Wenn die Venus am 5. und 6. Juni vor der Sonne vorbeizieht, wird eine Armada von Satelliten und bodenbasierten Teleskopen auf der Suche nach etwas schwer Fassbarem und – bis vor kurzem – Unerwartetem sein: Dem Venusbogen (“Arc of Venus”).
“Ich war verblüfft, als ich ihn das erste Mal während des Transits im Jahr 2004 sah”, erinnert sich Jay Pasachoff, ein Professor für Astronomie am Williams College. “Ein heller leuchtender Kranz erschien am Rand der Venus, kurz nachdem sie begann, sich vor die Sonne zu bewegen.” Für einen kurzen Moment hatte sich der Planet in einen Feuerring (“ring of fire”) verwandelt.
Forscher verstehen jetzt, was vor sich ging. Von der Sonne von hinten beleuchtet, brach die Atmosphäre der Venus Sonnenlicht, das die Atmosphärenschichten über den Wolkendecken des Planeten passierte und erzeugte einen Bogen aus Licht, der sowohl mit Amateurteleskopen als auch mit Satelliten sichtbar war. Es zeigt sich, dass Wissenschaftler eine Menge über die Venus lernen können, indem sie den Bogen beobachten. In der Tat berührt er einige der tiefsten Geheimnisse des [von der Sonne aus gesehen] zweiten Planeten.
“Wir verstehen nicht, warum sich die Atmosphäre unseres Schwesterplaneten so anders entwickelt hat als die der Erde”, erklärt der Planetenwissenschaftler Thomas Widemann vom Observatoire de Paris. Erde und Venus haben vergleichbare Entfernungen von der Sonne, bestehen aus denselben Grundmaterialien und sind in Bezug auf die Größe fast perfekte Zwillinge. Trotzdem sind die zwei Planeten in erstaunlich verschiedene Atmosphären eingehüllt. Die Atmosphäre der Venus ist fast 100 Mal schwerer als die der Erde und besteht hauptsächlich aus CO2, einem Treibhausgas, das die Oberflächentemperatur auf fast 480 Grad Celsius hat ansteigen lassen. Wolken aus Schwefelsäure türmen sich bis zu 22 Kilometer hoch auf und wehen mit 350 Kilometern pro Stunde um den Planeten. Ein Mensch, der in diese höllische Umgebung gebracht werden würde, würde zerquetscht werden, ersticken, austrocknen und möglicherweise in Flammen aufgehen. Wissenschaftler haben größtenteils keine Theorie darüber, warum die Venus sich auf diese Weise entwickelte.
Video-Link: https://youtu.be/wOIjJ7s38tw
Dieses Video verdeutlicht, was genau bei dem kommenden Venus-Transit passiert. (Science @ NASA)
“Unsere Modelle und Werkzeuge können Venus nicht vollständig erklären, was bedeutet, dass es uns an Werkzeugen mangelt, um unseren eigenen Planeten zu verstehen”, betont Widemann. “Sich um die Venus zu kümmern heißt, sich um uns selbst zu kümmern.”
Eines der größten Rätsel der Venus ist die Super-Rotation. Die gesamte Atmosphäre umkreist den Planeten in nur vier Erdtagen, deutlich schneller als die Rotationsperiode des Planeten (243 Erdtage). “Die Dynamik der Super-Rotation ist immer noch ein Rätsel, trotz der Fülle an Daten von wegweisenden Missionen wie Pioneer Venus (NASA), Venera und VEGA (Russland), Magellan (NASA) und jüngst die Venus Express der ESA.”
Hier kommt der Venusbogen ins Spiel. Die Helligkeit des Bogens offenbart die Temperatur- und Dichtestruktur der mittleren Venusatmosphäre – der Mesosphäre -, wo das Sonnenlicht gebrochen wird. Einigen Modellen zufolge ist die Mesosphäre der Schlüssel zur Physik der Super-Rotation. Durch die Analyse der Lichtkurve des Bogens können die Wissenschaftler die Temperatur und die Dichte dieser entscheidenden Schicht von Pol zu Pol bestimmen.
Als der Bogen im Jahr 2004 auftauchte, überraschte die Erscheinung die Astronomen. Deswegen waren ihre Beobachtungen nicht dafür optimiert, den sich schnell verändernden Ring aus Licht einzufangen und zu analysieren. Dieses Mal sind sie allerdings vorbereitet. Pasachoff und Widemann haben gemeinsam einen weltweiten Versuch organisiert, um das Phänomen am 5. Juni 2012 zu beobachten. “Wir werden den Bogen mit neun Koronografen beobachten, die auf der ganzen Welt verteilt sind”, sagt Pasachoff. “Die Beobachtungsstandorte umfassen Haleakala, Big Bear und Sacramento Peak. Die japanische Sonde Hinode und das Solar Dynamics Observatory der NASA werden ebenfalls Daten sammeln.”
Pasachoff hat einen Ratschlag für Amateurastronomen, die den Bogen beobachten möchten. “Die besten Zeitpunkte für die Beobachtung sind der Eintritt und der Austritt, wenn sich die Venusscheibe vor die Sonne schiebt und selbige wieder verlässt. Der Eintritt ist zwischen 22:09 Uhr UT und 22:27 Uhr UT am 5. Juni 2012. Der Austritt findet zwischen 04:32 Uhr UT und 04:50 Uhr UT statt. Das Teleskop muss korrekt gefiltert sein. Weißes Licht und H-alpha-Filter könnten den Bogen zeigen.”
Anmerkung der Redaktion
Beobachter in Deutschland können leider nicht den gesamten Venus-Transit verfolgen, weil die Sonne bei Beginn des Ereignisses noch nicht aufgegangen ist. Dennoch können Frühaufsteher am Morgen des 6. Juni 2012 noch etwa 1,5 Stunden des Transits bei Sonnenaufgang verfolgen, sofern günstige Wetterbedingungen herrschen.
Die direkte Beobachtung der Sonne ohne geeignete Hilfsmittel kann zur Erblindung führen! Man muss daher spezielle Sonnenfilter für Teleskope oder Sonnenfinsternis-Brillen verwenden!
Quelle: http://science.nasa.gov/science-news/science-at-nasa/2012/04jun_arcofvenus/
(THK)
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