
Ein internationales Team aus Astronomen hat unter Verwendung von Daten des ESA-Satelliten XMM-Newton ein lang gesuchtes Röntgen-“Echo” identifiziert, das eine neue Möglichkeit verspricht, um supermassive Schwarze Löcher in entfernten Galaxien zu untersuchen.
Die meisten großen Galaxien besitzen ein großes zentrales Schwarzes Loch, das Millionen Sonnenmassen enthält. Wenn Materie auf eines dieser supermassiven Schwarzen Löcher zuströmt, leuchtet das Zentrum der Galaxie hell auf und gibt milliardenfach mehr Energie ab als die Sonne. Astronomen haben solche aktiven galaktischen Kerne (active galactic nuclei, AGN) jahrelang beobachtet, um besser zu verstehen, was am Rande eines supermassiven Schwarzen Lochs geschieht.
“Unsere Analyse erlaubt uns, Schwarze Löcher durch ein anderes Fenster zu betrachten. Sie bestätigt einige lang bestehende Theorien über aktive galaktische Kerne und vermittelt uns einen Eindruck davon, was wir erwarten können, wenn eine neue Generation weltraumbasierter Röntgenteleskope verfügbar wird”, sagte Abderahmen Zoghbi, ein Postdoktorand an der University of Maryland in College Park (UMCP) und der leitende Autor der Studie.
Eines der wichtigsten Werkzeuge der Astronomen für die Untersuchung aktiver galaktischer Kerne ist ein Röntgenmerkmal, das als breite Eisenlinie bekannt ist und jetzt als Signatur eines rotierenden Schwarzen Lochs angesehen wird. Angeregte Eisenatome produzieren charakteristische Röntgenstrahlen mit Energien zwischen 6.000 und 7.000 Elektronenvolt – mehrere tausend Mal mehr als die Energie von sichtbarem Licht – und diese Emission ist bekannt als die Eisen-K-Linie.
Video-Link: https://youtu.be/vGPVG0EF2LM
Dieses Video veranschaulicht die Ergebnisse der aktuellen Studie und deren Bedeutung. (NASA / Goddard Space Flight Center)
Materie, die in Richtung eines Schwarzen Lochs fällt, sammelt sich in einer rotierenden Akkretionsscheibe, wo sie komprimiert und aufgeheizt wird, bevor sie letztendlich den Ereignishorizont des Schwarzen Lochs übertritt – den Punkt, ab dem nichts mehr entkommen kann und Astronomen nichts mehr beobachten können. Eine rätselhafte und starke Röntgenquelle in der Nähe des Schwarzen Lochs scheint auf die Oberflächenschichten der Scheibe und regt Eisenatome an, K-Linien-Emissionen abzustrahlen. Der innere Teil der Scheibe umkreist das Schwarze Loch so schnell, dass die Auswirkungen von Einsteins Relativitätstheorie ins Spiel kommen – insbesondere, wie sich die Zeit in der direkten Nähe zu einem Schwarzen Loch verlangsamt. Diese relativistischen Effekte krümmen oder erweitern das Signal auf unverwechselbare Weise.
Astronomen haben vorausgesagt, dass die breite Eisen-K-Linie mit einer Verzögerung aufleuchten würde, die davon abhängt, wie lange die Röntgenstrahlen brauchten, um die Akkretionsscheibe zu erreichen und zu beleuchten, nachdem die Röntgenquelle in der Nähe des Schwarzen Lochs aufblitzte. Astronomen nennen diesen Prozess “relativistic reverberation” (etwa: “relativistischer Widerschein” oder “relativistisches Echo”). Mit jedem Aufblitzen der Röntgenquelle läuft ein Lichtecho durch die Scheibe und die Eisenlinie leuchtet entsprechend auf.
Unglücklicherweise besitzen weder der ESA-Satellit XMM-Newton noch das Chandra X-ray Observatory der NASA Teleskope, die leistungsfähig genug sind, um die Echos von einzelnen Ausbrüchen zu beobachten.
Das Team überlegte, dass die Registrierung der kombinierten Echos von mehrfachen Ausbrüchen möglich wäre, wenn eine genügend große Datenmenge des passenden Objekts analysiert werden könnte. Das Objekt stellte sich als die Galaxie NGC 4151 heraus, die etwa 45 Millionen Lichtjahre entfernt in Richtung des Sternbildes Canes Venatici (Jagdhunde) liegt. Als einer der hellsten aktiven galaktischen Kerne im Röntgenbereich wurde NGC 4151 intensiv von XMM-Newton beobachtet. Astronomen denken, dass der aktive Kern der Galaxie von einem Schwarzen Loch angetrieben wird, das 50 Millionen Sonnenmassen besitzt. Das spricht für die Anwesenheit einer großen Akkretionsscheibe, die in der Lage ist, besonders langlebige und leicht registrierbare Echos zu erzeugen.
Seit dem Jahr 2000 hat XMM-Newton die Galaxie über die addierte Gesamtdauer von vier Tagen beobachtet. Durch die Analyse dieser Daten entdeckten die Forscher zahlreiche Röntgenechos, die zum ersten Mal die Realität des relativistischen Widerscheins demonstrieren. Die Ergebnisse erschienen in der Ausgabe der Monthly Notices of the Royal Astronomical Society vom 8. Mai 2012.

Das Team fand heraus, dass die Echos gegenüber dem Aufblitzen des aktiven galaktischen Kerns um etwas mehr als 30 Minuten verzögert waren. Die mit dem Echo zusammenhängenden Röntgenstrahlen mussten verglichen mit denen, die von dem Ausbruch direkt zu uns fanden, zusätzliche 640 Millionen Kilometer mit Lichtgeschwindigkeit zurückgelegt haben – das entspricht mehr als der vierfachen durchschnittlichen Entfernung der Erde von der Sonne.
“Das sagt uns, dass sich die rätselhafte Röntgenquelle in aktiven galaktischen Kernen etwas oberhalb der Akkretionsscheibe befindet”, sagte Co-Autor Chris Reynolds, ein Professor für Astronomie an der UMCP und Zoghbis Doktorvater. Jets aus beschleunigten Teilchen stehen oft mit aktiven galaktischen Kernen in Verbindung und dieses Ergebnis greift mit kürzlichen Vorschlägen ineinander, nach denen sich die Röntgenquelle möglicherweise in der Nähe der Basis dieser Jets befindet.
“Die Daten zeigen, dass das früheste Echo von der breitesten Eisenlinien-Emission kommt. Es stammt aus nächster Nähe des Schwarzen Lochs und passt gut zu den Erwartungen”, sagte Co-Autor Andy Fabian, ein Astrophysiker an der University of Cambridge in England.
Erstaunlicherweise hat die extreme Umgebung im Herzen von NGC 4151 eine Größenordnung, die mit unserem eigenen Sonnensystem vergleichbar ist. Wenn wir die Sonne durch das Schwarze Loch ersetzen, würde sich der Ereignishorizont bis in die halbe Distanz zur Erde erstrecken, sofern das Schwarze Loch schnell rotiert. Eine langsamere Rotation hätte einen größeren Ereignishorizont zur Folge. Die Röntgenquelle würde sich über dem Schwarzen Loch und dessen Akkretionsscheibe befinden, in einer Entfernung, die der Distanz zwischen der Sonne und der Mitte des Asteroidengürtels entspräche.
“Das Röntgenecho aus NGC 4151 herauszukitzeln, ist eine bemerkenswerte Leistung. Diese Arbeit bringt die Wissenschaft der aktiven galaktischen Kerne in ein fundamentales neues Gebiet der Kartierung von Umgebungen supermassiver Schwarzer Löcher”, sagte Kimberly Weaver, eine Astrophysikerin am Goddard Space Flight Center der NASA in Greenbelt (Maryland), die nicht an der Studie beteiligt war. Das Goddard Space Flight Center betreibt die XMM-Newton Guest Observer Facility, die US-Astronomen unterstützt, welche Beobachtungszeit für den Satelliten anfordern.
Die Registrierung von Röntgenechos in aktiven galaktischen Kernen bietet eine neue Möglichkeit, Schwarze Löcher und ihre Akkretionsscheiben zu untersuchen. Astronomen stellen sich die nächste Generation von Röntgenteleskopen mit Lichtsammelflächen vor, die groß genug sind, um das Echo eines einzelnen AGN-Ausbruchs in vielen unterschiedlichen Objekten zu registrieren. Dadurch wird ihnen ein neues Werkzeug zur Verfügung gestellt, um die Relativität zu überprüfen und die direkten Umgebungen massiver Schwarzer Löcher zu untersuchen.
Quelle: http://www.nasa.gov/topics/universe/features/xray-echo.html
(THK)
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