Wissenschaftler stellen Heisenbergs berühmte Unschärferelation in Frage

Dylan Mahler (links) und Lee Rozema (rechts) bei Vorbereitungen zu einem Experiment. (Dylan Mahler, University of Toronto)
Dylan Mahler (links) und Lee Rozema (rechts) bei Vorbereitungen zu einem Experiment. (Dylan Mahler, University of Toronto)

Werner Heisenbergs Unschärferelation, von dem theoretischen Physiker im Jahr 1927 formuliert, ist einer der Eckpfeiler der Quantenmechanik. In seiner gebräuchlichsten Form besagt sie, dass es unmöglich ist, etwas zu messen, ohne es zu beeinflussen. Zum Beispiel muss jeder Versuch, die Position eines Teilchens zu messen, willkürlich dessen Geschwindigkeit verändern.

Das Prinzip hat Quantenphysiker fast ein Jahrhundert lang verwirrt, bis Forscher an der University of Toronto kürzlich die Fähigkeit demonstrierten, die Beeinflussung direkt zu messen und zu bestätigen, dass Heisenberg zu pessimistisch war.

“Wir entwickelten einen Apparat, um eine Eigenschaft – die Polarisation – eines einzelnen Photons zu messen. Dann mussten wir messen, wie stark der Apparat dieses Photon beeinflusste”, sagt Lee Rozema, ein Doktorand in Professor Aephraim Steinbergs Quantenoptik-Forschungsgruppe an der University of Toronto und leitender Autor einer Studie, die diese Woche in den Physical Review Letters veröffentlicht wird. “Um das zu tun, hätten wir das Photon vor dem Apparat messen müssen, aber diese Messung hätte das Photon ebenfalls beeinflusst”, sagt Rozema.

Um diese Hürde zu überspringen, wandten Rozema und seine Kollegen eine Technik namens “schwache Messung” an, bei der die Wirkung eines Messgeräts schwach genug ist, um einen nur unmerklichen Einfluss auf das zu messende Objekt zu haben. Bevor jedes Photon zu dem Messapparat geschickt wurde, maßen die Forscher es zunächst schwach und maßen es danach nochmals, wobei sie die Ergebnisse verglichen. Sie fanden heraus, dass die durch die Messung hervorgerufene Beeinflussung geringer war als Heisenbergs Vorhersage voraussetzen würde.

“Jeder Schuss gab uns nur ein winziges Stück an Informationen über die Beeinflussung, aber durch die vielfache Wiederholung des Experiments waren wir in der Lage, einen sehr guten Eindruck davon zu bekommen, wie stark das Photon beeinflusst wurde”, sagt Rozema.

Die Ergebnisse bauen auf kürzliche Infragestellungen von Heisenbergs Unschärferelation durch Wissenschaftler auf der ganzen Welt. Der Physiker Masanao Ozawa von der Nagoya University legte 2003 nahe, dass Heisenbergs Unschärferelation nicht auf Messungen anwendbar ist, aber er konnte nur einen indirekten Weg vorschlagen, um seine Vorhersagen zu bestätigen. Eine Validierung nach der von ihm genannten Art wurde letztes Jahr von Yuji Hasegawas Gruppe an der Technischen Universität Wien durchgeführt. Im Jahr 2010 zeigten die Wissenschaftler Austin Lund und Howard Wiseman von der Griffith University, dass schwache Messungen benutzt werden könnten, um den Prozess der Messung eines Quantensystems zu charakterisieren. Allerdings gab es noch Hürden zu überwinden, weil ihre Theorie im Grunde einen kleinen Quantencomputer erfordert, der schwer zu konstruieren ist.

Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus: Zunächst wird eine schwache Messung vorgenommen, dann tritt das Photon in den eigentlichen Messapparat ein und danach folgt die letzte Messung. (Lee Rozema)
Schematische Darstellung des Versuchsaufbaus: Zunächst wird eine schwache Messung vorgenommen, dann tritt das Photon in den eigentlichen Messapparat ein und danach folgt die letzte Messung. (Lee Rozema)

“In der Vergangenheit haben wir experimentell an der Implementierung von schwachen Messungen und an der Verwendung einer Technik namens ‘Cluster State Quantum Computing’ gearbeitet, um die Konstruktion von Quantencomputern zu vereinfachen. Die Kombination dieser beiden Methoden führte zu der Feststellung, dass es eine Möglichkeit gab, um Lunds und Wisemans Theorien im Labor zu implementieren”, sagt Rozema.

Es wird oft behauptet, dass Heisenbergs Unschärferelation sowohl auf die innere Unschärfe anwendbar ist, die ein Quantensystem besitzen muss, als auch auf Messungen. Diese Ergebnisse zeigen, dass dies nicht der Fall ist und demonstrieren den Präzisionsgrad, der mit schwachen Messungen erreicht werden kann.

“Die Ergebnisse zwingen uns, unsere Ansicht darüber anzupassen, welche exakten Grenzen die Quantenmechanik einer Messung auferlegt”, sagt Rozema. “Diese Grenzen sind wichtig für die fundamentale Quantenmechanik und sind von zentraler Bedeutung für die Entwicklung der ‘Quanten-Kryptografie’, die sich auf die Unschärferelation stützt, um zu gewährleisten, dass jeder Lauscher aufgrund der von ihm hervorgerufenen Beeinflussung entdeckt werden würde.”

“Die Quantenwelt ist voller Unschärfe, aber letztendlich kommt durch unsere Versuche, sie zu beobachten, nicht so viel Unschärfe hinzu, wie wir dachten.”

Die Ergebnisse werden in der Abhandlung “Violation of Heisenberg’s Measurement-Disturbance Relationship by Weak Measurements” beschrieben. Die Forschungsarbeit wird durch finanzielle Mittel des Natural Sciences and Engineering Research Council of Canada und des Canadian Institute for Advanced Research unterstützt.

Quelle: http://www.artsci.utoronto.ca/main/media-releases/university-of-toronto-scientists-cast-doubt-on-renowned-uncertainty-principle

(THK)

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