ATLAS- und CMS-Experimente präsentieren aktuellen Status der Suche nach dem Higgs-Boson

ATLAS-Detektor (CERN)
ATLAS-Detektor (CERN)

In einem heute am CERN abgehaltenen Seminar präsentierten die Experimente ATLAS und CMS den aktuellen Status ihrer Suche nach dem Higgs-Boson des Standardmodells. Ihre Ergebnisse basieren auf der Analyse von wesentlich mehr Daten als die auf den Konferenzen im Sommer präsentierten Resultate – genug um einen entscheidenden Fortschritt bei der Suche nach dem Higgs-Boson zu machen, aber nicht ausreichend, um eine endgültige Aussage über die Existenz oder Nicht-Existenz des schwer nachweisbaren Higgs-Bosons zu treffen. Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass das Higgs-Boson des Standardmodells, falls es existiert, dem ATLAS-Experiment zufolge höchstwahrscheinlich eine Masse im Bereich zwischen 116 und 130 GeV (Gigaelektronenvolt) besitzt, laut dem CMS-Experiment liegt der Massenbereich zwischen 115 und 127 GeV. Beide Experimente fanden verlockende Hinweise in diesem Massenbereich, aber sie sind noch nicht eindeutig genug, um eine Entdeckung bekannt zu geben.

Higgs-Bosonen, falls sie existieren, sind sehr kurzlebig und können auf viele verschiedene Arten zerfallen. Die Entdeckung stützt sich mehr auf die Beobachtung der Partikel, in die sie zerfallen, als auf das Higgs-Boson selbst. ATLAS und CMS haben unterschiedliche Zerfallsmöglichkeiten analysiert und die Experimente sehen kleine Überschüsse in der niedrigmassigen Region, die noch nicht ausgeschlossen wurde.

Einzeln gesehen ist keiner dieser Überschüsse statistisch entscheidender als zu würfeln und zwei Sechsen nacheinander zu bekommen. Interessant ist, dass es mehrere unabhängige Messungen gibt, die auf die Region zwischen 124 und 126 GeV hindeuten. Es ist deutlich zu früh, um sagen zu können, ob ATLAS und CMS das Higgs-Boson entdeckt haben, aber diese neusten Ergebnisse erzeugen großes Interesse in der Teilchenphysik-Gemeinschaft.

“Wir haben den wahrscheinlichsten Massenbereich für das Higgs-Boson auf 116 bis 130 GeV eingegrenzt und während der vergangenen Wochen haben wir einen verblüffenden Überschuss an Ereignissen im Massenbereich um 125 GeV gesehen”, erklärte Fabiola Gianotti, Sprecherin des ATLAS-Experiments. “Dieser Überschuss könnte eine Störung sein, aber er könnte auch etwas Interessanteres sein. Wir können zu diesem Zeitpunkt nichts schlussfolgern. Wir brauchen weitere Untersuchungen und mehr Daten. Wenn man an die außergewöhnliche Performance des LHC in diesem Jahr denkt, werden wir nicht lange auf ausreichende Datenmengen warten müssen und können uns darauf freuen, dieses Rätsel 2012 zu lösen.”

“Wir können die Anwesenheit des Higgs-Bosons des Standardmodells zwischen 115 und 127 GeV nicht ausschließen, weil ein einheitlicher Überschuss an Ereignissen in diesem Massenbereich recht beständig in fünf unabhängigen Kanälen auftritt”, erklärte Guido Tonelli, Sprecher des CMS-Experiments. “Der Überschuss ist am besten vereinbar mit einem Standardmodell-Higgs in der Umgebung von 124 GeV und darunter, aber die statistische Aussagekraft ist nicht groß genug, um etwas Endgültiges zu sagen. Was wir heute sehen, kann eine Hintergrundstörung sein oder die Anwesenheit des Higgs-Bosons. Verbesserte Analysen und zusätzliche Daten, die 2012 von dieser großartigen Maschine geliefert werden, werden definitiv eine Antwort geben.”

In den kommenden Monaten werden beide Experimente ihre Analysen weiter verfeinern und sich auf die Teilchenphysik-Konferenzen im März vorbereiten. Eine definitive Aussage über die Existenz oder Nicht-Existenz des Higgs-Bosons wird allerdings mehr Daten benötigen und wird nicht vor Ende 2012 erwartet.

Das Standardmodell ist die Theorie, die Physiker verwenden, um das Verhalten der Elementarteilchen und der zwischen ihnen wirkenden Kräfte zu beschreiben. Es beschreibt die gewöhnliche Materie, aus der wir und alles Sichtbare im Universum bestehen, sehr gut. Trotzdem beschreibt das Standardmodell nicht die 96 Prozent des Universums, die nicht sichtbar sind. Eines der Hauptziele der Forschungsprogramme am LHC ist es, über das Standardmodell hinauszugehen und das Higgs-Boson könnte der Schlüssel sein.

Ein Higgs-Boson des Standardmodells würde eine Theorie bestätigen, die in den 1960er Jahren entwickelt wurde, aber anderen Theorien zufolge, welche über das Standardmodell hinausgehen, gibt es andere mögliche Formen, die das Higgs-Boson annehmen kann. Ein Standardmodell-Higgs könnte dennoch den Weg zu einer neuen Physik ebnen, indem man Feinheiten in seinem Verhalten beobachtet, die nur auftreten, wenn man eine große Anzahl von Zerfallsprozessen des Higgs-Bosons untersucht. Ein Higgs-Boson, das nicht dem Standardmodell entspricht, ist mit den bislang von den LHC-Experimenten gesammelten Daten außer Reichweite und würde sofort die Tür zu einer neuen Physik öffnen. Ob ATLAS und CMS in den kommenden Monaten zeigen werden, ob das Higgs-Boson des Standardmodells existiert oder nicht – die LHC-Programme weisen den Weg in eine neue Physik.

Quelle: http://press.web.cern.ch/press/PressReleases/Releases2011/PR25.11E.html

(THK)

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