
Eine der angeblich am besten verstandenen und am wenigsten interessanten Landschaften auf dem Mars verbirgt etwas, das die Geschichte des Planeten neu schreiben könnte. Oder auch nicht. Sicher ist nur, dass Jahrzehnte alte Annahmen über die ausgedehnte, flache Ebene Hesperia Planum einer nochmaligen Überprüfung mit hochaufgelösten, neuen Raumsonden-Daten nicht sehr gut standhalten.
„Die meisten Wissenschaftler möchten sich nicht mit den flachen Dingen beschäftigen“, betonte die Geologin Tracy Gregg von der University of Buffalo, der State University of New York. Nachdem die Mars-Wissenschaftler früher also entschieden hatten, dass Hesperia Planum wie eine mit Lava gefüllte Ebene aussieht, hat sich niemand erneut mit der Struktur beschäftigt und die Region wurde benutzt, um etwas wichtigeres zu veranschaulichen: Die Basis einer bedeutenden Übergangsperiode in der geologischen Zeitskala des Mars. Die Periode wird passenderweise Hesperium genannt und umfasst den Zeitraum vor 3,7 bis 3,1 Milliarden Jahren.
Aber als Gregg und ihre Studentin Carolyn Roberts begannen, diese klassische Lavaebene auf dem Mars mit neuen Daten zu betrachten, bekamen sie Probleme.
„Es gibt einen Vulkan in Hesperia Planum, dem nicht viele Menschen Aufmerksamkeit zukommen lassen, weil er sehr klein ist“, sagte Gregg. „Als ich anfing, mir das großräumige Gebiet näher anzuschauen, konnte ich keine weiteren vulkanischen Schlote oder Flüsse finden. Ich hielt weiterhin Ausschau nach Lavaflüssen. Es ist ein bisschen frustrierend. Es gibt nichts derartiges in Hesperia Planum.“
„Eine wahrscheinliche Ursache für dieses Problem ist der dichte Staub, der Hesperia Planum bedeckt“, sagte sie. „Er bedeckt alles wie Schnee.“
Also widmete sie ihre Aufmerksamkeit dem, was man in Hesperia Planum erkennen kann: etwa ein Dutzend schmale, gebogene Kanäle – Rillen genannt – welche nur ein paar hundert Meter breit und und bis zu einigen hundert Kilometer lang sind. Diese Rillen haben keinen offensichtlichen Ursprung oder Zielort und es ist nicht ganz sicher, ob sie vulkanisch sind.
„Meine Frage lautet, was hat diese Kanäle erzeugt“, sagte Gregg. War es Wasser, Lava oder etwas anderes? „Es gibt Lavaarten, die sehr, sehr schnell sein können. Und beides sind Flüssigkeiten, die abwärts fließen.“ Daher könnte beides möglich sein.
Um die Möglichkeiten auszusortieren, suchen Gregg und Roberts jetzt auf dem Mond nach Hilfe. Ihre vorläufigen Ergebnisse wurden am Mittwoch (12. Oktober 2011) auf dem Treffen der Geological Society of America in Minneapolis präsentiert.


„Auf dem Mond sehen wir dieselben Arten von Strukturen und wir wissen, dass Wasser sie dort nicht erzeugt haben kann“, sagte Gregg. Sie und Roberts vergleichen derzeit die Mond- und Marsrillen, indem sie ähnliche Datensätze verschiedener Raumsonden verwenden, um zu sehen, ob das etwas Licht in den Sachverhalt bringt. Sie hofft Beweise zu finden, die Wasser oder Lava in Hesperia Planum ausschließen können.
„Jeder hat vermutet, dass dies große Lavaströme waren“, sagte Gregg. „Aber wenn es sich als Seeablagerungen herausstellt, ist es ein ganz anderes Bild von dem, was der Mars zu der Zeit gemacht hat.“ Es würde Hesperia Planum auch zu einem guten Ort machen, um nach Leben zu suchen, weil Wasser zusammen mit vulkanischer Hitze und Mineralien als gute Kombination angesehen werden, um Leben entstehen zu lassen.
„Der ‚vulkanische‘ Teil ist eine Interpretation, die beginnt, auseinanderzufallen“, sagte Gregg. „Was bleibt ist, dass das Hesperium einen Übergang zwischen dem Noachium (einer Zeit mit flüssigem Wasser auf der Oberfläche und der Entstehung vieler Einschlagkrater) und dem Amazonium (einem trockeneren, kälteren Mars) markiert.“
Andere Wissenschaftler sind wegen der möglichen Auswirkungen für die geologische Zeitskala des Mars an ihrer Forschungsarbeit interessiert. Gregg ist nicht beunruhigt, dass die Geschichte des Mars neu geschrieben werden muss, aber sie ahnt, dass Hesperia Planum viel komplizierter ist, als man lange gedacht hatte.
Quelle: http://www.geosociety.org/news/pr/11-71.htm
(THK)
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