Asteroideneinschläge könnten ein Segen für unterirdisches Leben sein

Untersuchung und Katalogisierung einiger Bohrkerne (Aaron L. Gronstal)
Untersuchung und Katalogisierung einiger Bohrkerne (Aaron L. Gronstal)

Ein Asteroid auf Kollisionskurs ist ein Problem, wenn man ein Dinosaurier oder ein Fan von Bruce Willis ist. Aber laut einer neuen Studie über einen alten Einschlagkrater in der Chesapeake Bay könnten Mikroben tief unter der Erde diese Nachricht tatsächlich begrüßen. Ein biologischer Zensus der unterirdischen Lebensformen deutet darauf hin, dass Einschläge neue Nischen erschaffen, in denen sich diese Bewohner ausbreiten können.

In den letzten paar Jahrzehnten haben Biologen erkannt, dass die Biosphäre nicht auf der Oberfläche endet. Ein großer Anteil der irdischen Biomasse hält sich unter der Oberfläche versteckt. Verschiedene Bohrprojekte haben Belege für kleine Mikroben erbracht, die in tiefen Sedimentgesteinen gedeihen. Manche ernähren sich von organischen Abfällen, die aus unserer Welt hinabsickern, während andere Mikroben Energie aus chemischen Reaktionen mit Eisen und Schwefel gewinnen.

Obwohl sie kein Paradies ist, hat diese Unterwelt einen Vorteil: sie ist recht friedlich. Es gibt keinen Tag-Nacht-Zyklus und keinen Winter oder Sommer. Keine globale Erwärmung oder Eiszeiten, um die man sich Sorgen machen muss. Nur gelegentliche Erdbeben oder riesige Brocken aus dem Weltraum erschüttern diese Welt.

Wir denken normalerweise, dass Asteroiden oder Kometen, die die Erdkruste erschüttern, nur nachteilige Auswirkungen auf das Leben haben, aber für unterirdische Mikroben könnte das Gegenteil der Fall sein. Ein Einschlag würde einiges Gestein durch Hitze sterilisieren, aber er würde auch andere Gebiete bewohnbarer machen.

“Einschläge können die Gesteine tief unter der Oberfläche zertrümmern, was Flüssigkeiten und Nährstoffen erlauben würde, dort hineinzufließen”, sagt Charles Cockell von der University of Edinburgh in Schottland.

Cockell und seine Kollegen entschieden sich dafür, das Leben unter der Oberfläche von einem der größten Einschlagkrater der Erde zu betrachten, dem 85 Kilometer breiten Krater in der Chesapeake Bay. Ihre Ergebnisse wurden kürzlich in einer neuen Studie im Journal Astrobiology veröffentlicht und deuten darauf hin, dass sich die unterirdische Biosphäre immer noch an den 35 Millionen Jahre alten Einschlag anpasst. Aber es scheint so, dass einige Mikroben die Katastrophe ausnutzten, um sich tiefer im Untergrund anzusiedeln.

Große Bohrung

Der Chesapeake-Bay-Einschlagkrater ist der größte Einschlagkrater in den Vereinigten Staaten, aber Geologen entdeckten ihn erst 1983. Er entstand vor 35 Millionen Jahren, als ein rund ein Kilometer großer Komet oder Asteroid in die dortigen seichten Küstengewässer einschlug.

“Er erzeugte ein tiefes Loch und Material im Umkreis stürzte sofort hinein”, sagt Cockell. Modelle sprechen dafür, dass das Loch etwa 30 Minuten später gefüllt wurde, als Tsunamiwellen das Einschlagsgebiet überschwemmten und eine dicke Schicht frischer Sedimente ablagerten.

Schematische Darstellung des Chesapeake-Bay-Kraters an der Ostküste der USA (Cockell et al., 2012)
Schematische Darstellung des Chesapeake-Bay-Kraters an der Ostküste der USA (Cockell et al., 2012)

Die Energie des Einschlags erhitzte das Gestein an der Basis des Kraters auf über 350 Grad Celsius. Das hätte alles Leben im Untergrund töten müssen. Aber nachdem das Gestein abkühlte, wäre das Leben zurückgekehrt, um das Katastrophengebiet neu zu besiedeln.

“Wie lange es für die Neubesiedelung gebraucht hätte, hängt von der Porosität des Gesteins ab”, sagt Cockell.

Um die Nachwirkungen zu studieren, bohrte ein Projekt unter Leitung des International Continental Drilling Program und des United States Geological Survey 2005 und 2006 in den Krater hinein, um Kernproben aus einer Tiefe bis 1,76 Kilometern zu entnehmen. (Aaron Gronstal, einer der Teilnehmer, schrieb ein persönliches Tagebuch über die Bohrung.)

Die geologische Untersuchung der Bohrkerne zeigte, dass die ersten 450 Meter unter der Oberfläche aus Sedimenten jüngeren Alters bestehen. Zwischen 450 Metern und einem Kilometer findet man “Post-Einschlagsmaterial”, das von den Tsunamiwellen zurück in den Krater geschwemmt wurde. Das Gestein unterhalb einem Kilometer Tiefe wurde von dem Einschlag direkt erschüttert und erhitzt.

Zellen zählen

Während des Bohrvorgangs extrahierten Biologen Proben aus dem Gestein, um einen Zensus des Lebens in dem Einschlagkrater durchzuführen. Insgesamt wurden 88 Proben aus sehr unterschiedlichen Tiefen gesammelt.

Jede Probe wurde in einer Lösung aufgelöst und tiefgekühlt. Später fügten die Forscher jeder Probe ein DNA-bindendes Färbemittel hinzu und platzierten sie unter einem Mikroskop. Einzelne Mikroben wurden per direkter Beobachtung gezählt. “Es dauert lange und ist mühsam”, sagt Cockell, “aber das ist das Standardverfahren, um das zu tun.”

Das Team traf spezielle Vorkehrungen, um eine Kontamination durch “nicht einheimische” Lebensformen zu vermeiden. Während des Bohrprozesses wurden dem Schlamm verschiedene Marker zugesetzt. Wenn sich einer dieser Marker in einer biologischen Probe zeigte, dann hätte das Team gewusst, dass etwas von außen eingedrungen sein musste.

Die Biologen beschränkten sich nur auf die nicht kontaminierten Proben und fanden heraus, dass die Anzahl der Mikroben pro Gramm Gestein mit der Tiefe abnahm, was auch an anderen Bohrstellen häufig beobachtet wurde. Aber in den vom Einschlag betroffenen Regionen gab es eine überdurchschnittliche Vielfalt, so als ob die Biosphäre noch nicht zurück ins Gleichgewicht gefunden hätte.

Die Wissenschaftler zeigten, dass diese Vielfalt in der mikrobiellen Verteilung nicht an einem Nährstoffmangel lag. Tatsächlich fanden sie Fülle von Sulfaten und organischem Kohlenstoff in dem gesamten Bohrkern. Die Schlussfolgerung scheint zu sein, dass 35 Millionen Jahre für die Mikroben nicht genug Zeit waren, um das zertrümmerte Gestein des Einschlags zu besiedeln.

“Es ist keine große Überraschung, dass sie Millionen Jahre dafür brauchten”, sagt Cockell. “Sie mussten undurchlässige Sedimente durchdringen.”

Den Weg für neue Besiedlungen ebnen

Noch tiefer, unterhalb von rund einem Kilometer, fanden die Forscher eine ungewöhnlich hohe Anzahl von Mikroben, ungefähr eine Million Zellen pro Gramm. “Niemand hat bisher so viele Organismen in dieser Tiefe beobachtet”, sagt Cockell.

Die Schlussfolgerung daraus scheint zu sein, dass sich der Einschlag positiv auf die Mikroben auswirkte, indem er den Bereich vergrößerte, in welchem sie sich ausbreiten konnten. Die durch den Einschlag verursachten Risse und Spalten ließen Wasser und Nährstoffe in das tiefe Gestein eindringen, was diese Bereiche für die tief unter der Erde lebenden Bewohner gastfreundlicher machte.

“Wir sollten die Sichtweise auf Einschläge verändern”, sagt Stephen Mojzsis von der University of Colorado in Boulder, der nicht an dem Projekt beteiligt war. “Wir sollten sie nicht als nur destruktiv ansehen. Sie sind ein natürlicher Mechanismus, der Nischen für die mikrobielle Gemeinschaft öffnet.”

Mojzsis hat argumentiert, dass das Leben während des Großen Bombardements vor rund vier Milliarden Jahren, als die Erde von zahlreichen großen Objekten getroffen wurde, im Untergrund gediehen sein könnte. Obwohl er glaubt, dass Mikroben einen Einschlagkrater schneller als von den Autoren beobachtet rekolonisieren würden, empfiehlt er diese “sehr sorgfältige” Studie für die quantitative Untersuchung der Bewohnbarkeit von Einschlagkratern.

Mojzsis stimmt den Autoren dahingehend zu, dass Krater ein guter Ort wären, um auf anderen Welten nach Anzeichen für Leben zu suchen. Wie auf der Erde, könnten Einschläge neue Lebensräume für Organismen geschaffen haben, die einst auf dem Mars gelebt haben könnten.

“Das könnte unsere Hand bei der Auswahl einer Bohrstelle für eine zukünftige Mars-Mission führen”, sagt Mojzsis.

Quelle: http://www.astrobio.net/exclusive/4692/impacts-could-be-boon-for-subterranean-life

(THK)

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