pealeii), auf den sich diese Studie konzentriert, geschehen überwiegend im Frühjahr, wenn die Tiere von den tiefen Gewässern vor der Küste in flachere Gebiete an der amerikanischen Ostküste von North Carolina bis Maine abwandern. Dabei paaren sich die Weibchen mehrfach mit verschiedenen Männchen, die erbittert um die Weibchen kämpfen.
Bei Feldstudien konnten die Wissenschaftler beobachten, dass sich die Männchen sichtlich von den Eiern angezogen fühlten, die auf dem Meeresgrund abgelegt worden waren, sich jedoch beim physischen Kontakt mit den Eiern ihr Verhalten von ruhigem Umherschwimmen zur höchsten Stufe der aggressiven Kampfhandlungen steigerte, sogar wenn überhaupt kein Weibchen anwesend war. Um herauszufinden, was genau dieses Verhalten hervorrief, führten Hanlon und seine Kollegen, darunter Scott Cummins von der University of the Sunshine Coast, Australien, Bernard Degnan von der Queensland University, Kendra Buresch vom MBL, Jean Boal und Johanna Holm von der Millersville University und Gregg Nagle vom Medical College of Georgia/University of Georgia Medical Partnership die Versuche in Laborexperimenten am MBL fort.
Sie entdeckten ein Pheromon-Protein, das im weiblichen Fortpflanzungstrakt gebildet und in die äußere Eihülle eingebettet wird. Als sie das Pheromon in Reinform den Kalmaren im Labor verabreichten, erhielten sie die selbe extrem aggressive Reaktion, sogar dann, als das Protein nur „unsichtbar“ auf ein Glasfläschchen gestrichen wurde, das Tintenfischeier enthielt. “ Das Kontakt-Pheromon war unglaublich widerstandsfähig gegen Zersetzung“, so Nagle. „Es schien für einen langen Zeitraum stabil zu sein, bis die Eier von männlichen Kalmaren entdeckt und berührt wurden.“
„Unsere Laborergebnisse zeigten, dass das Männchen, welches als erstes die Eier berührt hatte, viel schneller aggressiv wurde, als andere Männchen, die die Eier noch nicht berührt hatten“, so Hanlon. „Dies führt zur Dominanz der Männchen, die auf das Pheromon stoßen. Dominante Männchen begatten und paaren sich öfter mit den Weibchen mit dem Ergebnis, dass sie größeren Erfolg bei der Fortpflanzung haben und das ist der Lohn für das extrem aggressive Wettbewerbsverhalten.“
„Es war aufregend, eine solch wichtige Verhaltensweise bis auf molekulare Ebene nachzuverfolgen“, fügte Boal hinzu. „Das Forschungsprojekt erforderte sorgfältige Zusammenarbeit von Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Fähigkeiten. Es war großartig, ein Teile einer so weit verstreuten und interessanten Gruppe von Wissenschaftlern zu sein.“
Während es bei Landlebewesen mannigfaltige Entdeckungen von Pheromonen gibt, die Aggressionen auslösen können, denken die Wissenschaftler, dass diese Entdeckung bei Kalmaren ihnen entscheidend beim Verständnis von Übertragungswegen unterhalb der Meeresoberfläche helfen kann. „Die Kalmare könnten einen direkteren Weg entwickelt haben, um Aggression hervorzurufen“, so Hanlon. „Wir bezweifeln, dass viele Forscher sich vorstellen konnten, dass der Kontakt mit Molekülen in der Außenwelt ein so komplexes und extrem aggressives Verhalten auslösen könnte.“
Interessanterweise hat das bei den Kalmaren gefundene Pheromon-Protein Ähnlichkeit mit den Beta-Mikroseminoproteinen (ß-MSP), einer Gruppe von Proteinen, die bei Menschen und anderen Tieren nachgewiesen wurden. „Die Funktion von ß-MSP bei Wirbeltieren wurde noch nicht untersucht, doch könnte unser Ergebnis bei den Kalmaren andere Forscher dazu inspirieren, bei höheren Wirbeltieren ähnliche Funktionen zu untersuchen“, sagte Hanlon.
Quelle: http://www.mbl.edu/news/press_releases/2011_pr_02_10.html
(SOM)
Antworten