Wissenschaftler rekonstruieren das Genom des „Schwarzen Todes“

Ein Schädel vom East Smithfield Black Death Cemetery (Museum of London)
Ein Schädel vom East Smithfield Black Death Cemetery (Museum of London)

Gefundene Bakterien sind die Vorläufer aller späteren Pestausbrüche: Ein internationales Forschungsteam unter Leitung von Wissenschaftlern der McMaster University und der Universität Tübingen hat das komplette Genom des sogenannten Schwarzen Todes sequenziert, einer der verheerendsten Epidemien in der Geschichte der Menschheit.

Das ist das erste Mal, dass Wissenschaftler das rekonstruierte Genom eines antiken Krankheitserregers skizzieren konnten, was Forscher dabei unterstützen wird, Veränderungen in der Evolution des Erregers und seiner Virulenz im Laufe der Zeit rückverfolgen zu können. Die Arbeit, die jetzt in der Onlineausgabe des Wissenschaftsmagazins Nature veröffentlicht wurde, kann zu einem besseren Verständnis moderner Infektionskrankheiten führen.

Die Genetiker Hendrik Poinar und Kirsten Bos von der McMaster University und Johannes Krause und Verena Schuenemann von der Universität Tübingen arbeiteten unter anderem mit Brian Golding und David Earn von der McMaster, Hernan A. Burbano and Matthias Meyer vom Max Planck Institut für Evolutionäre Anthropologie und Sharon DeWitte von der University of South Carolina zusammen.

In einer Vorläuferstudie, die vor Kurzem veröffentlicht wurde, beschrieb das Team einen neuartigen Ansatz zum Extrahieren der winzigen, degradierten DNA-Fragmente des Erregers des Schwarzen Todes und bewies dabei, dass eine ganz spezielle Variante des Bakteriums Yersinia pestis verantwortlich für die Seuche war, die zwischen 1347 und 1351 50 Millionen Menschen in Europa dahingerafft hat.

Nach diesem Erfolg war der nächste Schritt, zu versuchen, das komplette Genom zu digitalisieren und sequenzieren, erklärte Poinar, außerordentlicher Professor und Direktor des McMaster Ancient DNA Centre und Forscher am Michael G. DeGroote Institute of Infectious Disease Research, ebenfalls an der McMaster University.

„Die Daten des Genoms zeigen, dass dieser Bakterienstamm oder Variante der Urahn aller modernen Pestausbrüche ist, die es heutzutage noch gibt. Jeder einzelne heutige Ausbruch auf der Welt stammt von einem Abkömmling dieses mittelalterlichen Pesterregers ab“, sagte er. „Mit einem besseren Verständnis der Evolution dieses tödlichen Erregers betreten wir eine neue Forschungsära für Infektionskrankheiten.“

„Mit Hilfe dieser Methode sollte es jetzt auch möglich sein, die Genome aller möglichen Arten von historischen Pathogenen zu untersuchen“, so Krause, einer der leitenden Autoren der Studie. „Dadurch werden wir einen direkten Einblick in die Evolution menschlicher Pathogene und historischer Pandemien bekommen.“

Die direkten Abkömmlinge der selben Beulenpest existieren auch noch heutzutage und töten ungefähr 2.000 Menschen pro Jahr.

Ein Teil der untersuchten Skelette vom East Smithfield Black Death Cemetery, einem speziell für Pestopfer angelegten Friedhof (Museum of London)
Ein Teil der untersuchten Skelette vom East Smithfield Black Death Cemetery, einem speziell für Pestopfer angelegten Friedhof (Museum of London)

„Wir fanden heraus, dass in den 660 Jahren der Evolution des menschlichen Pathogens nur relativ wenige Veränderungen im Genom des alten Organismus stattfanden, aber dass diese Veränderungen, obwohl so gering, möglicherweise verantwortlich sind für die nachgewiesene gesteigerte Virulenz des Bakteriums, das in Europa wütete“, so Poinar. „Der nächste Schritt ist, dass wir herausfinden, warum es so tödlich war.“

Bedeutende technische Neuerungen bei der Wiederherstellung und Sequenzierung von DNA haben den Bereich der genetischen Analyse historischer Erreger stark erweitert und neue Horizonte beim Verstehen von neu auftretenden und wieder auftretenden Infektionskrankheiten eröffnet.

DeWitte, Bos und Schuenemann untersuchten Skelettreste von Opfern, die in Pestgräbern in East Smithfield in London beigesetzt worden waren, dort wo sich jetzt die Royal Mint (staatliche Münzprägeanstalt von Großbritannien, Anm. d. Red.) befindet. Da sie sich auf vielversprechende Proben – die bereits im Vorfeld positiv auf Yersinia pestis getestet worden war – aus der Zahnpulpa von fünf Leichen konzentrierten, konnten sie die spezifische DNA des Erregers extrahieren, reinigen und anreichern und dadurch den Anteil der Hintergrund-DNA aus menschlicher DNA, von Pilzen oder anderen Bakterien als der Pest vermindern.

Durch die Verknüpfung der Daten der Skelettreste von 1349-1350 mit den Genomdaten konnten die Wissenschaftler das Alter des Urahnen von Yersinia pestis berechnen, der die mittelalterliche Pest verursacht hatte. Dieses Alter fügt sich irgendwo zwischen dem 12. und 13. Jahrhundert ein, und weist darauf hin, dass frühere Pestausbrüche, wie zum Beispiel die Justinianische Pest des 6. Jahrhunderts – von der man eigentlich dachte, sie wäre vom selben Erreger verursacht worden – sehr wahrscheinlich von einem anderen Erreger verursacht wurde, den man noch bestimmen muss. Die Justinianische Pest verbreitete sich über das Oströmische Reich und tötete schätzungsweise 100 Millionen Menschen weltweit.

Die Studie wurde finanziert von den Canadian Institutes for Health Research, dem Social Sciences and Humanities Research Council, dem Canada Research Chairs, einem Early Researcher Award der Regierung von Ontario, dem Michael G. DeGroote Institute of Infectious Disease Research, der Wenner Gren Foundation, und Medizinischen Fakultät der Universität Tübingen.

Quelle: http://dailynews.mcmaster.ca/story.cfm?id=8371

(SOM)

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